Vorlage - VO/20/16942/20  

 
 
Betreff: Minderung und Erlass von Miet-/Pachten für gewerbliche Mieter/Pächter der Stadt Regensburg aufgrund der Covid-19-Pandemie
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Wirtschafts-, Wissenschafts- und Finanzreferent Prof. Dr. Barfuß
Federführend:Stadtkämmerei   
Beratungsfolge:
Ferienausschuss Entscheidung
25.08.2020 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ferienausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

 

Sachverhalt: 

 

Die Bundesrepublik Deutschland sowie der Freistaat Bayern haben aufgrund der Covid-19-Pandemie seit März 2020 verschiedene Betriebsverbote und beschränkungen für Gewerbebetriebe und öffentliche Einrichtungen, sowie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen für die Allgemeinheit erlassen.

 

Von diesen Maßnahmen sind auch die Mieter/Pächter der städtischen Gewerbeeinheiten in unterschiedlicher Ausprägung betroffen. Vielen Gewerbebetrieben entstanden und entstehen auch derzeit noch erhebliche wirtschaftliche Verluste. Es kommt auf Seiten der Mieter/Pächter pandemiebedingt vermehrt zu Liquiditätsengpässen.

Dies wird auch dadurch deutlich, dass in der Vergangenheit mehrere Anfragen bei der Stadt Regensburg und ihren Töchtergesellschaften auf Reduzierung bzw. Erlass des Miet-/Pachtzinses eingegangen sind.

 

Seitens der Stadt wird bislang auf Antrag die Möglichkeit der vereinfachten zinslosen Stundung von gewerblichen Miet- und Pachtzahlungen bis zum 30.09.2020 bzw. bis zum 31.12.2020 eingeräumt. Nach dem Ende der Stundung wird den Mietern bzw. Pächtern eine zinslose Ratenzahlung in Aussicht gestellt. Dieses Angebot bringt den städtischen gewerblichen Mietern/Pächtern eine temporäre finanzielle Entlastung. Für einzelne Mieter/chter ist die bloße Stundung aber nicht ausreichend und kann im Einzelfall zu einer Existenzgefährdung führen.

 

Die Stadt Regensburg unterhält derzeit circa 200 gewerbliche Miet-/Pachtverhältnisse. Daneben unterhalten die städtischen Tochterunternehmen derzeit weitere circa 210 gewerbliche Miet-/Pachtverhältnisse (jeweils Stand Juni 2020).

 

 

Rechtliche Bewertung:

 

Die Bayerische Gemeindeordnung (BayGO) verbietet den Kommunen einen pauschalen bzw. vollständigen Verzicht oder Erlass des vertraglich geschuldeten Miet-/Pachtzinses. Nach Art. 62 II Nr. 1 BayGO haben die Gemeinden die erforderlichen Einnahmen aus besonderen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen zu beschaffen, soweit dies vertretbar und geboten ist. Des Weiteren ist gem. Art. 61 II BayGO die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu planen und zu führen. Zudem ist nach Art. 75 II BayGO bei einer Vermietung bzw. Verpachtung durch die Stadt ein verkehrsübliches, angemessenes Nutzungsentgelt zu erzielen.

Der Deutsche Städtetag sieht in seinem Rundschreiben vom 07.04.2020 als primäre Unterstützungsmaßnahme (Liquiditätshilfe) der Städte und Gemeinden für Unternehmen zur Bewältigung der Auswirkungen des Coronavirus die Gewährung von Stundungen und betont, dass ein Erlass von Mieten und Pachten in der Regel nicht erfolgen sollte.

 

Gleichwohl kann eine Miet-/Pachtreduzierung im Einzelfall haushaltsrechtlich gerechtfertigt sein. Nachfolgend werden verschiedene Rechtfertigungsgründe dargestellt, die für jedes Miet-/Pachtverhältnis gesondert zu prüfen sind. Sollte keiner der genannten Gründe vorliegen, ist eine Miet-/Pachtreduzierung nicht begründbar.

