Vorlage - VO/08/3761/SK2  

 
 
Betreff: Übertragung von öffentlichen Stadtratssitzungen im Internet
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bereichsleiter Walke
Federführend:Hauptabteilung Rat und Repräsentation   
Beratungsfolge:
Verwaltungs- und Finanzausschuss Entscheidung
23.10.2008 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

                                                                                                            

 

 

Sachverhalt: 

 

Mit Beschluss des Verwaltungs- und Finanzausschusses am 19.07.2007 wurde die Verwaltung beauftragt, Erfahrungsberichte anderer Städte einzuholen und anschließend im Stadtrat über die Übertragung von öffentlichen Sitzungen des Stadtrates und seiner Ausschüsse per Web-Cam live über Internet zu berichten.

 

 

 

1. Rechtliche Aspekte

 

Es gibt hierzu eine Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten vom 23.10.2003. Die darin vertretene Rechtsauffassung wird vom Bayerischen Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom 12.11.2003 geteilt. Grundsätzlich wird in der Stellungnahme festgehalten, dass sich jedes einzelne Gemeinderatsmitglied der Bild- und Tonaufzeichnung seines Redebeitrages widersetzen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass hierbei kein Verstoß gegen die Pressefreiheit zu sehen ist, da die Willensbildung im Gemeinderat ungezwungen, freimütig und in aller Offenheit verlaufen können muss.

 

Datenschutzrechtlich ist eine Live-Übertragung im Internet eine Übermittlung personenbezogener Daten an eine Vielzahl unbestimmter Personen. Sie ist nur zulässig, wenn das Bayerische Datenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder der Betroffene schriftlich eingewilligt hat. Betroffene sind Gemeinderatsmitglieder, Gemeindebedienstete, Bürger, deren Angelegenheiten behandelt werden, Zuhörer.

 

Eine Befugnisnorm, die die Live-Übertragung gestattet, existiert nicht. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG trifft nicht zu, da ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an einer weltweiten Übertragung einer Gemeinderatssitzung nicht besteht. Betroffene haben dagegen ein schutzwürdiges Interesse, dass ihre personenbezogenen Daten nicht übermittelt werden. Art. 52 GO stellt ebenfalls keine Rechtsgrundlage dar. Dies bedeutet, dass eine Live-Übertragung nur möglich ist, wenn eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Die betroffenen Personen sind darauf hinzuweisen, dass bei einer Übertragung im Internet Bild und Ton weltweit von einem unbegrenzten Kreis von Personen abgerufen, aufgezeichnet, unter Umständen verändert und ausgewertet werden können und die weitere Verwendung dieser Aufnahmen nicht abzusehen ist.

 

Damit eine Live-Übertragung durchgeführt werden kann, ist daher folgendes zu beachten:

  • Es ist streng darauf zu achten, dass Bürgerangelegenheiten anonymisiert behandelt werden.
  • Beiträge von Stadtratsmitgliedern, die ihre Zustimmung verweigern, dürfen nicht gesendet werden. Diese Zeitabschnitte müssen bei einer Live-Sendung überbrückt werden.
  • Willigt ein städtischer Bediensteter nicht ein, muss die Berichterstattung ein anderer Beschäftigter vornehmen.
  • Der Zuhörerbereich ist von einer Übertragung auszunehmen, da eine rechtswirksame Zustimmungseinholung nicht möglich ist. Eine Frage in den Zuhörerraum genügt den Vorschriften nicht.

 

 

 

 

2. Erfahrungen anderer Kommunen

 

Nachfragen beim Deutschen Städtetag und beim Deutschen Institut für Urbanistik haben keine Ergebnisse gebracht. Dem Bayerischen Städtetag war nur die Gemeinde Rednitzhembach in Mittelfranken bekannt, die im Jahr 2003 zum ersten Mal eine Gemeinderatssitzung live im Internet übertragen hat. Die weiteren Gemeinden und Städte, die nachfolgend aufgeführt sind, wurden durch Internetrecherche ermittelt.

