Vorlage - VO/19/16157/66  

 
 
Betreff: Regensburger Baulandmodell
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:1. Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
2. Wirtschafts-, Wissenschafts- und Finanzreferent Daminger
Federführend:Amt für Stadtentwicklung   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Vorberatung
03.12.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   
Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen Vorberatung
11.12.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
17.12.2019 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

 

1.Vorbemerkung

 

Bei der Entwicklung von Wohnbaugebieten fallen eine Reihe unterschiedlicher Kosten und Lasten an. Dies sind unter anderem Herstellungskosten und Flächenabtretungen für Erschließungsmaßnahmen, soziale Infrastruktur, Grün- und Ausgleichsflächen. Hinzu kommt die verbindliche Quote an gefördertem Wohnungsbau, die im Planungsgebiet erreicht werden muss. Das Regensburger Baulandmodell verfolgt, genauso wie die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) der Landeshauptstadt München, das Ziel, die Planungsbegünstigten, also Bauträger und Investoren, in angemessener und transparenter Form an diesen Kosten und Lasten zu beteiligen. Die Planungsbegünstigten sollen auf den ersten Blick erkennen können, was bei einer Projektentwicklung im Detail auf sie zukommt. Im Ergebnis geht es einerseits darum, Bauträger und Investoren für die finanziellen Folgen ihrer Planungen in die Pflicht zu nehmen, ihnen aber andererseits auskömmliche Erträge r ihre unternehmerische Tätigkeit zuzugestehen.

 

Was das Regensburger Baulandmodell jedoch ebenso wenig leisten kann wie die SoBoN in München ist das Abschöpfen leistungsloser Gewinne aus Wertsteigerungen von Grundstücken. Auch das Abschöpfen von (als überzogen empfundenen) Gewinnen der Investoren ist rechtlich nicht möglich. Beim Baulandmodell geht es um eine Beteiligung an kausal verursachten Kosten und Lasten und nicht um Abschöpfung. Sollten sich politische Mehrheiten für eine spürbare Abschöpfung von Wertsteigerungen bei unbebauten Grundstücken herausbilden, um etwa die Verkaufsbereitschaft zu erhöhen, müsste der Bund als zuständiger Gesetzgeber tätig werden.

 

 

2.Sachstand und Ziele

 

Der Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen hat in seiner Sitzung am 04.04.2017 beschlossen, die Verwaltung mit der Prüfung zu beauftragen, „ob“ und „wie“ in der Stadt Regensburg die „Sozialgerechte Bodennutzung“ (SoBoN) eingeführt werden kann, die Planungsbegünstigte konsequent, rechtssicher und transparent an den Kosten und Lasten beteiligt, die durch die kommunale Bauleitplanung ursächlich ausgelöst werden.“ Im Anschluss an diesen Beschluss hat die Verwaltung begonnen, ein Regensburger Baulandmodell zu entwickeln mit dem Ziel, für alle Investoren einen verbindlichen, einheitlichen „Katalog“ an Kosten und Lasten zu schaffen, der bei der Schaffung von Baurecht als Grundlage zum Einsatz kommen soll. In diesem „Katalog“ sollen sämtliche Anforderungen der Stadt, die sich aus der bisherigen Verwaltungspraxis entwickelt haben, sowie bestehende Einzelbeschlüsse, z. B. zum geförderten Wohnungsbau, in einem Grundsatzpapier zusammengefasst werden. Damit sollen Transparenz, Gleichbehandlung und Kalkulierbarkeit für alle am Planungsprozess Beteiligten sichergestellt werden.

 

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen vom 16.07.2019 hat die Verwaltung einen Zwischenbericht zum Stand des Regensburger Baulandmodells abgegeben. Dabei wurde über die Kenntnisnahme des Zwischenberichts hinaus beschlossen, dass künftig bei Bebauungsplangebieten mit einer Geschossfläche von mehr als 2.500 Quadratmetern für Wohnen 20 Prozent der gesamten Geschossfläche für Wohnen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung für die Einkommensstufen I und II zu erstellen sind. Weitere 20 Prozent der gesamten Geschossfläche für Wohnen sind im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung r die Einkommensstufe III zu schaffen.

