Vorlage - VO/14/10295/61  

 
 
Betreff: RegINa 2030 - Regensburger Initiative Nahmobilität
Rad- und Fußverkehrsförderung in Regensburg
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Stadtplanungsamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Entscheidung
19.11.2014 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

 

 

 

Sachverhalt:

 

Einleitung

 

Die im Vorfeld der Erstellung des neuen Verkehrsmodells durchgeführte Haushaltsbefragung hat gezeigt, dass Regensburg bereits eine Stadt der kurzen Wege“ ist. Die durchschnittliche Länge der von den Regensburger Bürgerinnen und Bürger durchgeführten Wege beträgt nur 6,5 km und ist damit um ca. 3 km kürzer als in vergleichbaren Städten Deutschlands (9,6 km). Gleichzeitig ist auch die Wegedauer mit durchschnittlich 18 Minuten etwa 5 Minuten kürzer als in anderen Städten gleicher Größenordnung (23 Minuten).

 

Die kürzeren Wege und geringeren Zeitdauern werden dabei in allen Wegezwecken (Arbeit, Ausbildung, Freizeit, Einkaufen etc.) und mit allen Verkehrsmitteln (Auto, ÖPNV, Fahrrad) erreicht. Dies legt den Schluss nahe, dass die Regensburger einen sehr großen Teil der Wege innerhalb des Stadtgebiets erledigen können. Selbst die Freizeit verbringen offenbar die Bürgerinnen und Bürger gerne innerhalb der Stadtgrenzen oder in der näheren Umge­bung.

 

50 % aller Wege in Regensburg dienen dem Fahrtzweck Freizeit und Einkauf. Viele dieser Wege sind zeitlich variabel. Gegenüber den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhundert bestimmen heutzutage nicht mehr der Berufs- und Ausbildungsverkehr das Verkehrsgeschehen. Dieser Trend wird sich durch den demographischen Wanden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verstärken.

 

Dies sind ideale Voraussetzungen, um die Verkehrsmittel des Umweltverbunds zu fördern. Der Zeitverlust beim Umstieg vom Kraftfahrzeug auf den Umweltverbund ist auf kurzen Strecken sehr gering. Bei einer konsequenten Förderung des Umweltverbunds entstehen in vielen Fällen überhaupt keine Zeitverluste bei der Tür-zu-Tür-Betrachtung.

 

Nahmobilität fördern bedeutet einen Gewinn für die Stadtgesellschaft durch

 

  • weniger Verkehrslärm,
  • weniger Luftschadstoffe,
  • weniger Flächenverbrauch,
  • weniger Unfälle und
  • mehr Gesundheit,

 

ohne Nachteile in der Erreichbarkeit und der Mobilität. Vor allem Kinder und ältere Menschen würden von entsprechenden Maßnahmen profitieren. Die Palette der Maßnahmen reicht da­bei von ausreichend breiten Geh- und Radwegen über barrierefreie Haltestellen, abgesenkte Bordsteine an Überwegen, Freihalten von Sichtfeldern an Einmündungen, Kreuzungen und Überwegen, mehr und bessere Fahrradabstellanlagen, einem eigenständigen Wegweisungs­konzept bis hin zur Beschleunigung bzw. Bevorrechtigung von Bussen, Radlern und Fuß­ngern an Ampeln. Zu Fuß gehen, Radeln und Busfahren muss so attraktiv werden, dass es zur Selbstverständlichkeit wird. Durch die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel und Verkehrsdienstleister (Car-Sharing, Bike-Sharing, Nachtbusangebote, Taxen usw.) wird der Verzicht auf die Autonutzung mehr und mehr erleichtert.

 

Die persönliche Betroffenheit der Nahmobilitätsförderung zeigt sich in der steigenden Ge­sundheit. Anerkannte Mediziner haben wiederholt belegt, dass Menschen, die sich regel­mäßig bewegen etwa 30 Minuten pro Tag auf dem Rad oder zu Fuß im Alter länger gesund bleiben. Eine bessere Gesundheit erlaubt bis ins hohe Alter Mobilität. Mobilität ist wiederum ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität, weil mobile Menschen leichter am gesellschaftlichen Leben teilhaben kön­nen.