 

 

 

2.1 Städte/Gemeinden in Bayern

2.1.1 Rednitzhembach

Im September 2003 übertrug die Gemeinde Rednitzhembach (7.000 Einwohner) das erste Mal eine Gemeinderatssitzung live im Internet. Seit dieser Zeit werden zwei bis drei Sitzungen pro Jahr im Internet übertragen. Dabei handelt es sich jeweils um besondere Sitzungen, wie z.B. Haushaltsberatungen, Behandlung bedeutender Baumaßnahmen etc. Es wird eine Firma beauftragt, die mit zwei Mitarbeitern (Kameramann, Techniker) vor Ort ist und die erforderliche technische Ausstattung (Kamera, Laptop) mitbringt. Einen Router hat die Gemeinde Rednitzhembach selbst angeschafft. Die Sitzungsaufnahmen können anschließend noch etwa zwei bis drei Wochen lang auf der Homepage der Gemeinde Rednitzhembach abgerufen werden. Die Firma erhält je Sitzung 500,00 Euro. Allerdings sind damit nicht die tatsächlichen Kosten abgedeckt. Da die Firma auch sonst für die Gemeinde Rednitzhembach tätig ist, konnte eine Sondervereinbarung getroffen werden. Die erste Live-Übertragung verfolgten etwa 1.000 Personen, mittlerweile werden die Übertragungen von 100 bis 150 Zuschauern gesehen.

 

 

2.1.2 Unterschleißheim

Die Stadt Unterschleißheim hat im Februar 2005 nach einem Antrag aus dem Stadtrat die Möglichkeit der Live-Übertragung von Stadtratssitzungen geprüft. Sowohl aus datenschutzrechtlichen Gründen wie auch wegen des nicht erkennbaren Kosten-/Nutzenverhältnisses wurde der Antrag abgelehnt. Die Stadt Unterschleißheim prüfte zwei Möglichkeiten der Übertragung:

a) eine fest installierte Webcam im Wand- oder Deckenbereich

b) den Einsatz eines Kamerateams, das während der Sitzung für die Bild- und Tonaufnahme sorgt und diese auf einen externen Streaming-Server überträgt. Für diese Alternative wurden von der Stadt Unterschleißheim Kosten in Höhe von 4.980. -- Euro je Sitzung errechnet. Ein entsprechendes Kostenangebot lag vor. Insgesamt errechnete die Stadt jährliche Kosten in Höhe von rund 50.000. – Euro, wobei nur Sitzungen des Stadtrates, aber keine Ausschusssitzungen berücksichtigt wurden.

Da auch in Frage gestellt wurde, ob die Bevölkerung von diesem Angebot überhaupt in nennenswertem Umfang Gebrauch machen würde, fand der Antrag im Stadtrat keine Zustimmung.

 

 

2.2 Städte/Gemeinden in anderen Bundesländern

2.2.1 Seelbach

Die Gemeinde Seelbach (knapp 6.000 Einwohner, 20 Gemeinderäte) aus Baden-Württemberg überträgt seit 2004 ihre öffentlichen Gemeinderatssitzungen in das Internet. Beim Projekt „Seelbach-TV“, dem die Gemeinde Seelbach, die Realschule Seelbach und die Fachhochschule Kehl angehören, bedienen Schülerinnen und Schüler der Realschule Seelbach die Aufnahmekameras und das Bild- und Tonmischpult. Unter www.seelbach-online.de können die Gemeinderatssitzungen entweder live verfolgt oder später als Aufzeichnung abgerufen werden.

 

 

2.2.2 Hagen a.T.W.

Die Gemeinde Hagen a.T.W. (14.000 Einwohner, 30 Gemeinderäte) aus Niedersachsen hat über einen gewissen Zeitraum hinweg eine Firma mit der Übertragung von Gemeinderatssitzungen im Internet beauftragt. Wegen des hohen Verwaltungsaufwandes und aus Kostengründen (je Sitzung 900,00 Euro) wurde die Übertragung jedoch wieder eingestellt.

 

 

2.2.3 Eisenach

Es gibt keine Live-Übertragung der Stadtratssitzungen, aber vollständige Audio-Aufzeichnungen. Die Stadtratssitzungen werden von Wartburg-Radio 96,5, einem Lokalsender, der im Umkreis von ca. 30 km sendet, aufgezeichnet und etwa drei Tage später im Wortlaut ausgestrahlt. Die Wortbeiträge bleiben dabei in vollem Umfang erhalten. Die technische Ausstattung des Wartburg-Radios besteht aus einem Aufzeichnungsgerät, das direkt mit der Mikrofonanlage im Sitzungssaal verbunden ist.

 

 

2.2.4 Jena

Der lokale Fernsehsender Jena-TV zeigt die Stadtratssitzungen in seinem Programm. Es sind 2 Kameras vor Ort, die Sitzung wird am selben Tag zeitversetzt (Sitzungsbeginn 17.00 Uhr, Sendetermin 21.00 Uhr) gesendet und am nächsten Tag im Vormittagsprogramm nochmals wiederholt. Auf eine Übertragung der Sitzungen im Internet wurde aus Kostengründen verzichtet.

