Vorlage - VO/19/15483/50  

 
 
Betreff: Einrichtung einer weiteren Unterkunft für Obdachlose mit integriertem Tagesaufenthalt (UfO)
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer
Federführend:Amt für Soziales   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten Vorberatung
06.06.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten ungeändert beschlossen   
Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen Vorberatung
26.06.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
27.06.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Bericht:

 

1. Allgemeine Informationen zum Obdachlosenwesen

Nach Art. 6, 7 LStVG haben die Gemeinden als Sicherheitsbehörden die Pflichtaufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, in dem Gefahren abgewehrt werden und Störungen beseitigt bzw. unterbunden werden. Die Obdachlosigkeit bringt es mit sich, dass der fehlende Schutz vor Wind und Wetter eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit darstellt, die grundrechtlich in Art. 2 Abs. 2 GG garantiert ist.

Aus diesem Kontext ergibt sich eine kommunale und ordnungsrechtliche Pflichtaufgabe für die Stadt Regensburg und begründet gleichzeitig den Anspruch eines Obdachlosen auf Unterbringung, um Leben und Gesundheit der Betroffenen zu schützen. Es handelt sich dabei nicht um einen Anspruch auf eine wohnungsmäßige Versorgung, sondern um die Verschaffung einer nur vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, deshalb eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen. Die Grenze zumutbarer Einschränkungen liegt dort, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (VG München, Beschluss v. 22.08.2017).

Die Herausforderung besteht somit darin, den Überbrückungscharakter einer Obdachlosenunterkunft zu wahren und dennoch menschenwürdige Rahmenbedingungen für eine Unterbringung bereitzustellen. Die an eine Normalwohnung zu stellenden Anforderungen bezüglich Lage, Größe, Einrichtung müssen nicht erfüllt sein. Der Schutz vor den Unbilden des Wetters und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse sind daher ungeachtet von einzelfallbezogenen, möglicherweise zusätzlich zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen rechtlich als die Mindestvoraussetzungen für jegliche Unterbringungsform zu bewerten.

 

2. Unterbringungsmöglichkeiten der Stadt Regensburg

Derzeit bietet die Stadt Regensburg mehrere Möglichkeiten für die Unterbringung von obdachlosen Personen an, die sich wie folgt beschreiben lassen (sh. dazu auch Übersicht lt. Anlage 1):

 

a) Obdachlosenunterkunft Taunusstraße

Die Stadt Regensburg stellt derzeit in der Taunusstraße eine Obdachlosenunterkunft mit insgesamt 36 Schlafplätzen zur Verfügung. Zugang zu dieser Einrichtung erhalten bedürftige Personen ab 18 Jahren, die nicht erkennbar unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln stehen. Diese stringente Vorgehensweise hat dazu geführt, dass sich dort ein bestimmtes Stammkundenklientel etabliert hat, das sich mit der Hausordnung arrangieren kann. Die Betriebsabwicklung dieser Einrichtung kann mit einer Hausmeisterstelle und einer im Umfang der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigten Reinigungskraft mit

 

wirtschaftlichen Minimalanforderungen durchgeführt werden. Ein zusätzlicher Sicherheitsdienst war bisher nicht notwendig.

Die Auslastung der Übernachtungen in der Taunusstraße beträgt ca. 50 %. Jährlich nutzen ca. 330 Personen die Einrichtung. Es finden jährlich knapp 6.000 Übernachtungen statt.

 

b) Notwohnungen in der Aussiger Straße

Die Stadt Regensburg verfügt in der Notwohnanlage Aussiger Str. 23 29 A über 74 Wohnungen in einer Größe zwischen 18 m² und 91 m². Hier werden Familien mit Kindern, Alleinerziehende und Einzelpersonen, welche aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder psychischer Erkrankungen nicht in andere Obdachlosenunterkünfte verwiesen werden können, ordnungsrechtlich untergebracht.

Die Auslastung der Notwohnungen liegt derzeit bei ca. 75 %. 

Aufgrund des Alters der Gebäude (erbaut im Jahr 1953), der Gebäudesubstanz (Schimmelbefall in einigen Wohnungen) und der Gebäudeausstattung (Gemeinschaftsduschen im Keller, winzige Toiletten in den Wohnungen, keine Heizung) wird derzeit der Neubau dieser Notwohnanlage geprüft.

