Sachverhalt:
Einleitung
Die im Vorfeld der Erstellung des neuen Verkehrsmodells durchgeführte Haushaltsbefragung hat gezeigt, dass Regensburg bereits eine „Stadt der kurzen Wege“ ist. Die durchschnittliche Länge der von den Regensburger Bürgerinnen und Bürger durchgeführten Wege beträgt nur 6,5 km und ist damit um ca. 3 km kürzer als in vergleichbaren Städten Deutschlands (9,6 km). Gleichzeitig ist auch die Wegedauer mit durchschnittlich 18 Minuten etwa 5 Minuten kürzer als in anderen Städten gleicher Größenordnung (23 Minuten).
Die kürzeren Wege und geringeren Zeitdauern werden dabei in allen Wegezwecken (Arbeit, Ausbildung, Freizeit, Einkaufen etc.) und mit allen Verkehrsmitteln (Auto, ÖPNV, Fahrrad) erreicht. Dies legt den Schluss nahe, dass die Regensburger einen sehr großen Teil der Wege innerhalb des Stadtgebiets erledigen können. Selbst die Freizeit verbringen offenbar die Bürgerinnen und Bürger gerne innerhalb der Stadtgrenzen oder in der näheren Umgebung.
50 % aller Wege in Regensburg dienen dem Fahrtzweck Freizeit und Einkauf. Viele dieser Wege sind zeitlich variabel. Gegenüber den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhundert bestimmen heutzutage nicht mehr der Berufs- und Ausbildungsverkehr das Verkehrsgeschehen. Dieser Trend wird sich durch den demographischen Wanden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verstärken.
Dies sind ideale Voraussetzungen, um die Verkehrsmittel des Umweltverbunds zu fördern. Der Zeitverlust beim Umstieg vom Kraftfahrzeug auf den Umweltverbund ist auf kurzen Strecken sehr gering. Bei einer konsequenten Förderung des Umweltverbunds entstehen in vielen Fällen überhaupt keine Zeitverluste bei der Tür-zu-Tür-Betrachtung.
Nahmobilität fördern bedeutet einen Gewinn für die Stadtgesellschaft durch
ohne Nachteile in der Erreichbarkeit und der Mobilität. Vor allem Kinder und ältere Menschen würden von entsprechenden Maßnahmen profitieren. Die Palette der Maßnahmen reicht dabei von ausreichend breiten Geh- und Radwegen über barrierefreie Haltestellen, abgesenkte Bordsteine an Überwegen, Freihalten von Sichtfeldern an Einmündungen, Kreuzungen und Überwegen, mehr und bessere Fahrradabstellanlagen, einem eigenständigen Wegweisungskonzept bis hin zur Beschleunigung bzw. Bevorrechtigung von Bussen, Radlern und Fußgängern an Ampeln. Zu Fuß gehen, Radeln und Busfahren muss so attraktiv werden, dass es zur Selbstverständlichkeit wird. Durch die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel und Verkehrsdienstleister (Car-Sharing, Bike-Sharing, Nachtbusangebote, Taxen usw.) wird der Verzicht auf die Autonutzung mehr und mehr erleichtert.
Die persönliche Betroffenheit der Nahmobilitätsförderung zeigt sich in der steigenden Gesundheit. Anerkannte Mediziner haben wiederholt belegt, dass Menschen, die sich regelmäßig bewegen – etwa 30 Minuten pro Tag auf dem Rad oder zu Fuß – im Alter länger gesund bleiben. Eine bessere Gesundheit erlaubt bis ins hohe Alter Mobilität. Mobilität ist wiederum ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität, weil mobile Menschen leichter am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Die Stadt Regensburg ist Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e. V. (AGFK). Gemäß der derzeit geltenden Satzung (vgl. Anlage) sind die Gründungsmitglieder verpflichtet, spätestens 4 Jahre nach der Gründung die Erfüllung der Aufnahmekriterien gegenüber dem Vereinsvorstand nachzuweisen. Der Verein wurde im Februar 2012 gegründet, die 4-Jahresfrist läuft somit Anfang 2016 ab.
Bereits 2013 fand eine Vorbereisung Regensburgs durch eine unabhängige Kommission statt. Die Kommission bestand aus Vertretern der AGFK, des Ministeriums und des ADFC. Dabei wurde festgestellt, dass die Stadt Regensburg noch nicht alle Aufnahmekriterien erfüllt. Damit der Vereinsvorstand gegenüber dem Ministerium die Empfehlung zur Verleihung der Auszeichnung „fahrradfreundliche Kommune“ aussprechen kann, müssen bis zur Hauptbereisung der Kommission die Aufnahmekriterien erfüllt sein oder es muss klar erkennbar werden, wie die Stadt Regensburg in Zukunft die Kriterien erfüllen will.
