Vorlage - VO/19/15526/54  

 
 
Betreff: Richtlinien der Stadt Regensburg zur Förderung von Projekten quartiersbezogener Seniorenarbeit
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer
Federführend:Seniorenamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten Vorberatung
06.06.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten geändert beschlossen   
Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen Vorberatung
26.06.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
27.06.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg geändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt

Anlass und Aufgabenstellung

 

Die Richtlinien der Stadt Regensburg zur Förderung von Investitionen ambulanter Pflegedienste vom 24. Juli 1997 wurden mit Wirkung vom 31.12.2018 aufgehoben. Die Verwaltung wurde beauftragt, im Kontext des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes unter Beachtung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ neue Förderrichtlinien zu entwickeln, insbesondere um bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen für den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit und für Teilhabeangebote im Quartier zu unterstützen, zu fördern und bei Bedarf zu initiieren (Aufhebung der Richtlinien zur Förderung von Investitionen ambulanter Pflegedienste, VO/18/14460/54).

 

Lt. Statistischem Jahrbuch der Stadt Regensburg (2016) leben aktuell ca. 27.000 Menschen über 65 Jahren in Regensburg. Die Zahl der älteren Menschen wird zunehmen, einerseits weil die Zahl der älteren Menschen steigt Stichwort Babyboomer andererseits weil, und das ist erfreulich, die Menschen immer älter werden und dies i.d.R. bei guter Gesundheit.

Der demographische Wandel ist einerseits als Chance aber auch als Herausforderung zu sehen. Neue Ansätze und Strategien sind gefordert, um in einer immer älter werdenden Gesellschaft Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und selbständiges Leben im Alter zu schaffen. Dabei ist entscheidend, die Potenziale der älteren Menschen einzubeziehen und gemeinsam mit ihnen und allen weiteren Akteuren an einer altersfreundlichen Gestaltung der Kommune zu arbeiten (Kiziak, Kreuter, Michalek, Woellert, & Klingholz, 2014).

r ein gutes Leben im Alter ist neben der eigenen Wohnung das Wohnquartier wichtig. Der Aktionsradius im Alter nimmt ab und tragfähige soziale Netzwerke wirken unterstützend (Kricheldorff & Oswald, 2015).

Darüber hinaus muss der Wunsch der älteren Menschen, möglichst lange im angestammten Quartier verbleiben zu können, oberste Priorität haben. Im Rahmen einer aktuellen Repräsentativbefragung der Bertelsmann Stiftung zum Thema „Wahrnehmungen und Einschätzungen der Bevölkerung zum demographischen Wandel“nschen sich 91 % der über 55-jährigen: „Ich hoffe, dass ich so lange wie möglich in meiner gewohnten Umgebung wohnen kann.“ (Schleiter, 2018). Entscheidend für den Verbleib, auch mit evtl. Beeinträchtigungen, ist deshalb die altersfreundliche Gestaltung der näheren Umwelt, des Quartiers (Nowossadeck & Block, 2017).

Lt. Kuratorium Deutsche Altenhilfe (2011) sind Wohnen, Soziales, Hilfe und Pflege wichtige Felder für eine erfolgreiche Umsetzung von Quartierskonzepten. Der Bereich „Soziales“ bezieht sich darauf, Begegnungsräume zu schaffen und damit kleinräumige Ermöglichungsstrukturen für soziale Teilhabe, Begegnung und Austausch zu schaffen. Neben der Zielsetzung, aktive Nachbarschaften und bürgerschaftliches Engagement zu fördern und zu implementieren, sollen wohnortnah Beratungsmöglichkeiten aufgebaut werden. Im Sinne präventiver Hausbesuche können evtl. zugehende Beratungsangebote erfolgen (KDA, 2011).

Nach § 71 SGB XII soll Altenhilfe u.a. alten Menschen die Möglichkeit erhalten, selbst-bestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und dient der Kommune als Grundlage, die Teilhabe älterer Menschen zu ermöglichen. Der Stadt Regensburg als Ersteller des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts nach At. 69 AGSG obliegt im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch die Umsetzung der entwickelten Zielsetzungen und Maßnahmen.

