Vorlage - VO/22/19330/66  

 
 
Betreff: Sachstandsbericht zu den Regensburg Arcaden: Umstrukturierungen im Branchenmix und Nachbesetzung leerstehender Flächen
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Amt für Stadtentwicklung   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Vorberatung
20.09.2022 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
29.09.2022 
Nichtöffentliche/öffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt: 

 

 

1. Anlass

 

Zur nachhaltigen Positionierung der Regensburg Arcaden beabsichtigt die CGI Grundstück GmbH & Co. Regensburg Arcaden KG Umstrukturierungen und Optimierungen im Branchenmix sowie eine Nachbesetzung der leerstehenden Flächen vorzunehmen.

 

 

1.1. Bauantrag Februar 2022: Ansiedlung Zara und Erweiterung H&M

 

In einem ersten Bauantrag im Februar 2022 wurden folgende Vorhaben beantragt: 

 

  • Ansiedlung von ZARA in den Regensburg Arcaden mit knapp 2.400 qm Verkaufsfläche auf der ehem. Medimax Fläche sowie angrenzenden Flächen
    (einhergehend mit der Schließung der ZARA Filiale am Neupfarrplatz mit 1.500 qm Verkaufsfläche)
  • Erweiterung von H&M von bisher rund 1.400 qm auf dann rund 2.200 qm Verkaufsfläche inkl. H&M Home Wohnbedarf

 

Gemäß dem städtischen Einzelhandels- und Zentrenkonzept wird bei großflächigen Sortimentsansiedlungen/-erweiterungen im zentrenrelevanten Bereich die Erarbeitung eines Verträglichkeitsgutachtens gefordert. Die bulwiengesa AG untersuchte und prüfte im Auftrag der Regensburg Arcaden die Maßnahmen durch eine vorhabenbezogene Auswirkungsanalyse mit dem Ergebnis, dass die Auswirkungen als verträglich für die Altstadt und die weiteren zu schützenden zentralen Versorgungsbereiche zu bewerten sind.

 

Von Seiten des Amtes für Wirtschaft und Wissenschaft und dem Amt für Stadtentwicklung wurde ein Gespräch mit der Eigentümerin und dem Centermanagement der Regensburg Arcaden und dem Expansionsleiter der Inditex-Gruppe (ZARA) gesucht.

Hintergrund war der Austausch darüber, ob nicht doch eine Möglichkeit besteht, ZARA als bedeutender Frequenzbringer in der Altstadt zu halten. ZARA verfolgt eine strikte Standortpolitik mit höchsten Anforderungen an die Immobilie. Weder die Immobilie am Neupfarrplatz, noch andere Immobilien in der Altstadt können diese Anforderungen erfüllen. Eine Filiale über mehrere Ebenen, Einschränkungen durch den Denkmalschutz etc. akzeptiert das Unternehmen nicht (mehr), welches die Filialnetze neu sortiert. Wäre die Fläche in den Arcaden nicht zur Verfügung gestanden, so hätte gemäß Expansionsleiter der Inditex-Gruppe ZARA den Standort Regensburg verlassen.

 

Neben der Inditex-Gruppe optimiert auch H&M seine Filialstruktur. In einer Stadt mit mehreren Filialen werden einzelne Filialen vergrößert und die oftmals unwirtschaftlicheren Standorte in der Innenstadt geschlossen. In München sorgte 2019/2020 die Schließung von zwei Filialen in der Fußngerzone für Aufsehen, gilt doch die Münchner Fußngerzone als eine der besten Lagen für den Einzelhandel in Deutschland. Aber die Mieten in der Innenstadt seien für die schwedische Modekette zu teuer. Auch in Regensburg ist zu befürchten, dass der Standort Königsstraße das Nachsehen gegenüber den Shoppingcentern haben könnte.

 

 

1.2 Bauantrag Juli 2022, Ansiedlung Pull & Bear und Bershka

 

In einem zweiten Bauantrag, der im Juli 2022 vorgelegt wurde, werden nunmehr folgende Vorhaben beantragt:

  • Ansiedlung Pull & Bear mit rund 600 qm Verkaufsfläche
  • Ansiedlung Bershka mit rund 850 qm Verkaufsfläche

 

Beides sind, genau wie ZARA, Textilunternehmen der spanischen Inditex-Gruppe, die sich bevorzugt in räumlicher Nähe zu ZARA ansiedeln. Die expandierenden Vertriebslinien sind bislang weder in Regensburg noch im Einzugsbereich, noch in den umliegenden Oberzentren vorhanden.