Nachfolgend werden die noch zu erfüllenden Kriterien beschrieben und Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise aufgezeigt:
Die Stadt Regensburg hat bislang keine durch den Stadtrat beschlossene Zielsetzung zur Erhöhung des Radverkehrsanteils im Modal-Split (=Verkehrsmittelwahl). Aktuell werden 19 % aller Wege im Stadtgebiet mit dem Fahrrad zurückgelegt, 51 % mit dem Kfz, 13 % mit dem ÖPNV und 17 % zu Fuß.
Die Verwaltung schlägt vor, dass im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans in der ersten Jahreshälfte 2015 eine klare Zielvorgabe für den zukünftigen Modal-Split durch den Stadtrat beschlossen werden soll.
Um das Thema Radverkehr in einer Großstadt wie Regensburg konsequent fördern zu können, sind organisatorische, personelle und finanzielle Vorkehrungen zu treffen. Derzeit wird das Thema Radverkehr an verschiedenen Stellen in der Verwaltung bearbeitet (Stadtplanungsamt, Tiefbauamt, Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr, Umweltamt). Auch darüber hinaus sind immer wieder Dienststellen wie die Wirtschaftsförderung oder die Stadtentwicklung involviert.
Der Radverkehr muss als System betrachtet werden. Radverkehrsförderung ist deutlich mehr als „nur“ der Ausbau der Infrastruktur. Ebenso wichtig sind Themen wie Service, Sicherheit, Kommunikation und Information. Radverkehrsförderung ist ein „Vollzeitjob“.
Zusätzlich zum Radverkehr gilt es, zukünftig auch verstärkt das Augenmerk auf die Förderung des zu Fuß Gehens zu legen. Fuß- und Radverkehr können sich dann besonders gut ergänzen, wenn beide Verkehrsarten gleichrangig und parallel betrachtet und berücksichtigt werden.
Die Verwaltung schlägt daher vor, baldmöglichst eine „Koordinationsstelle für Nahmobilitätsfragen“ einzurichten. Damit die Person effizient die Aufgaben ausfüllen kann, sollte sie sowohl über ein eigenes Budget – insbesondere für Öffentlichkeitsarbeit – verfügen als auch ein Beteiligungsrecht in allen Rad- und Fußverkehrsfragen (z. B. Gegenzeichnung von Planungen) erhalten.
Das vorhandene Wegweisungssystem für Radler ist routenbasiert und deckt nur Teilbereiche des Stadtgebiets ab. Sinnvoll wäre jedoch eine flächendeckende Wegweisung, die sowohl Alltags- als auch Freizeitziele berücksichtigt. Im Stadtgebiet gibt es Radwegeverbindungen sowohl entlang von Hauptverkehrsstraßen als auch abseits davon. Insofern können die Radfahrer sich nicht an dem Wegweisungssystem für den Kfz-Verkehr orientieren.
Die Verwaltung wird daher noch in 2014 eine Ausschreibung für die Erstellung eines Wegweisungskonzepts durchführen und ein Büro beauftragen, dieses Konzept zu erarbeiten. Für die Umsetzung des Konzepts und die Bereitstellung ausreichender Mittel wird die Verwaltung dem Stadtrat einen entsprechenden Beschlussvorschlag unterbreiten.
Damit möglichst viele Menschen für die Mobilität auf das Auto verzichten können, müssen für alle Wegezwecke Alternativen zur Verfügung stehen. Neben dem Ausbau des ÖPNV gilt es daher, ergänzende Systeme aufzubauen. Dazu gehören insbesondere das Car-Sharing und das Bike-Sharing (Auto-Teilen bzw. Fahrrad-Teilen).
Bike-Sharing ist nicht nur für Touristen interessant. Auch Pendler könnten für kurze Wegstrecken auf ein Leihrad zurückgreifen. So könnten sowohl an den größeren Parkierungsanlagen als auch an den Bahnhöfen bzw. Bahnhaltepunkten entsprechende Leihstationen eingerichtet werden. Auch Studierende könnten von diesen Angeboten profitieren.
Die Verwaltung führt derzeit Gespräche mit einem Anbieter für E-Bike-Verleihsysteme. Auch Anbieter für konventionelle Rad-Verleihsysteme haben schon Interesse bekundet. Ziel ist, möglichst bald ein Verleihsystem in Regensburg zu etablieren.
In der Stadtverwaltung nutzen verschiedene Dienststellen das Fahrrad für Dienstwege. Allerdings ist es den einzelnen Ämtern überlassen, welche Räder angeschafft und wie diese gewartet und repariert werden.
Schon allein wegen der Außenwirkung wäre es vorteilhaft, wenn die Diensträder ein einheitliches Erscheinungsbild – analog zu den Dienstfahrzeugen – hätten und auch als solche erkennbar wären. Für die Beschäftigten hätte ein Pool den Vorteil, dass die Räder immer in einem verkehrssicheren und einwandfreien Zustand wären. Die Dienststellen müssten sich nicht um die Beschaffung, Wartung und Reparatur kümmern.
