Sachverhalt: Mit Beschluss
des Verwaltungs- und Finanzausschusses am 19.07.2007 wurde die Verwaltung
beauftragt, Erfahrungsberichte anderer Städte einzuholen und anschließend im
Stadtrat über die Übertragung von öffentlichen Sitzungen des Stadtrates und
seiner Ausschüsse per Web-Cam live über Internet zu berichten. 1.
Rechtliche Aspekte Es gibt
hierzu eine Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten vom 23.10.2003. Die
darin vertretene Rechtsauffassung wird vom Bayerischen Staatsministerium des
Innern mit Schreiben vom 12.11.2003 geteilt. Grundsätzlich wird in der
Stellungnahme festgehalten, dass sich jedes einzelne Gemeinderatsmitglied der
Bild- und Tonaufzeichnung seines Redebeitrages widersetzen kann. Das
Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass hierbei kein Verstoß gegen die
Pressefreiheit zu sehen ist, da die Willensbildung im Gemeinderat ungezwungen,
freimütig und in aller Offenheit verlaufen können muss. Datenschutzrechtlich
ist eine Live-Übertragung im Internet eine Übermittlung personenbezogener Daten
an eine Vielzahl unbestimmter Personen. Sie ist nur zulässig, wenn das
Bayerische Datenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder
der Betroffene schriftlich eingewilligt hat. Betroffene sind
Gemeinderatsmitglieder, Gemeindebedienstete, Bürger, deren Angelegenheiten
behandelt werden, Zuhörer. Eine
Befugnisnorm, die die Live-Übertragung gestattet, existiert nicht. Art. 19 Abs.
1 Nr. 2 BayDSG trifft nicht zu, da ein berechtigtes Interesse der
Öffentlichkeit an einer weltweiten Übertragung einer Gemeinderatssitzung nicht
besteht. Betroffene haben dagegen ein schutzwürdiges Interesse, dass ihre
personenbezogenen Daten nicht übermittelt werden. Art. 52 GO stellt ebenfalls
keine Rechtsgrundlage dar. Dies bedeutet, dass eine Live-Übertragung nur
möglich ist, wenn eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Die
betroffenen Personen sind darauf hinzuweisen, dass bei einer Übertragung im
Internet Bild und Ton weltweit von einem unbegrenzten Kreis von Personen abgerufen,
aufgezeichnet, unter Umständen verändert und ausgewertet werden können und die
weitere Verwendung dieser Aufnahmen nicht abzusehen ist. Damit
eine Live-Übertragung durchgeführt werden kann, ist daher folgendes zu
beachten:
2.
Erfahrungen anderer Kommunen Nachfragen
beim Deutschen Städtetag und beim Deutschen Institut für Urbanistik haben keine
Ergebnisse gebracht. Dem Bayerischen Städtetag war nur die Gemeinde
Rednitzhembach in Mittelfranken bekannt, die im Jahr 2003 zum ersten Mal eine
Gemeinderatssitzung live im Internet übertragen hat. Die weiteren Gemeinden und
Städte, die nachfolgend aufgeführt sind, wurden durch Internetrecherche
ermittelt. 2.1 Städte/Gemeinden
in Bayern 2.1.1
Rednitzhembach Im
September 2003 übertrug die Gemeinde Rednitzhembach (7.000 Einwohner) das erste
Mal eine Gemeinderatssitzung live im Internet. Seit dieser Zeit werden zwei bis
drei Sitzungen pro Jahr im Internet übertragen. Dabei handelt es sich jeweils
um besondere Sitzungen, wie z.B. Haushaltsberatungen, Behandlung bedeutender
Baumaßnahmen etc. Es wird eine Firma beauftragt, die mit zwei Mitarbeitern
(Kameramann, Techniker) vor Ort ist und die erforderliche technische Ausstattung
(Kamera, Laptop) mitbringt. Einen Router hat die Gemeinde Rednitzhembach selbst
angeschafft. Die Sitzungsaufnahmen können anschließend noch etwa zwei bis drei
Wochen lang auf der Homepage der Gemeinde Rednitzhembach abgerufen werden. Die
Firma erhält je Sitzung 500,00 Euro. Allerdings sind damit nicht die
tatsächlichen Kosten abgedeckt. Da die Firma auch sonst für die Gemeinde
Rednitzhembach tätig ist, konnte eine Sondervereinbarung getroffen werden. Die
erste Live-Übertragung verfolgten etwa 1.000 Personen, mittlerweile werden die
Übertragungen von 100 bis 150 Zuschauern gesehen. 2.1.2
Unterschleißheim Die Stadt
Unterschleißheim hat im Februar 2005 nach einem Antrag aus dem Stadtrat die Möglichkeit
der Live-Übertragung von Stadtratssitzungen geprüft. Sowohl aus
datenschutzrechtlichen Gründen wie auch wegen des nicht erkennbaren
Kosten-/Nutzenverhältnisses wurde der Antrag abgelehnt. Die Stadt
Unterschleißheim prüfte zwei Möglichkeiten der Übertragung: a) eine
fest installierte Webcam im Wand- oder Deckenbereich b) den
Einsatz eines Kamerateams, das während der Sitzung für die Bild- und
Tonaufnahme sorgt und diese auf einen externen Streaming-Server überträgt. Für
diese Alternative wurden von der Stadt Unterschleißheim Kosten in Höhe von
4.980. -- Euro je Sitzung errechnet. Ein entsprechendes Kostenangebot lag vor.