 

Ebenfalls beschlossen wurde, dass die Verwaltung das Baulandmodell dann zur endgültigen Beschlussfassung vorlegt, wenn das Verfahren zur Angemessenheitsprüfung und die Erstellung eines Freiraumentwicklungskonzepts abgeschlossen sowie der Inhalt und die Konditionen eines Ankaufsrechts abschließend geprüft sind. Das Verfahren zur Angemessenheitsprüfung ist mittlerweile abgeschlossen und verwaltungsintern abgestimmt. Das Freiraumentwicklungskonzept soll erst Anfang 2020 dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Die wesentlichen Eckpunkte wurden aber bereits auf Bürgermeister- und Referentenebene abgestimmt. Eine begleitende Online-Bürgerbeteiligung wurde ebenfalls durchgeführt, die Auswertung der Ergebnisse steht aber noch aus. Auch zum Ankaufsrecht liegt ein Vorschlag der Verwaltung vor. Damit wurden die im Zwischenbericht noch offenen Punkte weitgehend abgearbeitet, so dass das Baulandmodell nun vorgelegt werden kann.

 

 

3.Grundsätze des Baulandmodells

 

Bei der Frage, inwieweit Investoren und Projektentwickler an den Folgekosten und -lasten ihrer jeweiligen Projektentwicklung beteiligt werden können, sind die Grundsätze der Kausalität und Angemessenheit zwingend zu beachten.

 

3.1Kausalität

Unter dem Begriff „Kausalität“ wird der Grundsatz verstanden, dass Investoren nur für diejenigen Folgelasten bzw. -kosten aufkommen müssen, die durch die jeweilige Planung tatsächlich verursacht werden. Beispielsweise können von der Stadt Regensburg ausschließlich diejenigen Kosten für die Schaffung von Plätzen in Kindertagesstätten verlangt werden, die durch die Wohnbautätigkeit in einem neuen Baugebiet und den prognostizierten Zuzug von Kindern in den jeweiligen Altersstufen neu geschaffen werden müssen. Es muss also stets ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Projektentwicklung und den dadurch ausgelösten Kosten und Lasten herstellbar sein.

 

Hinzu kommt, dass Infrastruktur, an deren Schaffung Investoren finanziell beteiligt werden, auch tatsächlich erstellt werden muss. Dies ist im Bereich der Kindertagesstätten fast immer der Fall, dagegen werden nicht für jedes neue Wohnbaugebiet neue Schulen gebaut oder erweitert.

 

3.2Angemessenheit

3.2.1Rechtliche Vorgabe

§ 11 Abs. 2 BauGB schreibt vor, dass die in städtebaulichen Verträgen vereinbarten Leistungen „den gesamten Umständen nach angemessen“ sein müssen. Bei der Planung und Umsetzung von neuen Wohnbaugebieten dürfen die jeweiligen Investoren also an den von ihnen verursachten Folgelasten und -kosten beteiligt werden, es muss aber gleichzeitig sichergestellt werden, dass es zu keiner wirtschaftlichen Überforderung kommt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kommunen, die Baurecht schaffen, den Nachweis erbringen müssen, dass von den sog. „planungsbegünstigten“ Investoren keine zu hohe „unangemessene“ Kostenbeteiligung verlangt wird. Diese Prüfung wurde in den bisherigen Verfahren nicht separat durchgeführt, sondern dadurch ersetzt, dass der Vertragspartner die jeweils vereinbarten Leistungen im Vertrag als angemessen anerkannt hat. Dies genügt den rechtlichen Anforderungen nicht mehr.

 

Der Gesetzgeber macht keine Vorgabe, in welcher Höhe eine Kostenbeteiligung noch als angemessen gelten kann und schreibt auch nicht vor, wie die Berechnung der Angemessenheit zu erfolgen hat.

 

Die Landeshauptstadt München wendet seit 1994 zur Prüfung der Angemessenheit die sog. „Bodenwertmethode“ an. Dabei wird vereinfacht dargestellt - erst einmal der Bodenwertzuwachs aus der Differenz des Bodenwertes der Grundstücke vor der Überplanung (Anfangswert) und nach der Überplanung (Endwert) errechnet. Bleibt dem Investor nach Abzug der von ihm zu tragenden Flächenabtretungen, der Erschließungskosten, der Kosten für die soziale Infrastruktur sowie der Lasten durch den vorgeschriebenen geförderten Wohnungsbau mindestens ein Drittel des planungsbedingten Wertzuwachses, ist aus Sicht der Stadt München die Angemessenheit erfüllt.

