Vorlage - VO/19/15084/51  

 
 
Betreff: Verfahrensweise Anrechnung Landesfamiliengeld
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer
Federführend:Amt für Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Entscheidung
05.02.2019 
Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
28.02.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

Bayerisches Familiengeldgesetz

 

Am 1. August 2018 ist das Bayerische Familiengeldgesetz (BayFamGG) in Kraft getreten. Der Freistaat Bayern gewährt danach seit 1. September 2018 den Eltern, für ab dem 1. Oktober 2015 geborene Kinder (Art. 9a Abs. 1 S. 1 BayFamGG), im zweiten und dritten Lebensjahr, d. h. vom 13. bis zum 36. Lebensmonat (Art. 3 Abs. 3 BayFamGG), 250,00 Euro für das erste und zweite Kind pro Monat und für das dritte und jedes weitere  Kind 300,00 Euro pro Monat (Art. 3 Abs. 1 S. 1 BayFamGG).

 

 

Ungeklärte Rechtslage

 

Nach Art. 1 BayFamGG dient das Familiengeld nicht der Existenzsicherung, es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden. Streng nach dem Wortlaut dieser Vorschrift dient es auch nicht dem gleichen Zweck wie die Jugendhilfe, sondern der Anerkennung der Erziehungsleistung.

 

Die Frage, ob das Familiengeld bei der Leistungsgewährung anzurechnen ist, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Bund und Land haben dazu eine unterschiedliche Auffassung.

 

Die Bayerische Staatsregierung ist der Überzeugung, dass eine Anrechnung des Bayerischen Familiengeldes beispielsweise auf Leistungen nach dem SGB II unterbleiben muss. (siehe Anlage „Aktuelle Informationen zum Bayerischen Familiengeld“, Stand 08.10.2018, StMAS)

 

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 10.08.2018 dem entgegenstehend bekannt gegeben, dass nach seiner Auffassung das Bayerische Familiengeld auf Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) angerechnet werden muss.

 

Die Gewährung des Familiengeldes wirft in der Folge in zahlreichen bayerischen Kommunen die Frage auf, ob und in welchem Umfang diese Sozialleistung bei der pauschalierten Kostenbeteiligung nach § 90 Abs. 3 SGB VIII zu berücksichtigen wäre.

 

Der Vorstand des Bayerischen Städtetags hat den Beschluss gefasst, Bund und Freistaat aufzufordern, schnellstmöglich eine gemeinsame Lösung in den Rechtsfragen um eine etwaige Anrechnung des Bayerischen Familiengeldes auf andere staatliche Leistungen zu finden und einen einheitlichen Vollzug in den Verwaltungen zu ermöglichen. So lange keine gemeinsame Lösung gefunden wird, wird in Bezug auf Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII und dem SGB VIII auf die kommunale Selbstverwaltungs- und Entscheidungshoheit jeder Gebietskörperschaft verwiesen. Dabei sei sicherzustellen, dass eine doppelte Berücksichtigung des Familiengeldes ausgeschlossen ist.


Aus den fachlichen Vorberatungen wird ergänzend berichtet,dass für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eingedenk der Formulierung in Art. 1 BayFamGG und dessen Begründung mehrheitlich die Berücksichtigung als zweckgleiche Leistung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe befürwortet wurde.“ Um eine Doppelanrechnung bei SGB II-Leistungsempfängern zu verhindern, kann lt. Bayerischen Städtetag ohne Anerkennung einer Rechtspflicht freiwillig der Kostenbeitrag im Rahmen von § 90 SGB VIII teilweise oder vollständig übernommen bzw. erstattet werden.

 

Bei der 12. Sitzung des Sozialausschusses des Bayerischen Städtetags am 26.10.2018 wurde angeregt, die Haltung des Bayer. Kommunalen Prüfungsverbandes zu erfragen. Dieser hat im Nachgang zur Sitzung mitgeteilt, dass aufgrund der unklaren Rechtslage derzeit die verschiedenen Auffassungen nicht beanstandet werden.

 

 

Verfahren in anderen bayerischen Kommunen

 

In anderen bayerischen Kommunen wird die Sachlage unterschiedlich bewertet. Die Stadt Würzburg geht davon aus, dass Familien, die kein Arbeitslosengeld II beziehen, das Geld tatsächlich monatlich zusätzlich zur Verfügung haben und es ihnen zugemutet werden kann, die Kosten einer Kindertageseinrichtung selbst zu finanzieren. Nur bei SGB II-Leistungsbeziehern werden die Elternbeiträge bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage als freiwillige Leistung übernommen.

 

Die Stadt Nürnberg rechnet das Landesfamiliengeld aufgrund der unklaren Rechtslage in keinem Fall an, hat aber den Jugendhilfeausschuss über das Verfahren informiert und hat in den Bescheiden in der Tenorierung eine Vorläufigkeitserklärung zur Feststellung der zumutbaren Belastung eingearbeitet (Nebenbestimmung nach § 32 SGB X). Eine Rückabwicklung bzw. nachträgliche Rückforderung der nicht angerechneten Beträge wird jedoch als sehr problematisch eingeschätzt.

