Vorlage - VO/16/11915/61  

 
 
Betreff: Freigabe des Radverkehrs in der Altstadt ? Abschlussbericht der einjährigen Testphase
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Stadtplanungsamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Entscheidung
26.04.2016 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

Einleitung:

 

Am 01.04.2015 begann auf Beschluss des Stadtrats eine einjährige Probephase, in der das Radeln in der Altstadt weitgehend zugelassen wurde. Seitdem sind alle Fuß­ngerzonen in der Altstadt sowie der Alleenring für den Radverkehr ohne zeitliche Beschränkung frei­ge­geben. Zudem wurde eine Vielzahl an Einbahnregelungen für Radler aufgehoben.

 

Im Probezeitraum wurde außerdem nach dem Umbau der Wollwirkergasse und der Be­schilderung als verkehrsberuhigter Bereich auch hier das Radeln entgegen der Einbahn­regelung zugelassen.

 

Die Maßnahmen im Einzelnen sind der Anlage A zu entnehmen.

 

 

Öffentlichkeitsarbeit:

 

Begleitet wurde die Maßnahme mit einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit. Unter dem Motto Respekt bewegt gemeinsam achtsam durch die Altstadt“ wurden die Verkehrs­teilnehmer, Besucher und Bewohner der Altstadt umfassend über die neuen Regelungen informiert und für ein rücksichtsvolles Miteinander von allen Seiten geworben.

 

Neben den üblichen Materialien zur Öffentlichkeitsarbeit Flyer, Plakate, Pressetexte wurde großer Wert auf die direkte Ansprache gelegt. Nach der Auftaktveranstaltung am Ostersamstag 2015 fanden weitere Aktionstage statt. Rege nachgefragt wurden insbesondere Übersichtskarten im Taschen­format, denen die neuen Regelungen zu entnehmen sind.

 

Einen weiteren Informationsstand hatte die Verwaltung beim Tag der offenen Tür im Neuen Rathaus im November 2015 aufgebaut. Die Studierenden wurden zum jeweiligen Semester­beginn durch Infostände an den Hochschulen informiert. Zugriff auf alle Informationen be­steht zu­dem über eine eigens eingerichtete Homepage www.respekt-bewegt.de.

 

Um den Bekanntheitsgrad der Maßnahmen und der Kampagne zu steigern, wurden so genannte Give-aways eingesetzt. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich dabei die Sattel­schoner. Eine Übersicht über die Maßnahmen und die verteilten Materialien findet sich in Anlage B.

 

Insgesamt ist festzustellen, dass die Kampagne einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Gerade die gelben Sattelschoner sind überall im Stadtbild zu sehen. An den Aktionsständen erhielt die Verwaltung viel positive Resonanz für die Maßnahmen an sich, aber auch gerade für die Kampagne.

 

Die Kampagne soll in den kommenden Jahren fortgeführt werden. So soll z. B. bei der Veranstaltung „Regensburg mobil“ am 04.06.2016, die gleichzeitig Auf­takt zum Stadtradeln sein wird, wieder über das Altstadtradeln und die Kampagne informiert werden. Auch erneute Info-Stände zum Semesterbeginn bieten sich an. Infomaterial kann an ver­schiedenen Stellen mit viel Publikumsverkehr ausgelegt werden. Ergänzend helfen ein­zelne Schwerpunktaktionen die Menschen weiter für das Thema zu sensibilisieren.

 

 

Konflikte / Unfallgeschehen:

 

Der Verkehrsüberwachungsdienst (VÜD) und die Polizei haben das Verkehrsgeschehen seit dem 01.04.15 regelmäßig intensiv beobachtet und das Verkehrsverhalten kontrolliert. Durch den VÜD wurde in 1.200 Überwachungsstunden das Verkehrsverhalten von über 17.300 Radlern kontrolliert. Lediglich 300 Personen (1,7 %) fuhren dabei zu schnell. Zusätzlich wur­den bei 30 Radlern aus dieser Gruppe Behinderungen von Fußngern festgestellt (0,17 %). Ins­gesamt wurden 150 gebührenpflichtige oder gebührenfreie Verwarnungen ausge­sprochen (0,9 %). Da die Geschwindigkeitsüberschreitungen in der Regel gering waren, wurden mehr­heitlich gebührenfreie Verwarnungen ausgesprochen. Regelrechte Raser“ wurden kaum beo­bachtet.