 

c) Notwohnanlage Am Kreuzhof 9

Die Stadt Regensburg verfügt derzeit über keine behindertengerechte Notunterkunft. Nachdem die Anmietung von behindertengerechten Hotel- oder Pensionszimmern aus verschiedenen Gründen (keine Aufnahme von Obdachlosen, keine behindertengerechten Zimmer vorhanden) nicht möglich war, wurde durch den Ausschuss für Soziales und Allgemeine Stiftungsangelegenheiten am 17.04.2018 der Umbau der Immobilie am Kreuzhof 9 in eine barrierefreie Obdachlosenunterkunft beschlossen.

Es werden zwei behindertengerechte Möglichkeiten zur Unterbringung für Familien, sowie zwei Räume zur Obdachlosenunterbringung von Alleinstehenden im Erdgeschoss geschaffen.

Zudem sind vier Zimmer im Obergeschoss zur Unterbringung von alleinstehenden, obdachlosen Personen ohne körperliche Behinderung, die aufgrund psychischer Erkrankung oder schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen (z. B. Krebserkrankung) nicht in der Obdachlosenunterkunft Taunusstr. 3 nächtigen können, vorgesehen.

Die Fertigstellung der Immobilie ist Anfang August 2019 geplant.

 

3. Bisherige Erkenntnisse und Bedarf

Unter Bezugnahme auf den vorhandenen Bestand und die jeweiligen Betriebsformen dieser Unterkünfte sowie die gewonnen Erkenntnisse aus dem Kälteschutzprojekt

 

(VO/19/15482/50), den Erfahrungen des Allgemeinen Sozialdienstes sowie der Obdachlosenverwaltung lässt sich zusammenfassend folgendes feststellen:

-       Grundsätzlich ist es sinnvoll, verschiedene Unterbringungsformen zur Verfügung zu stellen, die sich an den jeweils nutzerspezifischen Notwendigkeiten orientieren. Ziel ist es, nicht nur die Versorgung mit Unterbringung zu gewährleisten, sondern auch Hilfsmaßnahmen anzubieten, die Obdachlosigkeit zu beseitigen. Dies gelingt nach Einschätzung der Verwaltung dann am besten, wenn auf die persönlichen und oft multiplen Problemlagen, die die Obdachlosigkeit ausgelöst haben, entsprechend reagiert werden kann.

 

-       r Personen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder Drogenabhängigkeit in ihrem Verhalten auffällig sind, bestehen seit dem Wegfall des Kälteschutzprojekts keine niedrigschwelligen Übernachtungsmöglichkeiten. Die Taunusstraße ist aufgrund ihrer Konzeption ungeeignet, da die Personen einen deutlich höheren Sicherheitsbedarf haben oder auslösen und eine engmaschige Unterstützung benötigen. Außerdem bleibt alkoholisierten oder unter Rauschmitteln stehenden Personen der Zugang zur Einrichtung verwehrt.

 

-       Rechtlich problematisch ist aktuell und grundsätzlich zu bewerten, dass für die obdachlosen Menschen, die in einer Sammelunterkunft untergebracht sind, zwischen 9.00 Uhr und 17.00 bzw. 18.00 Uhr kein Tagesaufenthalt uneingeschränkt zur Verfügung steht. Der grundrechtlich garantierte Anspruch auf Wahrung der körperlichen Unversehrtheit besteht jedoch auch tagsüber und wird daher nur unzureichend erfüllt. Eine auf die Abend- und Nachtstunden beschränkte Unterkunft, wie es bisher der Fall ist, erfüllt die Mindestanforderungen an eine ordnungsrechtliche Unterbringung nicht. Eine Reihe von freien Trägern und Vereinen bieten zwar auch tagsüber eine Grundversorgung an, allerdings decken diese Einrichtungen die Fehlzeiten des vorhandenen Angebots für Obdachlose nicht vollständig ab (insbesondere Sonn- und Feiertage). Es kommt hinzu, dass insbesondere für alkoholabhängige oder intoxikierte Personen das Angebot Lücken aufweist.

 

 

Aus diesem Grund besteht ein dringender Handlungsbedarf, einen durchgehenden Tagesaufenthalt zu schaffen in Kombination mit einer weiteren, ganzjährigen Einrichtung für Obdachlose, die einen sehr niedrigschwelligen Zugang ermöglicht. Durch die Realisierung des Kälteschutzprojekts ist der Bedarf deutlich sichtbar geworden (sh. auch Beschlussvorlage VO/19/15482/50).