Der 7. Altenbericht der Bundesregierung sieht in der Daseinsvorsorge der Kommune die Grundlage für ein gutes Leben im Alter. Neben der Erfüllung bestimmter Leistungen ist im Rahmen der Subsidiarität die Koordination und Vernetzung aller Akteure erforderlich. Entscheidend ist u.a., dass vor Ort die Gestaltung und Organisation des Lebensumfeldes unter Einbeziehung aller Akteure erfolgt (BMFSFJ, 2016). Im Rahmen dieses Gestaltungsauftrages kommt der Kommune insbesondere im Hinblick auf die Subsidiarität eine Moderations- und Steuerungsfunktion zu. Ressortübergreifendes und interdisziplinäres Handeln ist ebenso wichtig wie die aktive Gestaltung der sozialen Infrastruktur unter Einbeziehung der Kompetenzen und Ressourcen der älteren Menschen (DeutscherVerein, 2006).

Die Erstellung eines Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes kann als wesentliche Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge betrachtet werden, während die Umsetzung bestimmter Maßnahmen über die Pflichtaufgaben hinausreichen. Als freiwillige Aufgabe obliegt es der Kommune, ob und wie sie die Maßnahmen umsetzt (Bischof & Weigl, 2010).

Im Rahmen des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts der Stadt Regensburg wurden bereits speziell in den Handlungsfeldern „Gesellschaftliche Teilhabe“ und „Leben und Wohnen im Alter“ folgende Ziele und Maßnahmen, die in das Quartier wirken, benannt:

 

Seniorenpolitisches Gesamtkonzept - Handlungsfeld "Teilhabe"
(12.12.2013, VO/13/9471/54)

 

Es wurden u.a. folgende Ziele formuliert:

  • Orte der Begegnung und Teilhabe sind quartiersnah zu initiieren.
  • Die Kommune moderiert und fördert ein wertschätzendes, gesellschaftliches Umfeld und schafft Voraussetzungen, dass Menschen in einem Stadtteil/Quartier füreinander und für ältere Verantwortung übernehmen
  • rgerschaftliches Engagement  zur Entwicklung und Stärkung der sorgenden Gemeinschaft im Quartier wird nachhaltig gefördert und ebenso unterstützt wie die Entwicklung und Initiierung von bedarfsorientierten professionellen Angeboten.
  • Die notwendigen Rahmenbedingungen für den Austausch von Nutzern, Anbietern

und bürgerschaftlich Engagierten werden weiter entwickelt

  • Kooperationen der Akteure werden unterstützt, moderiert, weitere bedarfsgerechte Angebote vereinbart und umgesetzt.


Daraus wurden u.a. folgende Maßnahmen abgeleitet:

  • rderung von Quartierskonzepten
  • Aufbau von lebendigen Nachbarschaften, bzw. Weiterentwicklung von Angeboten wie

Regensburgs Nette Nachbarn“ zur Stärkung der sorgenden Gemeinschaft vor Ort

  • Aufbau von Kommunikationsorten im Quartier (Nachbarschaftscafé etc.) für alle

Lebensalter übergreifend jedoch auch mit intergenerativen Angeboten

  • Netzwerkarbeit im Quartier
  • Bedarfs- und bedürfnisgerechter Ausbau von notwendigen Angeboten der

gesellschaftlichen Teilhabe

  • Die Angebote sind quartiersnah und gut erreichbar für die älteren Menschen
  • Aufbau von quartiersbezogenen Netzwerken

 

 

Seniorenpolitisches Gesamtkonzept - Themenbereich "Wohnen"
(25.07.2013, VO/13/8900/54)
 

Dem handlungsleitenden Ziel „Ältere Menschen sollen möglichst lange unabhängig, selbstständig und selbstbestimmt in der eigenen Häuslichkeit in der ihnen vertrauten Umgebung leben“ wurden folgende Ziele untergeordnet:

 

  • Unterstützende Wohnformen wie das Betreute Wohnen zu Hause (in der

angestammten Häuslichkeit) sind als Angebot für ältere Menschen zu fördern, zu

etablieren und zu begleiten.