 

Ähnlich intensiv hat die Polizei das Verkehrsgeschehen überwacht (vgl. auch Anlage D). In rund 1.000 Einsatzstunden wurden nur 113 Ordnungswidrigkeiten festgestellt. Auch hier wurden in der Regel lediglich gebührenfreie Verwarnungen ausgesprochen. Selbst bei einer mehrstündigen Überwachung in Zivil konnten keine Gefährdungen von Fußngern beo­bachtet werden. Die Polizei sieht im Lieferverkehr ein deutlich größeres Gefahrenpotenzial für die Fußnger, als im neu zugelassenen Radverkehr.

 

Bei der Polizei isthrend der Testphase kein Unfall zwischen Fußngern und Radlern ge­meldet worden. Aus verschiedenen E-Mails und Schreiben an die Ver­waltung und Berichten gegenüber der Polizei und dem VÜD kann geschlossen werden, dass in der Altstadt ver­ein­zelt Unfälle passiert sind, die aber nicht zur Anzeige kamen („Dunkelziffer“). Die Unfall­schwere kann hierbei jedoch nur gering gewesen sein, da andernfalls die Polizei, z. B. über die Krankenhäuser, davon Kenntnis erhalten hätte.

 

Diese nicht-gemeldeten Unfälle beschränken sich nicht auf die Fußngerzonen, sondern treten ebenso in den Wohnverkehrsstraßen, den Ortsstraße oder z. B. auf der Steinernen Brücke auf. Es ist davon auszugehen, dass sich derartige nicht-gemeldete Unfälle auch be­reits vor Einführung der Neuregelung ereignet haben. Da das Thema jedoch nicht im Fokus stand, hatte die Verwaltung davon keine Kenntnis erhalten.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Verstöße gegen die Verkehrsregelungen sehr gering sind. Auch die regelmäßigen Beobachtungen durch die Mitarbeiter der Verwaltung ergaben, dass sich die weit überwiegende Zahl der Radler in den Altstadtgassen diszipliniert verhält.

 

 

Verkehrserhebungen:

 

Sowohl vor als auch während der Testphase wurden an verschiedenen Punkten in der Alt­stadt Erhebungen durchgeführt, um die Zahl der Radler zu erfassen. Erfasst wurden die Daten in den Jahren 2013 und 2015 an Donnerstagen und Samstagen im September / Oktober in der Zeit von 8 bis 20 Uhr. Dabei ist Folgendes festzustellen:

 

  1. Trotz schlechterer Witterung und kühlerer Temperaturen war die Anzahl der Radler 2015 an nahezu allen Punkten und Tagen höher als 2013. Die Steigerungsraten liegen bei bis zu 129 % (Schwarze-Bären-Straße). Im Mittel ist die Zahl der Radler über alle 5 Erhebungs­stellen um 32 bzw. 39 % gestiegen.
  2. Die höchsten Werte werden in der Gesandtenstraße mit bis zu 2.280 Radlern in 12 Stunden erreicht. Das Stundenmaximum liegt bei 253 Radlern. Die Zunahme in den Spitzenstunden von 2013 zu 2015 ist gegenüber den Tageswerten deutlich geringer, d. h. die Radverkehre verteilen sich stärker über den gesamten Tag. Rückgänge bzw. gleichbleibende Werte in der Gesandtenstraße lassen sich durch die Öffnung der Einbahnregelungen in der Rote-Hahnen-Gasse und der Ludwigstraße erklären.
  3. Samstags liegt die Zahl der Radler in der Regel etwas unterhalb der Donnerstags-Werte.
  4. Die Radler-Zuwächse in den Fußngerzonen sind, abgesehen von der Schwarze-Bären-Straße, eher moderat und das auf ohnehin niedrigerem Niveau gegenüber den Wohnverkehrsstraßen. Das betrifft insbes. die Königsstraße und die Weiße-Lilien-Straße. In der Weiße-Lilien-Straße sind in 12 Stunden nur 300 Radler, in der Königsstraße 850 Radler erfasst worden.
  5. Der Radverkehr in der Altstadt hat kaum ausgeprägte Spitzen. Schon in den Morgen­stunden und auch nach 19 Uhr ist eine deutliche Nachfrage vorhanden.
  6. Die Fußngerfrequenzen liegen in den Wohnverkehrsstraßen etwa um den Faktor 5 bis 10, in den Fußngerzonen um den Faktor 7 bis 60 über den Werten der Radler.