 

4. UfO - Landshuter Str. 49

a) Die Stadt Regensburg hat mit Mietvertrag vom 31.03.2019 ein Gebäude in der Landshuter Str. 49 angemietet, das für den Zweck der Obdachlosenversorgung zur Verfügung gestellt werden kann. Das Gebäude ist aufgrund der zentralen Lage fußufig gut erreichbar und kann die unter 3. beschriebene Versorgungslücken vollständig decken.

 

 

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das in Anlage 2 hinterlegte Konzept verwiesen, das ein wesentlicher Bestandteil dieses Berichts ist. Das Konzept wurde mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege und sonstigen Vereinen, Organisationen und Akteuren in Regensburg auf dem Gebiet des Obdachlosenwesens am 07.03.2019 abgestimmt. Die Schaffung dieser Einrichtung fand dabei großen Zuspruch. Leider ist es nicht gelungen, für den Betrieb dieser Einrichtung einen Träger zu gewinnen.

 

b) Im dritten Stock des Gebäudes ist derzeit keine Nutzung vorgesehen. In Anbetracht der immer wieder an die Stadt Regensburg adressierten Bedarfe für Wohnformen für ein bestimmtes Nutzerklientel (z. B. Psychisch Erkrankte, Haftentlassene etc.) böte sich hier die Möglichkeit, weitere Nutzungen im Umfang von etwa sechs Plätzen zu etablieren. Ob eine stationäre oder ambulante Einrichtung realisiert werden kann, ist von verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten abhängig und bedarf einer ausführlichen Prüfung, die zum Zeitpunkt der Erstellung der Beschlussvorlage noch nicht abgeschlossen war. Der Schwerpunkt liegt zunächst in der Inbetriebnahme der Unterkunft und des Tagesaufenthalts, um die rechtliche Unterbringungsverpflichtung sicherzustellen. Anschließend sollen passende Möglichkeiten eruiert werden, wie das bestehende Konzept sinnvoll ergänzt und Synergieeffekte genutzt werden können. Die zuständigen Gremien werden nach Abschluss der Prüfung wieder beteiligt.

 

5. Kosten und Finanzierung

r den Betrieb der Einrichtung wird ab 2020 voraussichtlich mit jährlichen (Sach)-Kosten in folgender Höhe gerechnet:

 

Miete einschl. Nebenkosten, Strom124.260 €

Sicherheitsdienst320.000 €

Reinigungsdienst90.000 €

weitere Sachkosten70.100 €

(z. B. Verwaltungs- und Zweckausstattung, Textilien, Bettenzubehör,

robedarf, Telefon, Werkstattleistungen etc.)

SUMME604.360 €

 

Zusätzlich ist jährlich mit Personalkosten wie folgt zu rechnen:

 

1 Einrichtungsleitung einschl. IuK-Arbeitsplatz101.700 €

6 Sozialpädagogen (davon mit 2 IuK-Arbeitsplätzen)528.300 €

2 Hausmeister (mit 1 IuK-Arbeitsplatz)122.300 €

SUMME752.300 €

 

Die ermittelten Werte beruhen auf den Tabellen zu Personaldurchschnittskosten und Kosten eines Arbeitsplatzes zum Stand 01.04.20.19 und berücksichtigen noch keine Zeitzuschläge für Dienst in den Abendstunden oder an Wochenenden bzw. Feiertagen.

 

Insgesamt entstehen voraussichtlich Gesamtkosten i. H. v. ca. 1.356.660,-- €hrlich.

 

 

Anlagen:

1 Überblick Obdachlosenwesen Stadt Regensburg

2 Konzept UfO

3 Grundrisspläne

 


 

Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:

 

 

  1. Der Ausschuss nimmt vom Bericht der Verwaltung Kenntnis.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, das Konzept auf der Grundlage dieses Berichts und nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durchzuführen.
  3. Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, welche ergänzenden Nutzungen im dritten Stock des Gebäudes realisiert werden können.

 


Anlagen:

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 korr._20.05._Übersicht Obdachlosenwesen2 (481 KB)    
Anlage 2 2 Endgültig_2.Korr._UfO_Konzept_20052019 (259 KB)    
Anlage 3 3 EG (84 KB)    
Anlage 4 4 1.OG (92 KB)    
Anlage 5 5 2.OG (92 KB)    
Anlage 6 6 3.OG (91 KB)