 

  1. Bestehen eines Rechtsanspruchs auf Miet-/Pachtreduzierung

 

Sofern der jeweilige gewerbliche Mieter/Pächter einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf eine Reduzierung des Miet-/Pachtzinses hat, werden mit dem Erlass bzw. Teilerlass lediglich bestehende Ansprüche umgesetzt. Es liegt sodann kein unzulässiger Forderungserlass seitens der Stadt vor.

 

  1. Anspruch aus Vertrag

Die Miet- oder Pachtzahlungsverpflichtung des Mieters/Pächters kann entfallen, wenn der einschlägige Vertrag eine entsprechende Regelung dazu vorsieht. Die Vertragsparteien müssten explizit eine vertragliche Regelung zu diesem außergewöhnlichen Ereignis getroffen haben, was in den seltensten Fällen gegeben sein dürfte.

 

  1. Mangel der Mietsache/Pachtsache

 

Der Mieter ist grundsätzlich zur Zahlung des Miet- bzw. Pachtzinses verpflichtet, vgl. § 535 II BGB, § 581 I 2 BGB. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Mangel der Miet-/Pachtsache vorliegt, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt. In diesem Fall steht dem Mieter/Pächter eine rechtsvernichtende Einwendung gegen den Anspruch auf Miete/Pacht zu, § 536 I 1, 2 BGB, § 581 II BGB.

Bei der Beurteilung, ob ein Mangel der Miet-/Pachtsache aufgrund der Nichtnutzbarkeit der Gewerbefläche vorliegt, wird zwischen objektbezogenen und betriebsbezogenen Nutzungsuntersagungen unterschieden. Bei einer objektbezogenen Untersagung (z.B. wegen einer fehlenden Baugenehmigung) wird ein Mangel der Miet-/Pachtsache angenommen, welchen den Mieter/Pächter von der Entrichtung der Miete/Pacht befreit. Eine betriebsbezogene Nutzungsuntersagung liegt demgegenüber grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Mieters/Pächters. Ein Mangel der Miet-/Pachtsache kann nicht angenommen werden.

Die Covid-19-Maßnahmen knüpfen an die Art des Betriebes an und sind daher betriebsbezogen. Somit stellt die Nichtnutzbarkeit einer Gewerbefläche aufgrund der behördlich verordneten Einschränkungen grundsätzlich keinen Mangel der Miet-/Pachtsache dar, der eine Miet-/Pachtminderung rechtfertigen kann. Den gewerblichen Mieter bzw. Pächter trifft das sog. Betriebsrisiko bzw. Verwendungsrisiko. D.h. es liegt in seiner Risikosphäre, ob er die Miet-/Pachtsache für seine Zwecke nutzen kann und damit insbesondere Gewinne erzielen kann. Eine Befreiung von der Miet-/Pachtzahlung ist nicht angezeigt.

 

Anders ist dies im Einzelfall zu beurteilen, wenn der Grund für die Nichtnutzbarkeit im Verantwortungsbereich der Stadt als Vermieter bzw. Verpächter liegt. Dies kann im Ausnahmefall angenommen werden, wenn der jeweilige Mieter/Pächter seine Fläche betriebsbedingt eigentlich nutzen dürfte, aber der Zutritt nicht möglich ist, da das gesamte Gebäude einem Nutzungsverbot unterliegt. Das Gebrauchshindernis hat in dieser Sondersituation mit der Lage der Miet-/Pachtsache zu tun. In dieser Konstellation liegt ein Mangel der Miet-/Pachtsache vor und die Zahlungspflicht des Mieters/Pächters entfällt für den Zeitraum der behördlichen Anordnung.