 

 

2.2.5 Görlitz

Seit 1995 werden Stadtratssitzungen live im Lokalfernsehen (ERTV) übertragen. Es sind regelmäßig vier Mitarbeiter des Senders (2 Kameraleute, 1 Mitarbeiter Regie, 1 Helfer) im Einsatz. Vor drei Jahren wurden zusätzliche technische Einrichtungen geschaffen, so dass nun parallel zum Fernsehen die Stadtratssitzungen als Livestream im Internet angeboten werden. Die Sitzungen werden ausschließlich live gezeigt, ein Abruf zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht möglich. Allerdings können private Mitschnitte angefertigt werden. Auch zeichnet der Sender die Sitzungen auf; dort kann ein Mitschnitt gegen Kostenerstattung bestellt werden. Nachdem die Übertragung zunächst kostenfrei durch den Sender erfolgte, wird mittlerweile eine Pauschale von der Stadt Görlitz für die Dienstleistung bezahlt.

 

 

 

3. Übertragungsmöglichkeiten und Kosten

 

Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten denkbar, um eine Live-Übertragung im Internet durchzuführen:

1. Zum einen wäre eine fest installierte Webcam im Wand- oder Deckenbereich denkbar, die allerdings nur ein sehr starres Bild mit erheblichen Sichteinschränkungen bietet. Die Qualität der Übertragung wäre eher schlecht zu beurteilen. Für diese Lösung würden im Monat Bereitstellungskosten (Leitungskosten, Streamingserver, Wartungspauschale) in Höhe von 650,00 Euro zzgl. MWSt. anfallen. Hinzu kämen einmalige Kosten in Höhe von 1.500,00 Euro zzgl. MWSt. für eine Kamera und die erstmalige Inbetriebnahme. Ein entsprechendes Angebot liegt der Verwaltung vor. Sollten einzelne Stadtratsmitglieder und Bedienstete die Einwilligung verweigern, bedeutet dies bei einer Live-Übertragung im Internet, dass, da die entsprechenden Sequenzen aus der Ausnahme nicht herausgeschnitten werden können, diese Zeitabschnitte überbrückt werden müssen. Es müsste also - gegen Kostenerstattung – zusätzlich entsprechendes Fachpersonal vor Ort sein, das in diesen Fällen die Übertragung unterbricht und ein Alternativbild bzw. einen Alternativton einblendet.

 

2. Eine andere Alternative wäre der Einsatz eines Kamerateams, das während der Sitzung für die Bild- und Tonaufnahmen sorgt und diese auf einen externen Streamingserver überträgt.

Bei dieser Alternative kämen zu den o. g. Kosten weitere Personalkosten für Kameraführung hinzu, deren Höhe sich nach der jeweiligen Sitzungsdauer richten würde. Die Mehrzahl der Tagesordnungspunkte wird in den einzelnen Fachausschüssen (vor)beraten und ausführlich diskutiert. Wenn man sich für eine Informationsübermittlung via Internet entscheidet, wäre es daher wohl sinnvoll, auch öffentliche Sitzungen der Stadtratsausschüsse zu übertragen. Pro Jahr müssten somit rund 50 Sitzungen übertragen werden. Legt man die von der Stadt Unterschleißheim ermittelten Kosten je Sitzung zu Grunde, wäre im letzten Falle mit Kosten von jährlich rund 249.000 Euro zu rechnen.

 

 

 

4. Zusammenfassung

 

Bislang werden nur von einzelnen Städten/Gemeinden Stadtratssitzungen live im Internet übertragen. Die Nutzung dieser Möglichkeit wurde aus folgenden Gründen abgelehnt: Eine professionelle Übertragung ist mit hohen Kosten verbunden, die tatsächliche Inanspruchnahme durch die Bürgerinnen und Bürgern wird nach den Erfahrungen anderer Kommunen als eher gering eingeschätzt. Zudem wird eine Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet vom Datenschutzbeauftragten als problematisch angesehen.

 

Eine qualitativ hochwertige und damit interessante Übertragung kann nur mit einem umfangreichen personellen und technischen Aufwand erreicht werden. Es ist für Bürgerinnen und Bürger nur unter folgenden Voraussetzungen attraktiv, Stadtratssitzungen im Internet zu verfolgen:

  • Realisierung mit mehreren Kameras, die von professionellen Kameraleuten bedient werden
  • Anwesenheit eines Redakteurs
  • Einblendung von Alternativbildern/Alternativton bei Redebeiträgen von Stadträten bzw. Mitarbeitern der Verwaltung, die einer Übertragung ihrer Redebeiträge nicht zugestimmt haben
  • Einblendung von Namen, damit Wortmeldungen identifizierbar sind
Der Ausschuss beschließt:

 

Der Ausschuss beschließt:

 

Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen.

 

 

Anlagen:

Anlagen:

 

Auszug aus dem 21. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Tätigkeitsbericht (122 KB)