 

3.2.2Die Ertragsmethode zur Berechnung der Angemessenheit

Das Münchner Vorgehen wurde mittlerweile von etlichen Kommunen als Vorbild übernommen. Nach eingehender Prüfung und Diskussion schlägt die Verwaltung jedoch vor, bei der Berechnung der Angemessenheit die sog. „Ertragsmethode“ anstatt der in München angewandten Bodenwertmethode heranzuziehen. In der Zwischenzeit werden die meisten Bebauungsplanverfahren im Rahmen der Innenentwicklung und nicht mehr im Außenbereich durchgeführt. Im Innenbereich sind aber die planungsunbeeinflussten Anfangswerte in der Regel bereits so hoch, dass die Differenz zu den Bodenwerten nach der Überplanung relativ gering ausfällt. Der Spielraum für die Beteiligung der Investoren an den Folgekosten ist in diesen Fällen daher eher gering.

 

Auch ökonomisch ist der alleinige Fokus auf die Bodenwertsteigerung nicht sachgerecht. Die Baulandmodelle setzen an dem Gedanken an, dass die Allgemeinheit durch private und öffentliche Inves­titionen sowie durch die Planungstätigkeit der Kommunen pri­vate Investitionsgelegenheiten und Gewinnoptionen schafft und der Planungsbegünstigte sich im Gegenzug an den für die Allgemeinheit entstehenden kausalen Kosten angemessen zu beteiligen hat.

 

Derartige private Gewinne drücken sich nicht nur in der Steigerung des Bodenwertes aus, sondern entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Grundstücksaufbereitung über den Hochbau bis hin zum Verkauf oder der Vermietung des Objektes. Dieser Umstand wird in der Bodenwertmethode nur unzureichend berücksichtigt.

 

Im Rahmen der Ertragsmethode wird deshalb der komplette Ertragswert einer Investition, abgezinst auf den betrachteten Zeitraum, in dem Einnahmen erzielt werden, berechnet. Von diesem Ertragswert wird dann ein von der Stadt Regensburg nachvollziehbar hergeleiteter Prozentanteil als angemessene Beteiligung der Investoren an den Folgelasten der Planung herangezogen. Bei den Folgelasten der Planung handelt es sich um die sog. „Pflichtposten“ (Planung, Erschließung, Ausgleich), die bei jeder Bauleitplanung zwingend von dem Planungsbegünstigten verlangt werden, sowie die Kosten für die Erstellung der sozialen Infrastruktur und die wirtschaftlichen Nachteile durch den geförderten Wohnungsbau. Mit der Ertragsmethode, die die Verwaltung künftig bei der Prüfung der Angemessenheit anwenden wird, ergeben sich auch für Planungen im Innenbereich ausreichend große Spielräume für die Angemessenheitsprüfung. Das entsprechende „Berechnungstool“ wurde von der Firma Quaestio entwickelt. Quaestio hat erstmals für die Stadt Bonn die Angemessenheitsprüfung mit der Ertragsmethode erarbeitet und ist mittlerweiler die Städte Düsseldorf, Potsdam, Dresden, Erfurt und Tübingen tätig.

 

3.2.3Angemessenheitsprüfung

Bei der Frage, wie Investoren angemessen an den Folgelasten der Planungen zu beteiligen sind, ergibt sich für die Stadt Regensburg ein schwieriger Spagat. Einerseits besteht das berechtigte Anliegen, die in einem prosperierenden Wohnungsmarkt agierenden Planungsbegünstigten möglichst weitreichend für die der Allgemeinheit entstehenden Kosten heranzuziehen. Andererseits besteht die Sorge, durch allzu hohe Forderungen Mieten und Verkaufspreise noch weiter nach oben zu treiben. So haben sich durch die Baukostensteigerungen und die Anpassung der Berechnungsgrundlagen bei der sozialen Infrastruktur, die Erhöhung der Quote für den geförderten Wohnungsbau und die Festlegung einer verbindlichen Freifläche pro Einwohner im Planungsgebiet zusätzliche Belastungen für die Planungsbegünstigten ergeben, die diese ggf. an Mieter oder Käufer weitergeben werden.