Die Verwaltung schlägt daher vor, einen Dienstradpool aufzubauen.
Baustellen im öffentlichen Straßenraum führen immer wieder zu Einschränkungen für Radfahrer. Eine sichere Führung des Radverkehrs im Baustellenbereich oder eine Umleitungsbeschilderung suchen die Radler vielfach vergebens. In den meisten Fällen heißt es: „Radweg Ende, Radfahrer absteigen“.
In den Aufnahmekriterien der AGFK wird daher die Berücksichtigung des Radverkehrs beim Baustellenmanagement gefordert.
Die Verwaltung schlägt vor, zukünftig bei allen relevanten Baustelleneinrichtungen, die den Rad- und Fußverkehr betreffen, konkrete Lösungen für die Führung des Fuß- und Radverkehrs zu erarbeiten. Dabei soll zunächst geprüft werden, wie der Radverkehr im Baustellenbereich sicher geführt werden kann. Nur dann, wenn Komplettsperrungen unabdingbar sind, sind Umleitungen zu planen, zu beschildern und zu kommunizieren. Insgesamt ist die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Themenfeld zu verbessern. Um künftig verkehrsverträglichere Lösungen für den Radverkehr in Baustellenbereichen erarbeiten zu können, ist eine Personalverstärkung im Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr unbedingt erforderlich.
Radverkehr findet zunehmend auch im Winter statt. Auch für Fahrräder gibt es Winterreifen, die entsprechende Bekleidung ermöglicht das Radeln auch bei Minusgraden. Die AGFK formuliert daher in den Aufnahmekriterien das Ziel, einen Winterdienstplan für die Radverkehrsinfrastruktur zu erstellen. Wichtig ist der AGFK, dass auch im Winter die wichtigsten Routen für den Radverkehr möglichst frühzeitig geräumt werden. Radwegrouten verlaufen dabei jedoch nicht immer nur entlang von Hauptverkehrsstraßen. Eine wichtige Route aus Richtung Königswiesen zum Hochschulcampus führt z.B. über die Karthauserstraße, eine Tempo-30-Zone.
Dem gegenüber stehen die Winterdienstpflichten einer Kommune auf öffentlichen Straßen und Gehwegen. Für die Räum-und Streupflicht auf Fahrbahnen des Radverkehrs gelten die gleichen Voraussetzungen wie für den Fahrzeugverkehr.
Die Verwaltung wird intern klären und abstimmen, inwieweit das bisherige Winterdienstprogramm im Hinblick auf den Radverkehr im Sinne des AGFK angepasst werden kann.
Ausblick
Die Auszeichnung „Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ wird für 7 Jahre verliehen. Dann steht eine erneute Überprüfung an. Daher gilt es, die anschließende Zeit nach der Verleihung für die Umsetzung der Maßnahmen zu nutzen, damit die gesteckten Ziele auch erreicht werden können.
Die bisherigen Untersuchungen mit dem Verkehrsmodell der Stadt Regensburg im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans zeigen, dass eine Verkehrswende in Regensburg möglich ist. Durch die gezielte Förderung des Umweltverbunds kann das Anwachsen des motorisierten Individualverkehrs gestoppt werden, obwohl der Verkehr durch das zu erwartende Bevölkerungswachstum zunehmen wird.
Insbesondere die Förderung der Nahmobilität kann zu einer Stärkung der Quartiere, der Ortsteile führen. Die umfeldgerechte Umgestaltung und Attraktivierung der Straßenräume sowie die Erhöhung der Verkehrssicherheit würde es den Menschen ermöglichen, zukünftig vermehrt Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen – kurzweilig, sicher und barrierefrei.
Der Ausschuss beschließt:
Die Förderung der Nahmobilität ist erklärtes Ziel der Stadt Regensburg. Alle zukünftigen Projekte und Maßnahmen der Verkehrsplanung, des Tiefbaus (Planung, Bau und Unterhalt), des Straßenverkehrsrechts sowie der Stadtentwicklung und des Städtebaus sind an diesem Ziel auszurichten. Dieses Ziel ist daher im Verkehrsentwicklungsplan zu verankern. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Verwaltung beauftragt, zeitnah eine Stelle für einen „Koordinator für Nahmobilität“ einzurichten.
Die Verwaltung wird weiterhin beauftragt, die notwendigen Maßnahmen gemäß der Sachverhaltsdarstellung einzuleiten bzw. durchzuführen, so dass die Stadt Regensburg bis Ende 2015 durch das Bayerische Staatsministerium des Inneren die Auszeichnung als „Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ erhalten kann.
Anlagen:
Anlage 1 – Satzung der AGFK Anlage 2 – Aufnahmekriterien der AGFK
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