 

Mit der Ansiedlung von Pull & Bear in den Regensburg Arcaden würde die erste Filiale in Bayern entstehen, elf Filialen gibt es derzeit in Deutschland. Der Einzelhändler verkauft Eigenlabels und die Zielgruppe sind vornehmlich junge Menschen.

Bershka verfügt über derzeit 14 Filialen in Deutschland. Im Spätsommer 2022 wird in der Neu-Ulmer Glacis-Galerie die erste Filiale in Bayern eröffnet, die Filiale in den Regensburg Arcaden wäre somit die zweite in Bayern. Die Zielgruppe des Einzelhändlers sind ebenfalls junge Menschen, wobei das Preisniveau von Bershka etwas unter dem von Pull & Bear liegt und die Anbieter sich damit auch in Teilen ergänzen.

 

Auch bei der Ansiedlung dieser Textilunternehmen ergab das Gespräch mit dem Expansionsleiter der Inditex-Gruppe, dass ausschließlich ein Standort in den Regensburg Arcaden für die Ansiedlung in Betracht komme, um den hohen Anforderungen an die Einzelhandelsfläche zu genügen.

 

Die bulwiengesa AG wurden von den Regensburg Arcaden mit einer erneuten Standort-, Markt- und Wirkungsanalyse beauftragt. Die Auswirkungen der Ansiedlung von Pull & Bear und Bershka im Center im Sortiment Bekleidung sollten untersucht werden - insbesondere auf die Regensburger Altstadt und deren Attraktivität und Leistungskraft. Zusätzlich sollten die kumulativen Wirkungen aller Vorhaben (erster und zweiter Bauantrag) auf die Regensburger Altstadt ermittelt und bewertet werden.

 

ERGEBNIS:
Unter Annahme des Worst-case Szenarios, d.h. dass der ehem. ZARA-Standort am Neupfarrplatz nicht durch einen Modeanbieter nachbelegt wird, verringert sich der Umsatz im Sortiment Bekleidung / Textil im zentralen Versorgungsbereich Altstadt durch die vier Projektvorhaben um 8,9 Mio. Euro. Dies entspricht einer Umsatzumverteilung von - 8,3 Prozent (siehe Seite 36 f. Standort-, Markt- und Wirkungsanalyse Regensburg Arcaden Ansiedlung Pull & Bear).

In zahlreichen Gutachten und gerichtlichen Urteilen basiert die Einordnung und Bewertung, ab welchem Umverteilungsvolumen gemäß den relevanten städtebaulichen und raumordnungsplanerischen Kriterien "wesentliche" oder gar "schädigende" Wirkungen (z. B. dauerhafte Frequenz- und Umsatzverluste, welche in irreversible Betriebsaufgaben, Leerstandsbildung, Angebot- und Funktionseinschränkungen münden), auf einer Maßgeblichkeitsschwelle von rund 10 %. Liegen Vorschädigungen eines zentralen Versorgungsbereichs vor, kann die Maßgeblichkeitsschwelle jedoch auch unter 10 Prozent liegen.

 

Der Gutachter führt Folgendes aus:

Auch nach Ansiedlung von Pull & Bear bzw. Bershka in den Regensburg Arcaden bleibt die Altstadt der dominierende Angebotsstandort in der Innenstadt für den zentrenrelevanten Sortimentsbereich Bekleidung mit einem Umsatzvolumen von 99,2 Mio. Euro gegenüber 60,2 Mio. Euro in den Regensburg Arcaden. Insgesamt wird mit dem Vorhaben die oberzentrale Versorgungsfunktion gestärkt und ausgebaut. Aus gutachterlicher Sicht ist daher die Ansiedlung der beiden Konzepte in den Regensburg Arcaden sinnvoll und unter den vorliegenden Umständen zu empfehlen.“ (siehe Seite 1, Executive Summary, Standort-, Markt- und Wirkungsanalyse Regensburg Arcaden Ansiedlung Pull & Bear)

 

 

 

 

SACHSTAND IMMOBILIEN

Die Nachbesetzung des ehem. ZARA Gebäudes am Neupfarrplatz gestaltet sich schwierig und es ist zu befürchten, dass ähnlich dem ehem. Pohland Gebäude ein längerer Leerstand vorherrschen könnte. Eine Nachbelegung könnte weiterhin mit einem Verlust an Verkaufsflächen einhergehen, da meist nur noch die Erdgeschosszone von den Einzelhandelsunternehmen belegt wird. Sollte auch H&M seine Filiale in der Innenstadt schließen, ist eine weitere mehrgeschossige Einzelhandelsfläche in 1A-Lage auf dem Markt,r die eine entsprechende Nachnutzung gefunden werden muss.  