 

Auf der Grundlage verschiedener Modellrechnungen schlägt die Verwaltung vor, künftig von den Planungsbegünstigten maximal 15 % des Ertragswertes der jeweiligen Investition einzufordern. Damit belastet Regensburg die Planungsbegünstigten ähnlich hoch wie der „Pionier“ Bonn. Dort beträgt die Angemessenheitsgrenze zwar 30 %, der gesamte Betrachtungszeitraum der Investition liegt jedoch bei nur 20 Jahren, im Gegensatz zu 40 Jahren in Regensburg. Der Betrachtungszeitraum der Investition von 40 Jahren geht darauf zurück, dass in Regensburg die Belegungsbindung von geförderten Wohnungen ebenfalls 40 Jahre beträgt. Die Auswirkungen dieser Regelung für den gesamten Ertragswert müssen deshalb analog über diesen langen Zeitraum geprüft werden.

 

Bei der Frage, welche Auswirkungen der Belastungen aus dem Baulandmodell auf die Wohnkosten zu erwarten sind, haben Modellberechnungen der Firma Quaestio ergeben, dass durch die von der Stadt Regensburg beeinflussbaren Ansätze des Baulandmodells die Mieten und Verkaufspreise wenn überhaupt in einem noch verträglichen Maß ansteigen würden. Als Mietniveau im Wohnungsneubau wurden dabei 12,50 Euro pro Quadratmeter und als Verkaufspreis 5.000 Euro pro Quadratmeter unterstellt. Die „Pflichtposten“ (Planung, Erschließung, Ausgleich) wurden anhand konkreter Beispiele im Regensburger Baulandmodell im Durchschnitt mit 158 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche angesetzt, die Belastungen durch die soziale Infrastruktur und den geförderten Wohnungsbau mit 111 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche beziffert. Wie aus der Darstellung unten hervorgeht, würde sich durch die Belastungen aus sozialer Infrastruktur und gefördertem Wohnungsbau eine Gesamtbelastung von rund 110 Euro pro Quadratmeter Verkaufsfläche bzw. 0,25 Euro pro Quadratmeter Miete ergeben. Bei einer Wohnung mit 80 Quadratmetern Wohnfläche kommt es nach dem neuen Modell für die soziale Infrastruktur und die wirtschaftlichen Nachteile aus dem geförderten Wohnungsbau in Summe zu einem Anteil am Verkaufspreis  von 8.800 Euro (beim angenommenen Verkaufspreis von rd. 400.000 €r eine 80 m²-Wohnung also 2,2 %) bzw. einem Anteil an der Miete von 20 Euro monatlich. Würde der Investor auf einen kleinen Teil seiner Rendite verzichten (weil z. B. höhere Preise am Markt nicht mehr durchsetzbar sind) oder es gelänge dem Investor, die Mehrbelastung durch einen günstigeren Kaufpreis des Grundstücks zu kompensieren (und damit zu einer „Beruhigung“ der Bodenpreise beizutragen), könnte eine Wohnkostensteigerung gänzlich vermieden werden.

 

Betrachtet man die gesamten Belastungen aus dem Baulandmodell, also die Pflichtposten (Planung, Erschließung, Ausgleich), die soziale Infrastruktur und den geförderten Wohnungsbau, ergibt sich ein Wert von rund 270 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Bei einer 80 Quadratmeter großen Wohnung würde dies einen Anteil am Verkaufspreis von rund 21.500 Euro bzw. 5,4 % bedeuten.

 

Quelle: Quaestio

 

Insgesamt lässt sich also feststellen, dass sich der zu erwartende Anstieg der Kosten für den Kauf oder die Anmietung einer Wohnung in einem noch akzeptablen Rahmen bewegt, den Investoren aber gleichzeitig noch auskömmliche Eigenkapitalrenditen bleiben. Das Baulandmodell erlaubt es der Stadt zudem, neben den von den Investoren zwingend zu erbringenden Pflichtleistungen auch noch in ausreichendem Maß Leistungen für die Erstellung der sozialen Infrastruktur zu verlangen.