 

In der Anlage C sind die Werte für 5 Erfassungsstandorte zusammengefasst.

 

 

Alleengürtel:

Auf die Freigabe der Fürst-Anselm- und Prebrunn-Allee hat die Verwaltung nahezu keine negativen Reaktionen erhalten. Ähnlich wie schon zuvor in der Ostenallee war die Freigabe des Radverkehrs hier weitestgehend konfliktfrei. Sowohl die Zahl der Fußnger als auch die der Radler bewegt sich in einem Rahmen, der ein rücksichtsvolles Miteinander problemlos ermöglicht. Die Radler passen in aller Regel die Geschwindigkeiten der jeweiligen Situation an. Fußnger empfinden die Radler nur in seltenen Fällen als störend.

 

 

Einbahnregelungen:

Die Straßenverkehrsordnung regelt in § 45 die Möglichkeiten der Straßenverkehrsbehörde, Verbote oder Beschränkungen des fließenden Verkehrs anzuordnen. Dort heißt es in § 45, Absatz 9: „rfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vor­stehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.“

 

2010 hat das BVerwG hinsichtlich der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht, die eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im o. g. Sinn ist, festgestellt, dass eine auf beson­dere örtliche Verhältnisse zurückgehende qualifizierte Gefahrenlage“ vorliegen müsse.

hlungen aus früheren Jahren zeigen, dass in den Altstadtgassen an vielen Stellen schon seit längerer Zeit im Radverkehr gegen die Einbahnregelungen verstoßen wird. Trotzdem sind keine Unfälle registriert worden. Insofern ist es zulässig die jetzigen Regelungen dauerhaft beizubehalten, insbesondere, weil es sich bei den Wohnverkehrsstraßen straßenverkehrs­rechtlich um gemeinsame Geh- und Radwege handelt.

 

Fußngerzonen:

In verschiedenen Schreiben, Mails, Leserbriefen und Gesprächen wird deutlich, dass das subjektive Empfinden der Fußnger zumindest in Einzelfällen von den objektiven Zah­len abweicht. Gerade ältere Menschen und Familien mit Kindern berichten, dass sie sich in den Fußngerzonen nicht (mehr) wohl fühlen würden. Ein ungestörter Schaufenster­bummel wäre nicht möglich, Kinder müssten an der Hand gehen, ältere Personen hören die Radler zu spät und erschrecken sich.

 

Bereits in der Vorlage vom 19.11.2014 wurde ausgeführt:

In den einschlägigen Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Ver­kehrs­wesen werden zum Radverkehr in Bereichen des Fußngerverkehrs Empfeh­lungen for­muliert. In der ERA 10 (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2010) heißt es dazu:

 

Die Praxis zeigt, dass Radverkehr in Fußngerbereichen in sehr unterschiedlichen Situationen verträglich ist.“

 

Weiter heißt es in der ERA:

 

Grundsätzlich sollte die Zulassung des Radverkehrs in Fußngerbereichen die Aus­nahme darstellen und nur dann in Betracht kommen, wenn dort wichtige Ziele des Rad­verkehrs liegen oder eine Umfahrung der Bereiche ein Sicherheits­risiko darstellt oder stark umwegig ist. Radwege oder Markierungen in Fußngerbereichen sind aus­zu­schließen. Eine bauliche Anlage einer Fahrgasse für den Radverkehr ist dann problema­tisch, wenn sie einen Vorrang gegenüber dem Fußngerverkehr suggeriert.“