 

Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.07.2011, AZ: XII ZR 189/09). Danach kann ein Mangel des Miet-/Pachtobjekts aufgrund nachträglicher Gebrauchsbeschränkungen angenommen werden, wenn diese unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Miet-/Pachtobjekts im Zusammenhang stehen. Das bloße Verwendungsrisiko bezüglich des Miet-/Pachtobjekts trägt dagegen grundsätzlich der Mieter/Pächter.

 

  1.  Vorübergehende Unmöglichkeit der vermieterseitig geschuldeten Überlassung

 

In einer Vielzahl der gewerblichen Miet-/Pachtverträge wird ein sog. Miet- und Nutzungszweck festgelegt sein. Dieser vereinbarte Nutzungszweck verpflichtet den Vermieter/-pächter, dem Mieter/Pächter ein Miet-/Pachtobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.

Kann der Miet-/Pachtzweck, beispielsweise die Nutzung als Einzelhandelsgeschäft, infolge einer behördlichen Anordnung nicht mehr erreicht werden, könnte hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vermieter-/verpächterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Zweck zu sehen sein. Gesetzliche Folge wäre, dass der Mieter/Pächter von der Gegenleistung (Zahlung der Miete bzw. Pacht) befreit ist und zwar für die gesamte Zeit der Unmöglichkeit.

Dieser Ansatz ist jedoch nicht auf die coronabedingten behördlichen Anordnungen zu übertragen. Der Vermieter bzw. Verpächter ist nur zur Überlassung der Mietsache in einem generell zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand verpflichtet. Diese Leistung wurde mit der Übergabe der Miet-/Pachtsache bereits erbracht und war auch unter Geltung der behördlichen Pandemievorschriften nach wie vor möglich

 

  1. Störung der Geschäftsgrundlage

 

Des Weiteren ist ein Anspruch auf Anpassung des jeweiligen Miet-/Pachtvertrages wegen dem Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 I, II BGB denkbar. Dies setzt voraus, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Venderung vorausgesehen hätten. Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen. Zudem darf einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der gesetzlichen oder vertraglichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden können.

r die Beurteilung, was die jeweilige Geschäftsgrundlage bildet, ist auf den konkreten Vertrag und die Vorstellung der Parteien abzustellen. Maßgeblich sind der hypothetische Parteiwille und die Frage, ob die Parteien, wenn sie die Pandemie und deren Auswirkungen vorausgesehen hätten, für diesen Fall eine zumindest teilweise Reduzierung des Mietzinses vereinbart hätten.

Der § 313 BGB stellt eine Ausnahmevorschrift dar, der nur in besonderen Fallkonstellationen zur Übertragung des Risikos auf die Stadt führen darf. Der Anspruch scheidet grundsätzlich aus, wenn eine eindeutige gesetzliche oder vertragliche Risikozuweisung vorliegt.

Ob bei einzelnen Mietern/Pächter ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages aufgrund der Pandemie besteht, muss im Einzelfall geprüft werden. Dabei ist wiederrum zu berücksichtigen, dass beim gewerblichen Miet- und Pachtvertrag das Betriebsrisiko/Verwendungsrisiko grundsätzlich beim Mieter/Pächter liegt, sofern der Vermieter/-pächter dies nicht ausdrücklich vertraglich übernommen hat. Folglich besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB. Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn das Betriebs- und Verwendungsrisiko aufgrund besonderer Regelungen ausnahmsweise beim Vermieter liegen würde (z.B. bei Vereinbarung einer reinen Umsatzmiete/-pacht). Dabei ist auch zu beachten, wie stark der jeweilige Mieter/Pächter von der behördlichen Anordnung betroffen ist.

Nach überwiegend vertretener Auffassung in der Literatur besteht in Fällen vorübergehender Betriebsschließung aufgrund der Covid-Maßnahmen kein Anpassungsanspruch nach 313 BGB. Mangels einer aktuellen Rechtsprechung zur Covid-19-Pandemie ist die Rechtslage diesbezüglich allerdings nicht als geklärt anzusehen.