  • Alternative bedarfs- und bedürfnisgerechte individuelle Wohnformen im Alter bis hin

zur ambulanten Wohngemeinschaft werden nachhaltig unterstützt und begleitet.

  • rgerschaftliches Engagement zur Entwicklung und Stärkung der sorgenden

Gemeinschaft im Quartier wird als notwendig erachtet und wird ebenso unterstützt

wie die Entwicklung bedarfsorientierter professioneller Angebote.

  • Die Entwicklung von soziokulturellen Quartierskonzepten, um ein Wohnen in der

vertrauten Umgebung möglichst lange zu gewährleisten, hat oberste Priorität.
 

Es wurden folgende Maßnahmen formuliert:

  • Initiierung von bedarfsgerechten niedrigschwelligen Dienstleistungen für das Wohnen zu Hause (z.B. haushaltsnahe Dienstleistungen)
  • Ausbau von Nachbarschaftshilfen im Quartier
  • Im Bebauungsplan sind Flächen für bedarfsgerechte, differenzierte Wohnformen für das Alter zu ermöglichen
  • Schaffung von attraktiven öffentlichen Räumen, die zum Verweilen und zur Begegnung einladen
  • rderung von neuen, alternativen Wohnformen im Alter
  • rderung von Quartierskonzepten
  • Sicherung der Infrastruktur im Quartier, die eine Teilhabe an sozialen, wirtschaftlichen

und kulturellen Angeboten ermöglicht

  • Gewährleistung einer guten Anbindung durch öffentlichen Nahverkehr
  • Barrierefreiheit bzw. Barrierearmut des öffentlichen Raumes
  • Aufbau von Nachbarschaftshilfen, bzw. Weiterentwicklung von Angeboten wie

Regensburgs Nette Nachbarn“

  • Aufbau von Kommunikationsorten im Quartier (Nachbarschaftscafé etc.) für alle

Lebensalter übergreifend jedoch auch mit intergenerativen Angeboten

 

Konsequenzen:

Durch die Stadt Regensburg, Seniorenamt, wurden bisher folgende Angebote, die in das Quartier wirken, initiiert

  • Treffpunkt Seniorenbüro“- Bürgerschaftliches Engagement mit ca. 340 Ehrenamtlichen
  • Nachbarschaftshilfe „ReNeNa“ (Regensburgs Nette Nachbarn) mit Stadtteilkümmerern und in Zusammenarbeit mit 31 Kooperationspartnern in den unterschiedlichen Stadtteilen
  • Mehrgenerationenhaus in der Ostengasse (Innenstadt)
  • Projektbüro „Selbstbestimmt im Alter“ (Kumpfmühl)
  • Aktivzentrum Königswiesen (demnächst Eröffnung)

Moderne Seniorenpolitik ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Im Sinne der Subsidiarität ist es erforderlich, gemeinsam mit weiteren Akteuren im Quartier ein Hilfenetzwerk zu moderieren und zu steuern, um gemeinsam Rahmenbedingungen zu erarbeiten, die den älteren Menschen ein möglichst langes selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in der eigenen Häuslichkeit im angestammten Wohnumfeld ermöglichen. Durch die Vernetzung können Angebote bedarfsgerecht entwickelt und angeboten werden, Synergieeffekte genutzt und Doppelstrukturen vermieden werden. Damit können Ressourcen der einzelnen Akteure zielgerichtet investiert werden.

Dabei sollen Beratung, Unterstützung, Versorgung, haushaltsnahe Dienstleistungen und Pflege sowie präventive, aktivierende Maßnahmen für alte Menschen bedarfsgerecht und leicht erreichbar gewährleistet und organisiert werden. Dies kann im Sinne der „sorgenden Gemeinschaft“ in einem bedarfsgerechten Hilfemix aus professionellen Diensten, ehrenamtlichen Angeboten und Unterstützung der familiären Strukturen passieren.

