Vorlage - VO/20/16927/66  

 
 
Betreff: Energiekonzept für die ehemalige Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Amt für Stadtentwicklung   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen
21.07.2020 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt: 

 

 

1. Anlass für die Erstellung des Energiekonzepts

Im April 2019 hat der Stadtrat die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 277 für die ehemalige Prinz-Leopold-Kaserne beschlossen (VO/19/15261/61). Bestandteil des Beschlusses waren auch konkrete Planungs- und Klimaschutzziele sowie Leitziele für die weitere Entwicklung eines Innovationsquartiers. Im Beschluss werden explizit die Zielsetzungen des Energienutzungsplans sowie des Leitbilds Energie und Klima als Grundlage für das geplante Innovationsquartier genannt.

Im Hinblick auf die Aspekte Klimaschutz, Innovation und Energieversorgung sind insbesondere folgende Punkte des Beschlusses nochmals besonders hervorzuheben:

-       Das Areal der ehemaligen Prinz-Leopold-/Pionier-Kaserne soll als zukunftsweisendes „Innovationsquartier“ (IQ) entwickelt werden, welches bezahlbaren Wohnraum und attraktive Gewerbeflächen schafft, die Ziele des Leitbilds Energie und Klima konsequent umsetzt und dabei beispielhaft für eine nutzungsgemischte und soziale Quartiersentwicklung steht.

-       Das Innovationsquartier soll als energetisch optimiertes Viertel entwickelt werden. Bei Neubauten wird der Passivhausstandard und in der Bestandssanierung der Niedrigenergiestandard angestrebt. Dabei wird gleichzeitig Wert auf nachhaltige Baumaterialien, innovative Haustechnik, ökologische Energieerzeugung (bspw. Solarenergie, Geothermie, Wärmerückgewinnung) und eine schnelle Bauzeit gelegt.

-       Die Energieversorgung der gesamten Prinz-Leopold-/Pionier-Kaserne soll weitestgehend klimaneutral erfolgen. Auf die Nutzung fossiler Energieträger soll deshalb möglichst verzichtet werden.

Ausgehend von diesen Planungsvorgaben des Stadtrats hat sich für die Planungen zur Energieversorgung die Notwendigkeit ergeben, konzeptionelle Untersuchungen einzuleiten, wie im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten eine CO2-neutrale, möglichst autarke und auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung des neu geplanten Stadtteils realisierbar ist. Für Regensburg gibt es bisher noch keine Referenzprojekte dieser Größenordnung, bei denen ein derart hoher energetischer Standard verfolgt wurde. Auch deutschlandweit gibt es nur vereinzelte Beispiele (z. B. in Freiburg und Heidelberg) für eine solch ambitionierte und klimafreundliche Quartiersentwicklung.

Die Stadtverwaltung hat deshalb ein Vergabeverfahren für die Erstellung eines innovativen und auf Klimaneutralität ausgerichteten Energiekonzepts durchgeführt und das Büro Luxgreen Climadesign mit der Erstellung des Energiekonzepts für das Areal der ehemaligen Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne beauftragt. Für die Erstellung des Energiekonzepts konnte erfreulicherweise eine Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) über den Projektträger Bayern Innovativ eingeworben werden. Das StMWi fördert das Energiekonzept für die Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne mit 70 Prozent der förderfähigen Kosten.

 

2. Vorgaben für das Energiekonzept

r die Ausschreibung bzw. Bearbeitung des Energiekonzepts wurden die im Stadtratsbeschluss vom April 2019 vorgesehenen energetischen Vorgaben und Klimaschutzziele für die ehemalige Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne nochmals wie folgt konkretisiert:

-         r alle neu zu bauenden Gebäude ist mindestens der KfW-40-Standard anzunehmen

-         100-prozentige CO2-Neutralität der Strom- und Wärmeversorgung

-         Emissionsneutrale Energieerzeugung auf den jeweiligen Grundstücken oder dem Areal

-         Eine maximale Netzneutralität und Energieautarkie des Areals

-         Berücksichtigung des zukünftigen Strombedarfs für E-Mobilität

-         Es soll ein günstiger Wärmepreis und eine nachhaltige Energieversorgung sichergestellt werden

-         Es wird ein Strompreis angestrebt, der deutlich unter den marktüblichen Preisen liegt.