 

Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften lassen zur Erprobung geplanter verkehrsre­gelnder Maßnahmen Anordnungen zur Erleichterung des Radverkehrs zu, wenn die Eignung, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit und damit die Voraussetzungen für eine endgültige Regelung noch nicht abschließend feststehen. Die versuchsweisen Maßnahmen müssen notwendig und geeignet sein, das Ermittlungsziel zu erreichen, nämlich Gewissheit über die Voraussetzungen einer abschließenden Dauerlösung zu schaffen. Der Maßnahmenzeitraum darf in der Regel ein Jahr nicht überschreiten.

 

Es kann festgestellt werden, dass sowohl die in der ERA angeführten Kriterien zur Zulassung des Radverkehrs in Fußngerbereichen erfüllt sind, als auch die Voraussetzungen für die probeweise Durchführung verkehrsregelnder Anordnungen eingehalten wurden. Die Um­fahrungsrouten sind stark umwegig, in der Altstadt sowie in den Fußngerzonen im Speziellen befinden sich für den Radverkehr wichtige Ziele und Alternativrouten stellen teilweise ein Sicherheitsrisiko dar.

 

Vielen Passanten ist die Unterscheidung zwischen Fußngerzonen und Wohnverkehrs­straßen nicht bewusst. Aufgrund des niveaugleichen Ausbaus von Hauswand zu Hauswand stufen Besucher der Altstadt regelmäßig auch die Wohnverkehrsstraßen, etwa die Ludwig- oder Gesandtenstraße, als Fußngerzone ein. Gerade die genannten Straßen haben in­zwischen eine höhere Passantenfrequenz als etwa die Schwarze-Bären-Straße und liegen gleichauf mit der Weiße-Lilien-Straße. Hier bei der Zulassung des Radverkehrs zu unter­scheiden ist daher kaum begründbar.

 

 

Beteiligung Dritter / Meinungen von Bürgern:

Die Verwaltung hat auf Anregung der AG Radverkehr von den Maßnahmen tangierte Institutionen gebeten, die Versuchsphase in einer Stellungnahme zu bewerten. Im Einzelnen wurden folgende Stellen befragt:

Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC)

Behindertenbeirat

Faszination Altstadt

Industrie- und Handelskammer

Polizei

Regensburger Verkehrsbetriebe

Seniorenbeirat

Stadtjugendring

Stadtmarketing Regensburg

Verkehrsclub Deutschland (VCD)

 

Die einzelnen eingegangenen Stellungnahmen sind in der Anlage D beigefügt. Zusammen­fassend lässt sich festhalten, dass die Situation unterschiedlich bewertet wird. Der Senioren­beirat äert sich mehrheitlich kritisch. Die Bewertung lässt jedoch den Schluss zu, dass der Beirat die Belange Rad fahrender Senioren nicht hinreichend gewürdigt hat. Die Verkehrs­betriebe sehen punktuelle Sicherheitsdefizite am Haidplatz und am „Zacharias-Eck“. Das Stadtmarketing Regensburg begrüßt die Öffnung, da das Fahrrad einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität und zum Umweltschutz leistet. Der Zusammenschluss „Faszination Alt­stadt“ lehnt die Öffnung der Fußngerzonen und Einbahnstraßen mit knapper Mehrheit ab, wobei sich nur sehr wenige Einzelhändler an der Befragung überhaupt beteiligt haben. Fahrverkehr, ob in Form von Kfz oder Rädern, liefe dem Ziel der Steigerung der Aufenthalts­qualität entgegen.

 

ADFC und VCD bewerten die Maßnahmen positiv und plädieren für eine Beibehaltung. Sie verweisen auf Beobachtungen und darauf, dass es vereinzelte „Raser oder Rowdies“ schon vor der Testphase gegeben habe und diese auch bei einer Rücknahme der Freigaben weiterhin in der Altstadt anzutreffen wären. Der Einzelhandel würde vom Radverkehr nicht unerheblich profitieren.