 

 

Die Stadt Regensburg ist Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e. V. (AGFK). Gemäß der derzeit geltenden Satzung (vgl. Anlage) sind die Gründungsmitglieder verpflichtet, spätestens 4 Jahre nach der Gründung die Erfüllung der Aufnahmekriterien gegenüber dem Vereinsvorstand nachzuweisen. Der Verein wurde im Februar 2012 gegründet, die 4-Jahresfrist läuft somit Anfang 2016 ab.

 

Bereits 2013 fand eine Vorbereisung Regensburgs durch eine unabhängige Kommission statt. Die Kommission bestand aus Vertretern der AGFK, des Ministeriums und des ADFC. Dabei wurde festgestellt, dass die Stadt Regensburg noch nicht alle Aufnahmekriterien er­llt. Damit der Vereinsvorstand gegenüber dem Ministerium die Empfehlung zur Verleihung der Auszeichnung fahrradfreundliche Kommune“ aussprechen kann, müssen bis zur Haupt­bereisung der Kommission die Aufnahmekriterien erfüllt sein oder es muss klar erkennbar werden, wie die Stadt Regensburg in Zukunft die Kriterien erfüllen will.

 

 

Nachfolgend werden die noch zu erfüllenden Kriterien beschrieben und Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise aufgezeigt:

 

 

  1. Kommunalpolitische Zielsetzungen

 

Die Stadt Regensburg hat bislang keine durch den Stadtrat beschlossene Zielsetzung zur Erhöhung des Radverkehrsanteils im Modal-Split (=Verkehrsmittelwahl). Aktuell werden 19 % aller Wege im Stadtgebiet mit dem Fahrrad zuckgelegt, 51 % mit dem Kfz, 13 % mit dem ÖPNV und 17 % zu Fuß.

 

Die Verwaltung schlägt vor, dass im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans in der ersten Jahreshälfte 2015 eine klare Zielvorgabe für den zukünftigen Modal-Split durch den Stadtrat beschlossen werden soll.

 

 

  1. Radverkehrsbeauftragter

 

Um das Thema Radverkehr in einer Großstadt wie Regensburg konsequent fördern zu kön­nen, sind organisatorische, personelle und finanzielle Vorkehrungen zu treffen. Derzeit wird das Thema Radverkehr an verschiedenen Stellen in der Verwaltung bearbeitet (Stadt­planungsamt, Tiefbauamt, Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr, Umweltamt). Auch darüber hinaus sind immer wieder Dienststellen wie die Wirtschaftsförderung oder die Stadtentwicklung involviert.

 

Der Radverkehr muss als System betrachtet werden. Radverkehrsförderung ist deutlich mehr als „nur“ der Ausbau der Infrastruktur. Ebenso wichtig sind Themen wie Service, Sicherheit, Kommunikation und Information. Radverkehrsförderung ist ein „Vollzeitjob“.

 

Zusätzlich zum Radverkehr gilt es, zukünftig auch verstärkt das Augenmerk auf die Förde­rung des zu Fuß Gehens zu legen. Fuß- und Radverkehr können sich dann besonders gut ergänzen, wenn beide Verkehrsarten gleichrangig und parallel betrachtet und berücksichtigt werden.

 

Die Verwaltung schlägt daher vor, baldmöglichst eine „Koordinationsstelle für Nahmobilitäts­fragen“ einzurichten. Damit die Person effizient die Aufgaben ausfüllen kann, sollte sie so­wohl über ein eigenes Budget insbesondere für Öffentlichkeitsarbeit verfügen als auch ein Beteiligungsrecht in allen Rad- und Fußverkehrsfragen (z. B. Gegenzeichnung von Planungen) erhalten.