 

Trotz der unbestrittenen Sinnhaftigkeit der Ertragsmethode muss allen Beteiligten klar sein, dass es sich bei der Ertragsmethode in weiten Teilen um ein pauschales Modell handelt, das nicht auf Angaben der Investoren zu deren Kalkulationsgrundlagen basiert, sondern auf allgemein zugänglichen Kennwerten. Dadurch ist allerdings eine Standardisierung und Vergleichbarkeit der Berechnung und gleichzeitig eine Unabhängigkeit von (schwer nachprüfbaren) Investorenangaben gewährleistet. Die künftige Regelung, maximal 15 % des Ertragswertes einer Investition einzufordern, ist nicht das Ergebnis einer mathematisch genauen Berechnung, sondern stellt einen praktikablen Kompromiss aus den unterschiedlichen Interessen dar.

 

 

4.Inhalte des Regensburger Baulandmodells

4.1Gesamtschau

Inhaltlich regelt das Regensburger Baulandmodell neben der Angemessenheitsprüfung zunächst die jeweiligen Anwendungsbereiche und Verfahrensfragen. Es folgen Ausführungen zu Planungs- und Erschließungskosten, Kosten für naturschutzfachliche Ausgleichsmaßnahmen, soziale Infrastrukturkosten sowie Flächenabtretungen und sonstige Rechte. Wesentliche Inhalte sind außerdem der geförderte Wohnungsbau und dessen Absicherung sowie städtebauliche Anforderungen, u.a. die Vorgabe für öffentliches Grün pro Einwohner. Im Baulandmodell werden zudem Sicherungen und Sanktionsmöglichkeiten erläutert für den Fall, dass Planungsbegünstigte ihren Verpflichtungen nicht oder nur teilweise nachkommen.

 

4.2Ankaufsrecht

Bereits am 16.07.2019 hat der Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen eine (erhöhte) verbindliche Quote für die Schaffung von gefördertem Wohnraum beschlossen. Für den Fall, dass der Planungsbegünstigte, der verpflichtete Dritte oder im Falle des Weiterverkaufs der Erwerber nach Ablauf einer Frist von 5 Jahren ab Vorliegen des Baurechts seiner Pflicht zur bezugsfertigen Herstellung des geförderten Wohnungsbaus nicht nachkommt, sieht das Baulandmodell zugunsten der Stadt Regensburg ein dinglich gesichertes Ankaufsrecht für sich selbst oder zu Gunsten Dritter über das Baufeld, welches für den geförderten Wohnungsbau im Bebauungsplan als solches festgesetzt wurde, vor.

 

Zum Zeitpunkt der o.g. Sitzung waren die Modalitäten der Ausgestaltung des Ankaufsrechts, insbesondere der Preis pro Quadratmeter, noch nicht abschließend geklärt. Der festzulegende Preis, zu dem die Stadt ggf. Grundstücke für den geförderten Wohnungsbau vom Planungsbegünstigten erwerben kann, soll einerseits niedrig genug sein, um echte Anreize für den Investor zu setzen, seine Verpflichtungen vollumfänglich zu erfüllen, darf aber auch nicht unzumutbar niedrig sein. Es wird vorgeschlagen, für das Ankaufsrecht einen Preis von 300 Euro pro Quadratmeter bei einer GFZ von 1,0 anzusetzen. Dieser Wert orientiert sich sowohl am bislang festgesetzten Preis von 240 Euro pro Quadratmeter als auch am Preis für Ankaufsrechte in München.

 

4.3Grün- und Freiflächen

Die Ausstattung neuer Baugebiete mit öffentlich nutzbaren Grün- und Freiflächen ist ein wichtiges städtebauliches Ziel der Stadt Regensburg. Im Rahmen der Erstellung eines städtischen Freiraumentwicklungskonzeptes wurde eine umfangreiche Bestandsanalyse durchgeführt, um Potenzial- und Defiziträume im Hinblick auf das Vorhandensein von öffentlich nutzbaren Grünflächen (im Besitz bzw. dauerhafter Verfügbarkeit der Stadt) aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang wurde auch die anteilsmäßige Verteilung der Grünflächen pro Einwohner ermittelt. Da die Herstellungspflicht von öffentlichen Grün- und Freiflächen in direktem Zusammenhang mit dem neuen Baugebiet steht, können von den Planungsbegünstigten nur jene Grünflächenkategorien gefordert werden, die kausal der Erschließung eines Bebauungsplangebietes zuzurechnen sind. Aufgrund ihrer Entfernung zur Wohnnutzung, der Größe und Ausstattung entspricht dies in den gängigen Baugebieten den Grünflächenkategorien Nachbarschafts- und Wohngebietsgrün. In der durchgeführten Analyse ergibt sich hierbei derzeit stadtweit ein durchschnittlicher Anteil von annähernd 12 Quadratmetern pro Einwohner.