Die Polizei verweist auf die Unfallstatistik und die Kontrollen, die z. T. gemeinsam mit dem VÜD durchgeführt wurden.

 

Im Vorfeld der Testphase und während des ersten Informationsstands am Ostersamstag 2015 hatten sich einige Bürger insbesondere zur Freigabe der Fußngerzonen besorgt oder kritisch geäert. In Summe wurden in Telefonaten, Mails oder Gesprächen rund fünf Duzend negative Bewertungen artikuliert. Im Verlauf der Probephase konnte festgestellt werden, dass die kritischen Meinungen zurückgingen und das Lob im gleichen Maße zunahm. In der Probephase gingen bei der Verwaltung nur 10 ablehnende Schreiben/Mails ein.

 

 

Städtevergleich:

Die FH Erfurt erhielt Ende 2015 einen Forschungsauftrag zu dem Thema „Radverkehr in Fußngerzonen“, gefördert vom Bundesverkehrsministerium. Die Verkehrsplanung hat an dem ersten Projektworkshop im Februar 2016 teilgenommen und folgende Erkenntnisse ge­wonnen:

  • Die Stadt Kassel hat unter 84 Städten mit mehr als 90.000 Einwohnern eine Umfrage zur Freigabe von Fußngerzonen für Radler durchgeführt. 51 Kommunen hatten sich an der Umfrage beteiligt. In 90 % der Kommunen ist Radverkehr in Fußnger­zonen zeitweise oder ganztags erlaubt. 14 Städte gaben an, das Radeln in Fuß­ngerzonen uneingeschränkt freigegeben zu haben. Es werden im Verhältnis zum Verkehrsaufkommen praktisch keine Unfälle zwischen Radlern und Fußngern registriert.
     
  • In das Forschungsprojekt sind 11 Modellkommunen eingebunden. In folgenden Kommunen des Projekts sind bereits die Fußngerzonen oder zumindest große Teilbereiche ganztags freigegeben:
    Erfurt, Leipzig, Dresden, Mühlhausen, Weimar, Gera und Jena.
    In keiner der genannten Kommunen wird die Öffnung in Frage ge­stellt, die Lage ist in der Regel entspannt, die Akzeptanz ist hoch.
     
  • Offenbach/M. wird im Rahmen des Projekts die Fußngerzone ab dem 01.06.16 öffnen.

 

Zu den weiteren Städten, die das Radeln in Fußngerzonen rund um die Uhr zulassen, gehören u. a.:

Aschaffenburg (Deutscher Fahrradpreis 2015, 3. Platz)

Bonn

Chemnitz

Duisburg

Erlangen

Frankfurt/M.

Freiburg

Mainz

nster

Oberhausen

Ratingen

Schwäbisch Hall

Trier

rzburg (seit über 10 Jahren freigegeben)

 

Schon diese ungezielte Recherche hat somit ergeben, dass in Deutschland in mindestens 22 Kommunen das Radeln in Fußngerzonen „rund um die Uhr“ erlaubt ist. Es ist davon aus­zugehen, dass die tatsächliche Zahl noch deutlich höher liegt. Es zeichnet sich außerdem ein Trend ab, dass in diversen Kommunen in nächster Zeit ebenfalls das Radeln in den Fuß­ngerzonen zugelassen bzw. ausgeweitet wird.

 

Die Mehrzahl der Kommunen hat sich für eine zeitlich begrenzte Freigabe in den Nacht­stunden entschieden, etwa zwischen 20 und 9 Uhr. Vielfach geht dies auf die Interventionen der Einzelhändler zurück. Erhebungen in den Kommunen zeigen, dass die Sperrzeiten nur begrenzt auf Akzeptanz stoßen. Dies deckt sich mit den Erfahrungen in Regensburg vor der Freigabe. Das Beispiel Gera zeigt, dass selbst die Polizei eine ganz­gige Freigabe der Fußngerzone befürworten würde.