 

Die Oberpfälzer Jugendämter rechnen, laut einer Umfrage des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Regensburg, das Landesfamiliengeld geschlossen in keinem Fall an.

 

 

Verfahren des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Regensburg

 

Das Amt für Jugend und Familie der Stadt Regensburg rechnet das Familiengeld in keinem Fall an, weder als Einkommen noch als zweckgleiche Leistung. Eine Vorläufigkeitserklärung ist in den Bescheiden nicht enthalten.

 

Entsprechend des RS des Bayer. Städtetags erfolgen durch die aktuelle Praxis keine Doppelanrechnungen. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie unterbleibt die Anrechnung und gleichzeitige Erstattung des Betrags, sowohl bei SGB II-Leistungsempfängern als auch bei Fällen nach § 90 SGB VIII.

 

Eltern, die Ansprüche auf Übernahme der Elternbeiträge gem. § 90 Abs. 3 SGB VIII haben, verfügen in der Regel über ein Einkommen, das nur knapp über den Einkommensgrenzen der SGB II-Leistungen liegt. Derzeit bestehen ca. 30 Fälle, die Mehraufwendungen von rund 7.500 € pro Monat verursachen.

 

Die Anrechnung würde hier zu einer Schlechterstellung dieser Familien führen und würde somit dem Zweck des Bayerischen Familiengeldgesetzes, insbesondere dessen Art. 1, zuwiderlaufen, nach dem (streng nach dem Wortlaut) das Familiengeld nicht dem gleichen Zweck wie die Jugendhilfe dient, sondern der Anerkennung der Erziehungsleistung. Das Familiengeld wäre als Leistung, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird, nicht als Einkommen zu berücksichtigen (§ 93 I S. 4 SGB VIII).

 

Damit wäre das Familiengeld bei allen Beteiligten, unabhängig von ihrem Einkommen, außen vor zu lassen. Ob diese Einschätzung richtig ist, kann aber endgültig nur mit einer gerichtlichen Entscheidung über die Zweckbestimmung in Art. 1 BayFamGG klargestellt werden.

 

Sofern die Rechtslage dahingehend entschieden werden sollte, dass das Familiengeld angerechnet werden muss, ist es fraglich, ob beim betroffenen Personenkreis eine Rückforderung, insbesondere aufgrund der finanziellen Situation der Familien, Aussicht auf Erfolg haben wird. Ein Vorläufigkeitsvermerk in den Bescheiden lässt sich nach Prüfung durch das Rechtsamt der Stadt Regensburg nur realisieren, wenn zunächst angerechnet wird und dann nach einer rechtsverbindlichen Entscheidung erstattet wird. Eine Bewilligung der Kostenübernahme für eine Betreuungseinrichtung unter dem Vorbehalt der Rückforderung lasse sich nicht durchsetzen. Eine Zumutbarkeit dieser Belastung erscheine hier außerdem sehr fraglich. Die Rückforderung ist wohl aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht schwierig.

 

Aufgrund des hier geschilderten Sachverhaltes, bedingt durch die damit verbundenen Rechtsunsicherheiten sowie aus Gründen der Verwaltungsökonomie soll die aktuelle Verfahrensweise, also die Nichtberücksichtigung des Landesfamiliengeldes, bei der pauschalierten Kostenbeteiligung nach § 90 Abs. 3 SGB VIII beibehalten werden.

 

Es wird vorgeschlagen, für den Fall, dass die Anrechnung des Landesfamiliengeldes auf Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII und dem SGB VIII, verpflichtend festgelegt würde, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht angerechneten Beträge als freiwillige Leistung an die SGB VIII-Leistungsbezieher zu gewähren. Die rückwirkende Gewährung von freiwilligen Leistungen wird nur dann relevant, wenn die Anrechnung auch rückwirkend verpflichtend festgelegt wird.

 

Haushaltsmittel stehen bei HHSt 0.4541.7701 (Zuschüsse zu den Elternbeiträgen) zur Verfügung. Im Nachtragshaushaltsplan 2019 erfolgt gegebenenfalls die Umplanung der Zuschussmittel auf eine separate Haushaltsstelle als freiwillige Leistung.

 

 


 

Der Ausschuss empfiehlt / der Stadtrat beschließt:

 

Für den Fall, dass die Anrechnung des Landesfamiliengeldes auf Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII und dem SGB VIII verpflichtend festgelegt wird, werden die bis zu diesem Zeitpunkt nicht angerechneten Beträge des Landesfamiliengeldes auf die pauschalierte Kostenbeteiligung nach § 90 Abs. 3 SGB VIII als freiwillige Leistung rückwirkend an die SGB VIII-Leistungsbezieher gewährt.

 

 

 


Anlagen:

 

Aktuelle Informationen zum Bayerischen Familiengeld (Stand 08.10.2018)

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Aktuelle Informationen zum Bayerischen Familiengeld (Stand 08.10.2018) (119 KB)