 

Das Baulandmodell fordert deshalb, dass in festgesetzten reinen, allgemeinen Wohngebieten oder Mischgebieten (§§ 3, 4, 6 BauNVO) 12 Quadratmeter öffentliche Grünfläche pro errechnetem Einwohner herzustellen sind. In festgesetzten urbanen Gebieten (§ 6a BauNVO) sind 10 Quadratmeter Grünfläche pro errechnetem Einwohner herzustellen. Davon sind mindestens 6 Quadratmeter als öffentliche Grünfläche herzustellen und bis zu 4 Quadratmeter können auf Dachflächen als intensive und für die Bewohner des Gebäudes bzw. Gebietes zugängliche Dachbegrünung hergestellt werden. Bis zu 10 Prozent des errechneten Bedarfes an öffentlichen Grünflächen können befestigte Freiräume (bspw. Plätze) sein. Auf den aktuellen Status des Freiraumentwicklungskonzeptes (siehe Gliederungspunkt 1) wird an dieser Stelle nochmals hingewiesen.

 

Die im Baulandmodell festgelegten Werte sind dazu geeignet, die Qualität der wohnstandortnahen Grün- und Freiflächenversorgung im Stadtgebiet für die Zukunft zu sichern.

 

Die Ermittlung der Einwohner in Bebauungsplänen wird wie folgt durchgeführt:

Geschosswohnungsbau

1.Gesamte Geschossfläche (GF brutto) für Geschosswohnungsbau im Plangebiet

2.Ermittlung der Wohnfläche (GF netto): 78% der GF

3.Wohnfläche pro Einwohner: 39 qm

4.Ermittlung der Einwohner: Wohnfläche insgesamt/Wohnfläche pro Einwohner

Freistehende Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Kettenhäuser und Reihenhäuser

1.Gesamte Geschossfläche (GF brutto) für freistehende Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Kettenhäuser und Reihenhäuser im Plangebiet

2.Ermittlung der Wohnfläche (GF netto): 73% der GF

3.Wohnfläche pro Einwohner: 47 qm

4.Ermittlung der Einwohner: Wohnfläche insgesamt/Wohnfläche pro Einwohner

 

4.4Soziale Infrastrukturkosten

Das Baulandmodell sieht eine Beteiligung der Planungsbegünstigten an den Kosten der durch das jeweilige Baugebiet ausgelösten sozialen Infrastruktur (Kinderkrippen, Kindergärten, Horte, Grund- und Mittelschulen) vor. Dabei sollen Krippen- und Kindergartenplätze vorrangig in den jeweiligen Gebieten durch den Planungsbegünstigten selbst hergestellt werden. Für von der Stadt oder Dritten hergestellte Infrastruktureinrichtungen, die kausal durch das Baugebiet verursacht werden, ist eine Kostenbeteiligung vorgesehen.

 

Grundsätzlich ermöglicht § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Im Rahmen der Kostenübernahme muss dabei stets ein sowohl örtlicher als auch zeitlicher kausaler Zusammenhang zwischen dem beabsichtigten Vorhaben und den dadurch veranlassten Folgeeinrichtungen bestehen.

 

Bislang wird basierend auf Werten aus dem Jahr 2007 in städtebaulichen Verträgen ein Folgelastenbeitrag von rd. 3.100 € pro Wohneinheit im Geschosswohnungsbau und rd. 5.200  pro Wohneinheit im Individualhausbau als Ablösungsbetrag vorgesehen, wobei Eigenleistungen des Vertragspartners auf diese Werte angerechnet werden. Als Grundlage für die Berechnung des Zuzugs von Kindern in den einschlägigen Jahrgängen wurde bisher mit einem Kind pro Jahrgangsstufe pro 30 Wohnungen im Individuellen Wohnungsbau bzw. 50 Wohnungen im Geschossbau gerechnet. Die Werte sind seit 2007 unverändert und wurden ebenso wie die Baukosten bisher nicht angepasst.