 

 

Radverkehr und Einkaufen:

In den letzten rund 15 Jahren wurden in Deutschland, aber auch z. B. in Österreich, Frank­reich oder in den Niederlanden, einige Forschungsarbeiten zum Einkaufsverhalten der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmergruppen erstellt. Diese Studien gelangten zu folgenden Ergebnissen:

  • Der Anteil der Einkaufskunden aus dem direkten und näheren Umfeld wird insbe­sondere seitens der Händler unterschätzt. Vor diesem Hintergrund gehen viele Händler fälschlicherweise von einem zu hohen Kundenanteil aus, der mit dem Auto anreist. Auch die Haushaltsbefragung der Stadt Regensburg aus 2011 bestätigt diese Er­kenntnis indirekt. Der Anteil der in der Innenstadt lebenden Menschen, die das Auto nutzen, ist im Vergleich zur Gesamtstadt deutlich geringer. Nutzen die Regens­burgerinnen und Regensburger gesamtstädtisch für 51 % der Wege das Auto, so liegt der Anteil bei den Innenstadt-Bewohnern bei nur 33 %. Auch bei den Wegen mit dem Ziel Innenstadt dominiert mit 64 % der Umweltverbund. Nur 36 % nutzen auf dem Weg in die City den Pkw.
     
  • Kunden, die für Einkaufszwecke das Rad nutzen, sind „treu“. Die Kundenbindung ist deutlich ausgeprägter. Zwar geben Rad-Kunden pro Einkauf weniger aus als Auto-Kunden, dafür kommen sie häufiger. Radfahrer stärken insbesondere wegen der geringeren Reichweite den lokalen Einzelhandel. Während Autofahrer auch in Neu­traubling, Straubing, Nürnberg oder München einkaufen können, lassen Radler das Geld in Regensburg.
     
  • Radler sind auch keine weniger wohlhabenden Kunden. Studien zeigen, dass in Städten regelmäßig zwei Drittel der Radler über ein Auto verfügen, dieses aber bewusst stehen lassen. Eine französische Studie kam daher auch zu dem Ergebnis, dass Radler bezogen auf ein Jahr mehr beim Einkaufen ausgeben als Auto-Kunden.
     
  • Die Hälfte aller Einufe wiegt weniger als 5 kg, 70 % der Einkäufe lässt sich problemlos mit dem Fahrrad transportieren auch ohne Anhänger oder Lastenrad.

 

Dies alles spricht dafür, den Radverkehr in der Altstadt nicht wieder einzuschränken. Im Gegenteil: wenn sich die Radler willkommen fühlen, bleiben sie auf Dauer der Altstadt als Kunden treu. Eine Befragung in Kiel hat gezeigt, dass Kunden sensibel auf positive oder negative Signale im Radverkehr reagieren. Gut ein Drittel der Befragten gab an, dass Fahrradfreundlichkeitr sie ein Grund wäre, bewusst in einem Geschäft häufiger einzu­kaufen.

 

 

Empfehlung:

Trotz gewisser Nachteile für einzelne Betroffene ist zu konstatieren, dass die Maßnahmen zu einer deutlichen Förderung des Radverkehrs beitragen. Ein hoher Anteil des Radverkehrs am Modal-Split ist die beste Möglichkeit, die Ziele

  • im Klimaschutz,
  • in der Verkehrslärmbekämpfung,
  • in der Verringerung der Luftschadstoffe,
  • bei der Gesundheitsförderung sowie
  • bei der Erreichbarkeit der Altstadt

zu erreichen.

 

Das Verhalten der meisten Radler ist rücksichtsvoll. Fußnger sind in der Altstadt schon seit Jahrzehnten die Präsenz von Radlern gewöhnt. Eine Differenzierung zwischen Wohn­verkehrsstraßen und Fußngerzonen wird von vielen Altstadtbesuchern gar nicht vorge­nommen. Die positiven Effekte des Radverkehrs werden auch von vielen Nicht- oder Selten-Radlern anerkannt. Als störend wird dagegen zunehmend der Kfz-Verkehr empfunden.