 

 

 

 

  1. ngerfristige Wirtschaftlichkeitsüberlegungen

 

Eine Reduzierung der Miete/Pacht bzw. ein temporärer Verzicht kann im längerfristigen wirtschaftlichen Interesse der Stadt Regensburg liegen. Dieses Interesse kann den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im Sinne des Art. 61 II 1 GO entsprechen, wenn eine Insolvenz oder eine Kündigung durch den Mieter/Pächter durch den teilweisen Erlass vermieden werden kann. Weitergehende Miet- bzw. Pachtausfälle oder längerfristige Leerstände können dadurch verhindert werden.

Es ist im Einzelfall eine Bewertung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Mieters/Pächters durchzuführen und zu prüfen, inwieweit der Mieter/Pächter tatsächlich aufgrund der Covid-19-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist und ob ein längerfristiger Miet-/Pachtausfall zu befürchten ist. Seitens der Mieter/Pächter sind die Liquiditätsengsse durch ein entsprechendes Testat eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters unter Beifügung aussagekräftiger Unterlagen wie Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen schriftlich zu versichern. Des Weiteren ist im Testat darzulegen, dass im Fall von juristischen Personen des Privatrechts bzw. Personengesellschaften die betroffenen Gesellschafter bei Liquiditätsengpässen vorrangig ihrer Nachschussverpflichtung nachgekommen sind. Diese kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag, aus der Satzung oder aus dem Gesetz ergeben. Bevor ein Erlass bzw. eine Minderung der Miete/Pacht seitens der Stadt in Betracht kommt, müssen die Gesellschafter dieser Verpflichtung nachkommen und eine angemessene und zumutbare Geldleistung über die maßgebliche Stammeinlage hinaus einbringen. Eine Unmöglichkeit der Leistung solcher Zuschüsse ist im Testat nachzuweisen. In analoger Weise sind auch erfolgte Privatentnahmen darzulegen.

Eine Reduzierung der Miete/Pacht bzw. ein temporärer Verzicht ist nicht zulässig, wenn die Liquiditätslage bereits vor Ausrufung des Katastrophenfalls in Bayern am 16.03.2020 erheblich und prognostisch dauerhaft in existenzbedrohender Weise angespannt war. Auch hierzu ist im Testat zwingend eine Feststellung zu treffen.

 

  1. Mietreduzierung bei Unbilligkeit

 

Des Weiteren kommt ein Miet-/Pachterlass aus Billigkeitsgründen nach § 32 I KommHV-Kameralistik in Verbindung mit § 227 AO in Betracht. Danach können Ansprüche nur dann ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

 

Die Stadt handelt bei dem Abschluss eines Miet- bzw. Pachtvertrages im Sinne von § 535 BGB bzw. § 581 BGB in privatrechtlicher Form. Dennoch kann der Rechtsgedanke der einschlägigen Vorschrift der Abgabenordnung zur Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen und sparsamen Handels angewandt werden.

Die gemäß § 227 AO geforderte Unbilligkeit kann in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen liegen.

 

Ein Erlass bzw. eine Reduzierung nach Unbilligkeitsgesichtspunkten sollte den absoluten Ausnahmefall darstellen. Der jeweilige Mieter/Pächter muss alleine aufgrund der fortdauernden Miet-/Pachtzahlungen in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Ein möglicher Erlass muss sich auf die wirtschaftliche Lage des Mieters/Pächters konkret auswirken. Keine Unbilligkeit liegt hingegen vor, wenn ohnehin eine wirtschaftliche Existenzgefährdung vorliegt und der Miet- bzw. Pachterlass daran nichts ändern kann.

 

Aufgrund dieser strengen Voraussetzungen kommt ein Miet-/Pachterlass aus Billigkeitserwägungen erst in Betracht, wenn die Wirtschaftlich-keitserwägungen für einen Erlass nicht ausreichend sind.