 

Mit der jetzt vorgesehenen Regelung wird angestrebt, diese Vorgehensweise, die sowohl die Gleichbehandlung aller Planungsbegünstigten sicherstellt als auch frühzeitige Kalkulationssicherheit schafft, grundsätzlich beizubehalten und die Berechnungsgrundlagen, die die Bedarfsermittlung und die Kosten der Einrichtungen betreffen, auf einen aktuellen Stand zu bringen.

 

Folgende Versorgungsquoten und Kosten werden dabei zugrunde gelegt:

 

 

 

 

 

Kosten pro

 

 

Jahrgänge

 

Quote

Platz

1. Kinderkrippen

3

 

35 %

24.000 €

 

 

 

 

 

 

2. Kindergarten

3,5

 

100 %

16.700 €

 

 

 

 

 

 

3. Kinderhort

4

 

40 %

26.600 €

 

 

 

 

 

 

4. Grundschule

4

 

100 %

39.000 €

 

 

 

 

 

 

5. Mittelschule

5

 

30 %

39.000 €

 

 

 

 

 

Bei den jeweiligen Kosten pro Platz handelt es sich im Bereich der Kindertagesstätten um Durchschnittswerte, die anhand bereits hergestellter oder im Investitionsprogramm eingeplanter Einrichtungen (Stand IP-Entwurf 2019/2023 - 09/2019) ermittelt wurden. Für den Schulbereich wurde auf die (nach Baukostenindex aktualisierten) Kosten der neu gebauten Kreuzschule als Referenzprojekt zurückgegriffen. Die Reduzierung der Kosten pro Platz für Kindergärten, -krippen und -horte gegenüber den im Beschluss vom Juli 2019 aufgeführten vorläufigen Beträgen ergibt sich aus der aktualisierten Datenbasis, in die nun neben den von der Stadt gebauten Einrichtungen auch die Einrichtungen einbezogen wurden, die von Dritten errichtet und von der Stadt durch Investitionskostenzuschuss gefördert werden. Ebenso waren Ansatzänderungen bei den staatlichen Förderungen zu berücksichtigen.

 

Ebenfalls mit einbezogen sind die Mittelschulen, nachdem hier sowohl im Nordverbund (Clermont-Ferrand-Schule, Konrad Mittelschule) als auch im Südverbund (Erweiterung Otto-Schwerdt-Schule, Neubau Grund- und Mittelschule im Stadtsüden) - auch bedingt durch die Ausweisung neuer Baugebiete - umfangreiche Erweiterungs- bzw. Neubaumaßnahmen geplant sind. Bei dieser Ermittlung sind die Kosten für einen ggf. notwendigen Grunderwerb nicht berücksichtigt.

 

Als Grundlage für die Berechnung des Zuzugs von Kindern in den einschlägigen Jahrgängen werden folgende Werte angesetzt:

Individueller Wohnungsbau (Einfamilien-, Doppel-, Ketten-, Reihenhäuser u. ä.):

-       ein Kind pro Jahrgangsstufe pro 15 Wohnungen

Geschosswohnungsbau:

-       ein Kind pro Jahrgangsstufe pro 40 Wohnungen

bezogen auf die Gesamtzahl der im Planungsgebiet entstehenden Wohnungen. Studentenheime und -appartements, Wohnheime und Wohnungen, die ausschließlich Senioren vorbehalten sind, werden nicht mit einbezogen, da durch diese Nutzung kein Bedarf nach Kindertagesstätten und Schulen ausgelöst wird.

 

Als Grundlage für diese Berechnung des Zuzugs wurde das tatsächliche Zuwanderungsgeschehen von in jüngerer Zeit entstandenen größeren Wohngebieten herangezogen.

 

Aus den oben genannten Bedarfsquoten und Durchschnittskosten lassen sich rechnerisch soziale Infrastrukturkosten pro Wohneinheit r die o.g. fünf Einrichtungsarten in Höhe von

rd. 22.800 € pro WE im individuellen Wohnungsbau und

rd.  8.600 € pro WE im Geschosswohnungsbau

ableiten.