Insgesamt errechnete die Stadt jährliche Kosten in Höhe von rund 50.000. –
Euro, wobei nur Sitzungen des Stadtrates, aber keine Ausschusssitzungen
berücksichtigt wurden. Da auch in
Frage gestellt wurde, ob die Bevölkerung von diesem Angebot überhaupt in nennenswertem
Umfang Gebrauch machen würde, fand der Antrag im Stadtrat keine Zustimmung. 2.2
Städte/Gemeinden in anderen Bundesländern 2.2.1
Seelbach Die
Gemeinde Seelbach (knapp 6.000 Einwohner, 20 Gemeinderäte) aus
Baden-Württemberg überträgt seit 2004 ihre öffentlichen Gemeinderatssitzungen
in das Internet. Beim Projekt „Seelbach-TV“, dem die Gemeinde Seelbach, die
Realschule Seelbach und die Fachhochschule Kehl angehören, bedienen
Schülerinnen und Schüler der Realschule Seelbach die Aufnahmekameras und das
Bild- und Tonmischpult. Unter www.seelbach-online.de können die Gemeinderatssitzungen
entweder live verfolgt oder später als Aufzeichnung abgerufen werden. 2.2.2
Hagen a.T.W. Die
Gemeinde Hagen a.T.W. (14.000 Einwohner, 30 Gemeinderäte) aus Niedersachsen hat
über einen gewissen Zeitraum hinweg eine Firma mit der Übertragung von
Gemeinderatssitzungen im Internet beauftragt. Wegen des hohen Verwaltungsaufwandes
und aus Kostengründen (je Sitzung 900,00 Euro) wurde die Übertragung jedoch
wieder eingestellt. 2.2.3
Eisenach Es gibt keine
Live-Übertragung der Stadtratssitzungen, aber vollständige
Audio-Aufzeichnungen. Die Stadtratssitzungen werden von Wartburg-Radio 96,5,
einem Lokalsender, der im Umkreis von ca. 30 km sendet, aufgezeichnet und etwa
drei Tage später im Wortlaut ausgestrahlt. Die Wortbeiträge bleiben dabei in
vollem Umfang erhalten. Die technische Ausstattung des Wartburg-Radios besteht aus
einem Aufzeichnungsgerät, das direkt mit der Mikrofonanlage im Sitzungssaal
verbunden ist. 2.2.4
Jena Der lokale
Fernsehsender Jena-TV zeigt die Stadtratssitzungen in seinem Programm. Es sind
2 Kameras vor Ort, die Sitzung wird am selben Tag zeitversetzt (Sitzungsbeginn
17.00 Uhr, Sendetermin 21.00 Uhr) gesendet und am nächsten Tag im
Vormittagsprogramm nochmals wiederholt. Auf eine Übertragung der Sitzungen im
Internet wurde aus Kostengründen verzichtet. 2.2.5
Görlitz Seit 1995
werden Stadtratssitzungen live im Lokalfernsehen (ERTV) übertragen. Es sind
regelmäßig vier Mitarbeiter des Senders (2 Kameraleute, 1 Mitarbeiter Regie, 1
Helfer) im Einsatz. Vor drei Jahren wurden zusätzliche technische Einrichtungen
geschaffen, so dass nun parallel zum Fernsehen die Stadtratssitzungen als
Livestream im Internet angeboten werden. Die Sitzungen werden ausschließlich
live gezeigt, ein Abruf zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht möglich.