Ziel ist ein flächendeckendes Netz lokaler „Verantwortungsgemeinschaften“, um für die älteren Menschen eine Versorgungssicherheit, aber auch die Möglichkeit der sozialen Teilhabe im Quartier zu gewährleisten. Dies ist ein wichtiger Baustein, um einer drohenden Isolation und Vereinsamung, insbesondere alleine lebender Senior*innen entgegenzuwirken.

Um diesen Prozess anzuregen, zu unterstützen und zu steuern erlässt die Stadt Regensburg Quartiersförderrichtlinien mit dem Ziel, quartiersbezogene Seniorenarbeit finanziell zu unterstützen. (s. Anlage)

 

Mittelbedarf

Die bisher im Investitionsprogramm 2018-2022 eingeplanten Fördermittel für die Förderung von Investitionen ambulanter Pflegedienste in Höhe von 225.000,00 €hrlich (ab 2019) bilden den Richtwert für die Neuausrichtung von Förderrichtlinien für Projekte quartiersbezogener Seniorenarbeit.

Nach den Förderrichtlinien werden künftig keine Investitionskosten, sondern laufende Kosten gefördert. Diese werden künftig im Verwaltungshaushalt abgebildet.

Folgende Mittel sollten in den Finanzplan 2019 2023 eingestellt werden:

2019

2020

2021

2022

2023

160.000,00 €

170.000,00 €

180.000,00 €

190.000,00 €

200.000,00 €

 

Die Förderung pro Projekt beträgt lt. Förderrichtlinie

Personalkosten

max. 8.000,00 €

Sachkosten

max. 5.000,00 €

Raumkosten

max. 5.000,00 €

 

Es soll damit ein Anreiz geschaffen werden, die Akteure der Seniorenarbeit für den Ausbau quartiersbezogener Seniorenarbeit zu gewinnen. Im Sinne lokaler Verantwortungsgemeinschaften kann damit ein flächendeckendes Netz der Versorgung älterer Menschen geschaffen und die Rahmenbedingungen für die soziale Teilhabe aufgebaut werden.

 

 

Literaturverzeichnis:

Bischof, C., & Weigl, B. (2010). Innovative Kommunalpolitik für ältere Menschen. In C. Bischof & B. Weigl (Eds.), Handbuch innovative Kommunalpolitik für ältere Menschen (pp. 13-19). Berlin: Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.

BMFSFJ. (2016). Siebter Altenbericht. Sorge und Mitverantwortung in der Kommune - Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften. Berlin: BMFSFJ.

DeutscherVerein. (2006). Empfehlungen zur Gestaltung der sozialen Infrastruktur in den Kommunen mit einer älter werdenden Bevölkerung. Berlin: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

KDA. (2011). Was sind alternsgerechte Quartiersprojekte? Bausteine und Umsetzungsverfahren. Köln: Kuratorium Deutsche Altershilfe.

Kiziak, T., Kreuter, V., Michalek, F., Woellert, F., & Klingholz, R. (2014). Stadt für alle Lebensalter. Wo deutsche Kommunen im demografischen Wandel stehen und warum sie altersfreundlich werden müssen. Berlin: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

Kricheldorff, C., & Oswald, F. (2015). Gelingendes Altern in Sozialraum und Quartier. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 48(5), 399-400.

Nowossadeck, S., & Block, J. (2017). Wohnumfeld und Nachbarschaftsbeziehungen in der zweiten Lebenshälfte. Report Altersdaten, 01/2017, 3-27.

Schleiter, A. (2018). Demograhischer Wandel: Wahrnehmungen und Einschätzungen der Bevölkerung. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage im Oktober 2017. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.


 

Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:

 

1. Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen

2. Die Richtlinien der Stadt Regensburg zur Förderung von Projekten quartiersbezogener Seniorenarbeit treten zum 01. Juli 2019 in Kraft.

 


Anlagen:

 

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