 

Aus diesem Wert wird eine hälftige Beteiligung der Planungsbegünstigten entsprechend der Münchner Vorgehensweise als Finanzierungsbeitrag angesetzt.

 

Danach ergeben sich Beträge von

rd. 11.400 € pro WE individueller Wohnungsbau (derzeit 5.200 €) + 119 %

rd.  4.300 € pro WE Geschosswohnungsbau (derzeit 3.100 €)+  39 %

 

Umgerechnet auf die im Baulandmodell verwendete Bezugsgröße „Wohnfläche“ ergibt sich daraus bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 150 m2 Geschossfläche (entspricht rd. 110 m2 Wohnfläche) im individuellen Wohnungsbau und durchschnittlich 90 m2 Geschossfläche (entspricht rd. 70 m2 Wohnfläche) im Geschosswohnungsbau ein durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag von

rd. 104 € pro Quadratmeter Wohnfläche im individuellen Wohnungsbau und

rd.   61 € pro Quadratmeter Wohnfläche im Geschosswohnungsbau.

 

Mit der hälftigen Beteiligung wird einer möglichen Überfinanzierung (z. B. durch schwankende Fördersätze) begegnet und auch berücksichtigt, dass nicht für jedes Baugebiet kausale Kosten in voller Höhe nachgewiesen werden können. Dieser Kausalitätsnachweis ist für jedes Projekt/jeden städtebaulichen Vertrag erforderlich. Sollten trotz der nur hälftigen Beteiligung kausale Kosten in he des Finanzierungsbeitrages nicht nachgewiesen werden können, wäre eine Kürzung des Ablösungsbetrages vorzunehmen.

 

Im Bereich Geschosswohnungsbau liegt die Anhebung mit 39 % knapp über der Entwicklung des Baupreisindex für Wohngebäude seit Anfang 2007 mit rd. 35 % (I/2007 III/2019) und kann durchaus als moderat und angemessen bezeichnet werden. Die deutlichere Erhöhung im Bereich individueller Wohnungsbau ist vor allem verursacht durch den aktualisierten Zuzugsschlüssel von 1 Kind pro 15 WE gegenüber bisher angesetzten 1 Kind pro 30 WE, was den tatsächlichen Bedarf nur unzureichend berücksichtigt hat und jetzt angepasst worden ist. Insgesamt wird durch die Anwendung der oben genannten Beträge eine angemessene Beteiligung der Planungsbegünstigten an den der Stadt entstehenden Infrastrukturkosten erreicht.

 

 

5.glichkeiten und Grenzen des Regensburger Baulandmodells

 

Mit dem Regensburger Baulandmodell ist es gelungen, einen einheitlichen und verbindlichen Katalog sämtlicher Anforderungen und Verpflichtungen zu erarbeiten, die Planungsbegünstigte bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen erbringen müssen und die Grundlage künftiger städtebaulicher Verträge sein werden. Damit sind die Anforderungen des Beschlusses vom 04.04.2017 weitgehend erfüllt. Sowohl bei der Angemessenheitsprüfung mit der Ertragswertmethode, dem bisher erarbeiteten Berechnungstool als auch bei den zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen wird es allerdings zu einer fortlaufenden Anpassung kommen müssen.

 

Unverändert wird die Verwaltung auch künftig alle städtebaulichen Verträge nach Maßgabe der Wertgrenzen der Geschäftsordnung des Stadtrats vor Unterzeichnung dem zuständigen Gremium zur Entscheidung vorlegen.


Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt,

 

1.das Regensburger Baulandmodell, das Bestandteil dieser Vorlage ist, als Grundlage für den Abschluss künftiger städtebaulicher Verträge anzuwenden.

2.Die im Baulandmodell verwendeten Berechnungsgrundlagen werden regelmäßig überprüft und ggf. aktualisiert.

3.Spätestens nach drei Jahren berichtet die Verwaltung über die Erfahrungen mit dem Baulandmodell und trifft Aussagen zu möglichen Anpassungen des Modells.


Anlagen:

 

Das Regensburger Baulandmodell

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Baulandmodell Fassung 20.11.2019 (247 KB)