 

  1. glichkeit einer Vertragsänderung

 

Es bestünde die Möglichkeit, befristet für die Dauer der staatlichen Beschränkungen, die betroffenen Miet- oder Pachtverträge hinsichtlich der Miet-/Pachthöhe zu ändern. Beispielsweise könnte eine reine Umsatzpacht vereinbart werden. Für den staatlichen Bereich wird dies vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat mit Schreiben vom 7. Mai 2020 unter Verweis auf Art. 58 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO)thematisiert.

Aus Sicht der Verwaltung wird allerdings keine Notwendigkeit gesehen, Miet-/Pachtverträge temporär zu ändern/anzupassen. Vertragliche und gesetzliche Regelungen, sowie insbesondere der Aspekt der längerfristigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen (siehe unter 2.) bieten Wege, um zu einer rechtssicheren und interessengerechten Lösung für beide Vertragspartner zu kommen. So wird durch eine vergleichsweise Einigung zwischen den Parteien in den Fällen der längerfristigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen das beabsichtigte Ergebnis der Vermeidung einer Insolvenz ebenso erreicht ohne ein aufwändiges (temporäres) Vertragsänderungsverfahren

 

 

Fazit:

 

Eine pauschale Stundungs- oder Erlassregelung ohne Einzelfallprüfung ist gesetzlich nicht zulässig. Es ist stets eine einzelfallbezogene Prüfung des Sachverhaltes vorzunehmen. Die Gewährung eines Erlasses ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich.

Eine Miet-/Pachtreduzierung seitens der Stadt kann nicht gerechtfertigt werden, sofern ein gewerblicher Mieter/Pächter nicht unter die vorgenannten Konstellationen fällt. Dies würde nicht den Anforderungen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen, sondern letztlich eine kommunalrechtlich unzulässige direkte Wirtschaftsförderung darstellen. Die direkte Wirtschaftsförderung ist keine kommunale Aufgabe.

 

Der Mieter/Pächter ist von der Entrichtung der Miete/Pacht befreit, wenn dieser einen vertraglichen Anspruch (vgl. unter 1. a.) geltend machen kann oder ein Mangel der Miet-/Pachtsache (vgl. unter 1. b.) vorliegt.

Sollte ein Anspruch auf Anpassung des Miet-/Pachtzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. unter 1. d.) bestehen, ist der Inhalt des Vertrages an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Konkret ist die Verpflichtung des Mieters/Pächters zur Zahlung der Miete/Pacht anzupassen.

Sofern eine (teilweise) Reduzierung der Miete/Pacht im längerfristigen wirtschaftlichen Interesse der Stadt liegt (vgl. unter 2.), ist der Miet-/Pachtzins entsprechend der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu reduzieren. Dies gilt gleichermaßen bei einer Mietreduzierung aus Billigkeitsgründen (vgl. unter 3.). Dabei ist grundsätzlich eine vergleichsweise/einvernehmliche Regelung zum Miet-/Pachterlass zu treffen. Die konkrete Höhe und Zeitdauer des jeweiligen Miet- oder Pachterlasses ist im Einzelfall sachgerecht durch das jeweils zuständige Fachamt im Benehmen mit der Stadtkämmerei zu bestimmen und zu dokumentieren.

 

 

Praktischer Verfahrensablauf:

 

Um die erforderliche Einzelfallentscheidung treffen zu können, hat der gewerbliche Mieter/Pächter einen schriftlichen Antrag beim für ihn zuständigen sdtischen Amt zu stellen. Der Antrag hat grundsätzlich folgende Informationen zu enthalten:

 

- Miet-/Pachtzweck (Verkaufsraum, Büro, Kiosk o.ä.)

- Begründung des Antrags unter Darlegung und schriftlicher Versicherung finanzieller Schwierigkeiten aufgrund der Covid-19-Pandemie durch Vorlage eines Testats eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters (wie unter 2. ausgeführt)

- Höhe und Zeitdauer des beantragten Erlasses bzw. der beantragten Minderung

 

 

Des Weiteren ist darzulegen, dass bereits beantragte Soforthilfemittel und sonstige pandemiebezogenen Förder- bzw. Liquiditätsmittel des Bundes und des Freistaates Bayern nicht ausreichend sind / waren, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern.