Allerdings können private Mitschnitte angefertigt werden. Auch zeichnet der
Sender die Sitzungen auf; dort kann ein Mitschnitt gegen Kostenerstattung
bestellt werden. Nachdem die Übertragung zunächst kostenfrei durch den Sender
erfolgte, wird mittlerweile eine Pauschale von der Stadt Görlitz für die
Dienstleistung bezahlt. 3.
Übertragungsmöglichkeiten und Kosten Grundsätzlich
sind zwei Möglichkeiten denkbar, um eine Live-Übertragung im Internet durchzuführen: 1. Zum
einen wäre eine fest installierte Webcam im Wand- oder Deckenbereich denkbar,
die allerdings nur ein sehr starres Bild mit erheblichen Sichteinschränkungen
bietet. Die Qualität der Übertragung wäre eher schlecht zu beurteilen. Für
diese Lösung würden im Monat Bereitstellungskosten (Leitungskosten,
Streamingserver, Wartungspauschale) in Höhe von 650,00 Euro zzgl. MWSt.
anfallen. Hinzu kämen einmalige Kosten in Höhe von 1.500,00 Euro zzgl. MWSt.
für eine Kamera und die erstmalige Inbetriebnahme. Ein entsprechendes Angebot
liegt der Verwaltung vor. Sollten einzelne Stadtratsmitglieder und Bedienstete die
Einwilligung verweigern, bedeutet dies bei einer Live-Übertragung im Internet,
dass, da die entsprechenden Sequenzen aus der Ausnahme nicht herausgeschnitten
werden können, diese Zeitabschnitte überbrückt werden müssen. Es müsste also -
gegen Kostenerstattung – zusätzlich entsprechendes Fachpersonal vor Ort sein,
das in diesen Fällen die Übertragung unterbricht und ein Alternativbild bzw.
einen Alternativton einblendet. 2. Eine
andere Alternative wäre der Einsatz eines Kamerateams, das während der Sitzung
für die Bild- und Tonaufnahmen sorgt und diese auf einen externen
Streamingserver überträgt. Bei dieser
Alternative kämen zu den o. g. Kosten weitere Personalkosten für Kameraführung
hinzu, deren Höhe sich nach der jeweiligen Sitzungsdauer richten würde. Die
Mehrzahl der Tagesordnungspunkte wird in den einzelnen Fachausschüssen (vor)beraten
und ausführlich diskutiert. Wenn man sich für eine Informationsübermittlung via
Internet entscheidet, wäre es daher wohl sinnvoll, auch öffentliche Sitzungen
der Stadtratsausschüsse zu übertragen. Pro Jahr müssten somit rund 50 Sitzungen
übertragen werden. Legt man die von der Stadt Unterschleißheim ermittelten
Kosten je Sitzung zu Grunde, wäre im letzten Falle mit Kosten von jährlich rund
249.000 Euro zu rechnen. 4.
Zusammenfassung Bislang werden
nur von einzelnen Städten/Gemeinden Stadtratssitzungen live im Internet übertragen.
Die Nutzung dieser Möglichkeit wurde aus folgenden Gründen abgelehnt: Eine professionelle
Übertragung ist mit hohen Kosten verbunden, die tatsächliche Inanspruchnahme
durch die Bürgerinnen und Bürgern wird nach den Erfahrungen anderer Kommunen
als eher gering eingeschätzt. Zudem wird eine Übertragung von
Stadtratssitzungen im Internet vom Datenschutzbeauftragten als problematisch
angesehen. Eine
qualitativ hochwertige und damit interessante Übertragung kann nur mit einem
umfangreichen personellen und technischen Aufwand erreicht werden. Es ist für
Bürgerinnen und Bürger nur unter folgenden Voraussetzungen attraktiv,
Stadtratssitzungen im Internet zu verfolgen:
Der
Ausschuss beschließt: Vom
Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen. Anlagen:
Auszug aus dem 21. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz
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