 

 

  1. Wegweisungssystem

 

Das vorhandene Wegweisungssystem für Radler ist routenbasiert und deckt nur Teilbereiche des Stadtgebiets ab. Sinnvoll wäre jedoch eine flächendeckende Wegweisung, die sowohl Alltags- als auch Freizeitziele berücksichtigt. Im Stadtgebiet gibt es Radwegeverbindungen sowohl entlang von Hauptverkehrsstraßen als auch abseits davon. Insofern können die Radfahrer sich nicht an dem Wegweisungssystem für den Kfz-Verkehr orientieren.

 

Die Verwaltung wird daher noch in 2014 eine Ausschreibung für die Erstellung eines Weg­weisungskonzepts durchführen und ein Büro beauftragen, dieses Konzept zu erarbeiten. Für die Umsetzung des Konzepts und die Bereitstellung ausreichender Mittel wird die Verwaltung dem Stadtrat einen entsprechenden Beschlussvorschlag unterbreiten.

 

 

  1. Fahrradverleihsystem

 

Damit möglichst viele Menschen für die Mobilität auf das Auto verzichtennnen, müssen für alle Wegezwecke Alternativen zur Verfügung stehen. Neben dem Ausbau des ÖPNV gilt es daher, ergänzende Systeme aufzubauen. Dazu gehören insbesondere das Car-Sharing und das Bike-Sharing (Auto-Teilen bzw. Fahrrad-Teilen).

 

Bike-Sharing ist nicht nur für Touristen interessant. Auch Pendler könnten für kurze Weg­strecken auf ein Leihrad zurückgreifen. So könnten sowohl an den größeren Parkierungs­anlagen als auch an den Bahnhöfen bzw. Bahnhaltepunkten entsprechende Leihstationen eingerichtet werden. Auch Studierende könnten von diesen Angeboten profitieren.

 

Die Verwaltung führt derzeit Gespräche mit einem Anbieter für E-Bike-Verleihsysteme. Auch Anbieter für konventionelle Rad-Verleihsysteme haben schon Interesse bekundet. Ziel ist, möglichst bald ein Verleihsystem in Regensburg zu etablieren.

 

 

  1. Dienstradpool

 

In der Stadtverwaltung nutzen verschiedene Dienststellen das Fahrrad für Dienstwege. Allerdings ist es den einzelnen Ämtern überlassen, welche Räder angeschafft und wie diese gewartet und repariert werden.

 

Schon allein wegen der Außenwirkung wäre es vorteilhaft, wenn die Diensträder ein ein­heitliches Erscheinungsbild analog zu den Dienstfahrzeugen tten und auch als solche erkennbar wären. Für die Beschäftigten hätte ein Pool den Vorteil, dass die Räder immer in einem verkehrssicheren und einwandfreien Zustand wären. Die Dienststellen müssten sich nicht um die Beschaffung, Wartung und Reparatur kümmern.

 

Die Verwaltung schlägt daher vor, einen Dienstradpool aufzubauen.

 

 

  1. Baustellenmanagement

 

Baustellen im öffentlichen Straßenraum führen immer wieder zu Einschränkungen für Rad­fahrer. Eine sichere Führung des Radverkehrs im Baustellenbereich oder eine Umleitungs­beschilderung suchen die Radler vielfach vergebens. In den meisten Fällen heißt es: Rad­weg Ende, Radfahrer absteigen“.

 

In den Aufnahmekriterien der AGFK wird daher die Berücksichtigung des Radverkehrs beim Baustellenmanagement gefordert.

 

Die Verwaltung schlägt vor, zukünftig bei allen relevanten Baustelleneinrichtungen, die den Rad- und Fußverkehr betreffen, konkrete Lösungen für die Führung des Fuß- und Rad­ver­kehrs zu erarbeiten. Dabei soll zunächst geprüft werden, wie der Radverkehr im Bau­stellen­bereich sicher geführt werden kann. Nur dann, wenn Komplettsperrungen unabdingbar sind, sind Umleitungen zu planen, zu beschildern und zu kommunizieren. Insgesamt ist die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Themenfeld zu verbessern. Um künftig verkehrsverträglichere  Lösungenr den Radverkehr in Baustellenbereichen erarbeiten zu können, ist eine Personalverstärkung im Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr unbedingt erforderlich.