Derartige Fördermittel sind grundsätzlich vorrangig einzusetzen.

In diesem Zusammenhang weisen wir auf das aktuelle Überbrückungshilfeprogramm des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen vom 10.07.2020 hin. Zu den förderfähigen Kosten zählen dabei insbesondere auch Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen.

 

Sollte die Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zu einer Reduzierung des Miet-/Pachtzinses führen, ist darüber eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Stadt als Vermieter/Verpächter und dem Mieter/Pächter zu treffen. Insbesondere die durch die Kommune vorgenommene Bewertung der finanzielle Lage des Mieters/Pächters ist aktenmäßig im Einzelfall zu dokumentieren. Die Dauer einer Reduktion ist unbedingt zeitlich zu begrenzen und darf nur Zeiträume pandemiebedingter Einbußen umfassen. Gleichzeitig hat sich der Mieter/Pächter zu verpflichten, keine weiteren Rechtsansprüche gegen die Stadt Regensburg geltend zu machen.

 

 

Europäisches Beihilferecht:

 

Alle genannten Möglichkeiten der Miet-/Pachtreduzierung sind beihilferechtlich zulässig. Es liegt keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 I AEUV vor, da es am Tatbestandsmerkmal der Begünstigung bzw. an der Binnenmarktrelevanz fehlt. Sofern ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch (vgl. unter 1.) auf Miet-/Pachtreduzierung besteht, kann bereits tatbestandlich keine Begünstigung angenommen werden. Es werden lediglich bestehende Ansprüche umgesetzt.

Ansonsten greift  der Private-Investor-Test: Es entspricht einem marktwirtschaftlichen Handeln, wenn ein Gläubiger seinem Schuldner in einer unverschuldeten allgemeinen Wirtschaftskrise vertraglich vereinbarte Zahlungen teilweise erlässt, um sich den Schuldner als wichtigen Vertragspartner zu erhalten (vgl. unter 2.).

Eine Mietreduzierung aus Billigkeitserwägung (vgl. unter 3.) entspricht hingegen nicht dem Handeln eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Markteilnehmers. In diesem Ausnahmefall ist jedoch das Risiko der Binnenmarktrelevanz als gering einzuschätzen, zumal ein Miet-/Pachterlass nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt wird. Sollte die Binnenmarktrelevanz im Einzelfall nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, wird abschließend auf die Möglichkeit der Anwendung der de-minimis-Verordnung (Beihilfe in Bagatellfällen) verwiesen.

 

 

Städtische Töchtergesellschaften:

 

Seitens der Stadt wird sämtlichen städtischen Töchtergesellschaften ein identischer Prüfungsablauf unter Anwendung dieses Beschlusses empfohlen. Es soll dadurch ein konzerneinheitliches Vorgehen sichergestellt werden. In den jeweiligen Aufsichtsräten sind diese Regelungen zur Beschlussfassung vorzulegen. Inwieweit jede Einzelfallregelung sodann den Gremien vorzulegen ist, obliegt dem Vorgehen der Gesellschaften.

  19.08.2020

  1/6


Der Stadtrat beschließt:

 

1.      Der geschuldete Miet-/Pachtzins der gewerblichen Mieter bzw. Pächter der Stadt Regensburg ist im Einzelfall und auf Antrag bei Vorliegen der im Sachverhalt näher erläuterten Voraussetzungen zu erlassen bzw. entsprechend der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu reduzieren.

 

2.      Die Stadt Regensburg empfiehlt ihren Töchtergesellschaften eine entsprechende Anwendung der Regelungen zur Minderung und Erlass von gewerblichen Mieten/Pachten.