 

Spontane Negativ-Äerungen von Bürgern zur Radl-Freigabe gehen häufig auf eine all­gemeine Unzufriedenheit mit der Situation in der Altstadt zurück, wie Nachfragen oft zeigen. Die Altstadtbesucher und -bewohner beklagen zu viel Autoverkehr, nächtlichen Lärm und Unrat, zu viele und zu große Freisitze, die vielen und großen Touristengruppen, leer­stehen­de Geschäfte oder die Parkplatzsituation. Der Radverkehr ist da für viele nur ein aktueller Auf­nger, den Unmut zu äern. Kaum jemand hat persönliche negative Erfahrungen ge­macht, vieles ist Hören-Sagen oder es wird Bezug auf Zeitungsberichte und Leserbriefe genommen.

 

Es gibt in der Altstadt keine Routen, die keine Konflikte zwischen Fußngern und Radlern erwarten lassen und gleichzeitig für den Radverkehr attraktiv wären. Vor allem in der West-Ost- und Ost-West-Beziehung ist die Route Gesandtenstraße Schwarze-Bären-Straße ideal. Um aus Richtung Ostengasse, Wöhrdstraße und Steinerne Brücke in Richtung Prüfeninger Str. zu gelangen, bietet sich v. a. die Platzfolge / Ludwigstraße an. Der schnellste Weg zwischen Hauptbahnhof und Steinerner Brücke verläuft über die Fröhliche Türken-Str. und den Neupfarrplatz. Aus Sicherheitsgründen meiden viele Radler die D.-Martin-Luther-Straße. Der geringe Fahrkomfort in der Speichergasse, am Alten Kornmarkt, am Domplatz und Krauterermarkt sowie in der Obernsterstraße ist ebenfalls ein Hemmnis für den Radverkehr.

 

Die zum 01.04.2015 eingeführten Regelungen sind klar und eindeutig. Zu unterscheiden ist im Wesentlichen nur noch zwischen Fußngerzonen (Schrittgeschwindigkeit) und Wohn­verkehrsstraßen (angemessene Geschwindigkeit). Wenn nun einzelne Bereiche aus der all­gemein gültigen Regelung herausgenommen würden etwa Sperrung von Einbahnstraßen, zeitliche Begrenzungen o. ä. rden Verständlichkeit und Akzeptanz leiden. Das Sperren des Radverkehrs an einer Stelle würde automatisch mehr Radverkehr an anderer Stelle bedeuten.

 

Es wird daher empfohlen, die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen zur Freigabe der Fußngerzonen, zur Öffnung der Einbahnstraßen und zur Benutzung des Alleengürtels unbefristet zu verlängern. Um die Akzeptanz der verschiedenen Verkehrsteilnehmer weiter zu erhöhen, muss auch in den nächsten Jahren kontinuierlich für die gegenseitige Rücksicht­nahme geworben werden.

 


 

Der Ausschuss beschließt:

 

  1. Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

  1. Die Freigabe des Radelns im Alleengürtel wird dauerhaft eingeführt.

 

  1. Die Freigabe des Radelns entgegen der Einbahnstraßen entsprechend der Situation zum Zeitpunkt des Beschlusses wird dauerhaft eingeführt. Die Verwaltung wird be­auftragt zu prüfen, ob und unter welchen Umständen weitere Freigaben möglich sind.

 

  1. Die Freigabe des Radelns in den Fußgängerzonen wird dauerhaft eingeführt.
     
  2. Verstärkte Überwachungen der Situation werden fortgeführt.

 

  1. Die Kampagne „Respekt bewegt“ wird fortgeführt. Entsprechende Mittel sind hierfür einzuplanen.

 


Anlagen:

 

Anlage A Übersichtskarte „Freigabe des Radverkehrs in der Altstadt“

Anlage B Übersicht Öffentlichkeitskampagne „Respekt bewegt“

Anlage C Verkehrserhebungsdaten

Anlage D Stellungnahmen zur Probephase

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 VO Altstadtradeln Anlage A (984 KB)    
Anlage 2 2 VO Altstadtradeln Anlage B (391 KB)    
Anlage 3 3 VO Altstadtradeln Anlage C (108 KB)    
Anlage 4 4 VO Altstadtradeln Anlage D (804 KB)