 

 

  1. Winterdienst

 

Radverkehr findet zunehmend auch im Winter statt. Auch für Fahrräder gibt es Winterreifen, die entsprechende Bekleidung ermöglicht das Radeln auch bei Minusgraden. Die AGFK formuliert daher in den Aufnahmekriterien das Ziel, einen Winterdienstplan für die Radverkehrsinfrastruktur zu erstellen. Wichtig ist der AGFK, dass auch im Winter die wichtigsten Routen für den Radverkehr möglichst frühzeitig geräumt werden. Radwegrouten verlaufen dabei jedoch nicht immer nur entlang von Hauptverkehrsstraßen. Eine wichtige Route aus Richtung Königswiesen zum Hochschulcampus führt z.B. über die Karthauserstraße, eine Tempo-30-Zone.

 

Dem gegenüber stehen die Winterdienstpflichten einer Kommune auf öffentlichen Straßen und Gehwegen. Für die Räum-und Streupflicht auf Fahrbahnen des Radverkehrs gelten die gleichen Voraussetzungen wie r den Fahrzeugverkehr.

 

Die Verwaltung wird intern klären und abstimmen, inwieweit das bisherige Winterdienstprogramm im Hinblick auf den Radverkehr im Sinne des AGFK angepasst werden kann.

 

 

Ausblick

 

Die Auszeichnung Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ wird für 7 Jahre verliehen. Dann steht eine erneute Überprüfung an. Daher gilt es, die anschließende Zeit nach der Ver­leihung für die Umsetzung der Maßnahmen zu nutzen, damit die gesteckten Ziele auch erreicht werden können.

 

Die bisherigen Untersuchungen mit dem Verkehrsmodell der Stadt Regensburg im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans zeigen, dass eine Verkehrswende in Regensburg möglich ist. Durch die gezielte Förderung des Umweltverbunds kann das Anwachsen des motorisierten Individualverkehrs gestoppt werden, obwohl der Verkehr durch das zu erwartende Bevölkerungswachstum zunehmen wird.

 

Insbesondere die Förderung der Nahmobilität kann zu einer Stärkung der Quartiere, der Ortsteile führen. Die umfeldgerechte Umgestaltung und Attraktivierung der Straßenräume sowie die Erhöhung der Verkehrssicherheit würde es den Menschen ermöglichen, zukünftig vermehrt Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen kurzweilig, sicher und barrierefrei.

 


Der Ausschuss beschließt:

 

Die Förderung der Nahmobilität ist erklärtes Ziel der Stadt Regensburg. Alle zukünftigen Projekte und Maßnahmen der Verkehrsplanung, des Tiefbaus (Planung, Bau und Unterhalt), des Straßenverkehrsrechts sowie der Stadtentwicklung und des Städtebaus sind an diesem Ziel auszurichten. Dieses Ziel ist daher im Verkehrsentwicklungsplan zu verankern. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Verwaltung beauftragt, zeitnah eine Stelle für einen „Koordinator für Nahmobilität“ einzurichten.

 

Die Verwaltung wird weiterhin beauftragt, die notwendigen Maßnahmen gemäß der Sachverhaltsdarstellung einzuleiten bzw. durchzuführen, so dass die Stadt Regensburg bis Ende 2015 durch das Bayerische Staatsministerium des Inneren die Auszeichnung als „Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ erhalten kann.

 

 


 

Anlagen:

 

Anlage 1 – Satzung der AGFK

Anlage 2 – Aufnahmekriterien der AGFK

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Satzung_AGFK_Bayern (169 KB)    
Anlage 2 2 Aufnahmekriterien_AGFK_Bayern (101 KB)