-         Der Umgriff des Energiekonzepts orientiert sich am Umgriff des städtebaulichen Ideenwettbewerbs (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Umgriff des Untersuchungsgebiets

 

3. Wesentliche Inhalte des Energiekonzepts

Die Erstellung des Energiekonzepts erfolgte unter Beteiligung zahlreicher Akteure. Neben der Stadtverwaltung waren auch die in die Entwicklung der Kasernenflächen involvierten städtischen Tochterunternehmen (u. a. die Stadtbau GmbH, das Stadtwerk und die REWAG) im Rahmen von regelmäßigen Arbeitsbesprechungen eingebunden. Einige Anforderungen aus dem Energiekonzept sind bereits in den Auslobungstext für den städtebaulichen Ideenwettbewerb für die Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne mit eingeflossen. Dies gilt insbesondere für die Vorgabe, dass die städtebaulichen Entwürfe ausreichend große Flächen für die Anbringung von Photovoltaikanlagen vorsehen müssen.

Das vom Büro Luxgreen Climadesign entwickelte innovative Energiekonzept beruht auf den folgenden Bausteinen:

-         Die im Quartier benötigte Energiemenge für Verbrauchsstrom, Heizung und ggf. Mobilität wird über Photovoltaikanlagen auf den Dächern, ggf. Fassaden der Gebäude und Nebengebäude sowie Freiflächen erzeugt.

-         Die benötigte Energie für Warmwasser, Heizung und ggf. Kühlung wird über die Nutzung von Umweltwärme mittels Wärmepumpen (Luft, Wasser, ggf. Kanalabwasser) gewonnen. Auf den Einsatz fossiler Brennstoffe kann deshalb vollständig verzichtet werden.

-         Die Nutzung der Umweltwärme mittels Wärmepumpen geschieht dezentral und die Verteilung erfolgt über ein besonders effizientes sogenanntes kaltes Nahwärmenetz.

-         Zur Verteilung der Brauch- und Heizwärme wird ein sogenanntes pulsierendes Netz mit dezentralen Pufferspeichern in den Wohngebäuden vorgesehen. Dies minimiert ungewollte, aber immer vorhandene Verteilverluste und trägt zur Effizienz des Systems bei.

-         In den Wohnungen kommt ausschließlich hocheffiziente Haustechnik zum Einsatz (u. a. Wohnungsübergabestationen, Energiesparduschen), die mit einer niedrigeren Vorlauftemperatur und Reduzierung des Warmwasserbedarfs (Duschen) die im Gebäude benötigte Energiemenge deutlich reduzieren.

-         Die Gebäudeheizung wird mit einer intelligenten perspektivischen Steuerung versehen, die unter anderem die Gebäudespeichermassen und solaren Gewinne berücksichtigt und so eine passgenaue Temperierung der Gebäude ermöglicht.

-         Als weiterer Innovationsbaustein muss zukünftig auch eine Power-to-X-Anlage in das Energiesystem eingebunden werden, um Stromüberschüsse aus der Photovoltaikproduktion mittels Elektrolyse zu Wasserstoff und mittels Katalyse in Methan umzuwandeln. Dieses erneuerbar produzierte Gas ließe sich vor Ort speichern und in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) nutzen, um eine Strom- und Wärmeversorgung des Quartiers auch in der kalten Jahreszeit sicher zu stellen.

Die Wirkungsweise der aufgeführten Bausteine mündet in drei Rahmenbedingungen des Innovations-Quartiers, die als übergeordnete Leitplanken für die weitere Umsetzungsplanung dienen sollen:

-         Die Energieerzeugungsflächen (PV) entsprechen 25 Prozent der Bruttogeschossfläche der Gebäude des zu versorgenden Quartiers,

-         die CO2-Emission wird auf 0,2 t pro Jahr und Wohneinheit begrenzt für die Bereitstellung von Wärme und lte.

-         der zu erreichende Autarkiegrad für Wärme, Kälte und privaten Haushaltsstrom wird auf 85 Prozent festgelegt.

Weitere Details sind der Kurzfassung des Energiekonzepts im Anhang zu entnehmen.

 

4. Weiteres Vorgehen und Ausblick

Das hier vorgelegte Energiekonzept ist eine wesentliche Basis für die weiteren Überlegungen zur Energieversorgung des neuen Stadtteils auf den ehemaligen Kasernenflächen. Es zeigt Einsparmöglichkeiten und erneuerbare Erzeugungspotenziale sowie Wege für eine effiziente Netzgestaltung auf. Die im Konzept enthaltenen Vorschläge müssen in den folgenden Fachplanungen weiter konkretisiert werden. Dies trifft insbesondere für die Planungen der Stadtbau GmbH für den ersten Bauabschnitt auf der Prinz-Leopold-Kaserne zu. Angesichts der vermutlich langfristigen Gesamtentwicklung der Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne muss das Energiekonzept auch auf eventuelle technologische Innovationen hin flexibel angepasst werden können. Im Energiekonzept wird z. B. durch eine dezentrale Energieversorgung (Cluster), welche durch clusterübergreifende Energietrassen verbunden sind, dieser Technologieoffenheit entsprochen. Die vorgesehenen anbaufreien Flächen (Grüngürtel) gehrleisten ausreichend Platz für die unterirdische Anordnung der notwendigen Energiespeicher. Dadurch können gegebenenfalls zukünftige Innovationen an dieser Stelle in das vorhandene System integriert werden. Auch eine Anpassung des Konzeptes auf zukünftige Fördermittel des Freistaates Bayern, des Bundes und anderer sind in diesem System möglich (beispielsweise im Bereich der Wasserstofftechnologie).

Das Areal der ehemaligen Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne ist auf absehbare Zeit die letzte große Konversionsmaßnahme in Regensburg. Es bietet sich deshalb die große Chance, dass die Stadt Regensburg auf ihren eigenen Flächen ihrer Vorbildfunktion im Klimaschutz gerecht wird. Eine Umsetzung des Konzepts wäre ein wichtiger Meilenstein für die Erreichung der eigenen Klimaschutzziele der Stadt Regensburg, wie sie im Leitbild Energie und Klima verankert sind. Sollte es gelingen, in den kommenden Jahren das vorgestellte Energiekonzept auf dem Areal der ehemaligen Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne umzusetzen, wäre dies ein Leuchtturmprojekt für zukunftsfähige Stadtentwicklung, welches sowohl für Regensburg als auch überregional deutliche Strahlkraft entwickeln könnte.

Durch eine energetische Anbindung an den benachbarten Sportpark-Ost (SPO) könnte die ökologische und ökonomische Effizienz des PLK Konzeptes noch weiter gesteigert werden. Derzeit ist eine Verbindung durch eine Stromdirektleitung und eine Nahwärmeleitung angedacht. Da für den Sportpark-Ost noch kein Energiekonzept vorliegt und die Erkenntnisse der PLK nicht direkt übertragen werden können, ist derzeit nur der wechselseitige Austausch von Überschüssen denkbar. Aber auch für diese einfache Form der energetischen Ergänzung der Gebiete, ist im weiteren Planungsablauf ein enger Austausch erforderlich und zu initiieren, um Schnittstellen in der Gebäudesteuerung zu erzeugen, die für beide Gebiete wechselseitig erkennen lässt, wann ein Bedarf bzw. ein Überschuss vorliegt. Eine feingliedrige Verzahnung der Energieströme von PLK zu SPO und eine dadurch erwünschte hohe Reduzierung der CO2-Emissionen, erscheint ohne eine weitere detaillierte Untersuchung des SPO nicht umsetzbar.

r die Umsetzung des vorgestellten Energiekonzepts ist im Vergleich mit einer konventionellen Versorgung mit fossilen Brennstoffen (z. B. gasbetriebenes BHKW) von deutlich höheren Investitionskosten auszugehen. Diese entstehen insbesondere für die Wärmeversorgung und die Speicherung von Stromüberschüssen aus Photovoltaikanlagen, die in den sonnenreichen Monaten anfallen. Um diese Mehrkosten für eine klimaneutrale Strom- und Wärmeversorgung auszugleichen, müssen für die Umsetzung in jedem Fall passende Förderprogramme genutzt werden. In einem ersten Schritt ist geplant, r eine Machbarkeitsstudie einen Förderantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für effiziente Wärmenetze (Wärmenetze 4.0) zu stellen. Bei Berücksichtigung dieser Förderung ist davon auszugehen, dass das innovative Power-To-X-System ähnlich wirtschaftlich wie ein konventionelles BHKW-System betrieben werden kann.

Bei der Bewertung des Energiekonzepts darf jedoch nicht nur auf eventuelle kurzfristige Investitionsmehrkosten geachtet werden. Eine von fossilen Energieträgern unabhängige Energieversorgung bietet für die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Stadtteils den großen Vorteil, dass man von zu erwartenden Preissteigerungen bei den fossilen Energieträgern unabhängig ist. Beispielhaft für diese Preissteigerungen ist die ab dem Jahr 2021 beginnende CO2-Bepreisung von fossilen Brennstoffen, die bei einer konventionellen Energieversorgung über die Nebenkosten auch an die Endverbraucher durchgereicht werden muss. Eine Energieversorgung mit erneuerbaren Energien ist deshalb nicht nur klimapolitisch geboten, sondern sorgt letztlich auch für langfristig preisstabile Wohnnebenkosten und hat damit auch eine soziale Dimension.


Der Ausschuss beschließt:

 

  1. Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen.
     
  2. Die Inhalte und Bausteine des Energiekonzepts sollen als Grundlage für die weiteren Fachplanungen zur Entwicklung der ehemaligen Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne dienen.

 


Anlage:

 

Kurzbericht Energiekonzept PLK

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1_Kurzbericht Energiekonzept PLK_Endfassung_200629_trm (1440 KB)