 

 

2. Vereinbarkeit mit dem Bebauungsplan, städtebaulichen Vertrag und Einzelhandels- und Zentrenkonzept

 

Der Bebauungsplan Nr. 255 aus dem Jahr 2000 setzt ein Sondergebiet „Einkaufszentrum mit Kultur-, Freizeit- und Dienstleistungseinrichtungen“ fest. Im Sondergebiet sind max. 22.000 qm Verkaufsfläche für Einzelhandelsnutzungen und insgesamt 2.500 qm für konsumnahe Dienstleistungen und Gastronomie zulässig. Hinsichtlich der Sortimente erfolgten keine Festsetzungen, jedoch wurden hinsichtlich der Flächenaufteilungen Regelungen in einem städtebaulichen Vertrag getroffen Diese wurden aus der so genannten Drei-Seiten-Vereinbarung übernommen, die zwischen den Regensburg Arcaden, der Faszination Altstadt e. V. und der Stadt geschlossen wurde.

Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept formuliert für die Regensburg Arcaden die Strategie, dass diese das Hauptgeschäftszentrum der Regensburger Altstadt ergänzen. Hinsichtlich der Größe der Verkaufsfläche insgesamt wie auch hinsichtlich der Größe der zentrenrelevanten Sortimente (Bekleidung und Schuhe) sollen sich die Regensburg Arcaden der Altstadt unterordnen.

 

Die Gesamtverkaufsfläche des Einkaufszentrums beträgt rund 22.200 qm Verkaufsfläche. Mit der Ansiedlung und Erweiterung der Textilunternehmen wächst das Sortiment Bekleidung auf dann rund 13.300 qm, d.h. mittlerweile 60 Prozent der Gesamtverkaufsfläche sind nach Ergänzung und Optimierung des Mietermixes dem Sortiment Bekleidung zuzuordnen. Dennoch ordnet sich die Sortimentsgröße in den Regensburg Arcaden dem zentralen Versorgungsbereich Altstadt unter, wo die Verkaufsfläche im Sortiment Bekleidung bei rund 25.300 qm liegt.

 

hrend der Rahmen des Bebauungsplans im Wesentlichen eingehalten wird, ist festzustellen, dass hinsichtlich der Flächenaufteilung der Verkaufsflächengrößen zunehmend vom städtebaulichen Vertrag abgewichen wird (vgl. nachfolgende Tabelle sowie Standort-, Markt- und Wirkungsanalyse Regensburg Arcaden Ansiedlung Pull & Bear, Seite 38).

 

 

VKF insg.

< 250 qm

VKF insg.

300- 500 qm

VKF insg.

Großflächigkeit

VKF insg.

SB-Warenhaus

Gesamt-VKF

Grenzen gem. städtebau-lichem Vertrag

4.400

1.800

9.800

6.000

22.000

20%

8%

45%

27%

100%

Flächen-konzept 2022

2.943

2.236

11.593

5.433

22.205

13%

10%

52%

25%

100%

Tabelle: Flächenaufteilung der Verkaufsflächengrößen im Vergleich

 

 

Zielsetzung des Vorhabens „Regensburg Arcaden" waren vor allem die Entwicklung größerer gut geschnittener Ladenflächen sowie die Ergänzung und funktionale Stärkung der Altstadt.

Auf Seite 8 der Begründung zum Bebauungsplan wird folgendes formuliert: „Dieser zentrale Standort bietet die Möglichkeit, Nutzungen vorzusehen, die in der Altstadt nicht untergebracht werden können und deshalb bisher in der Region bzw. in den Nachbargemeinden angesiedelt wurden." Weiter wird in der Begründung zum Bebauungsplan auf Seite 6 folgendes ausgeführt: „Aufgrund der dynamischen Entwicklung im Einzelhandel sollen speziell an diesem Standort, der zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt beitragen soll, Sortimentsverschiebungen infolge betriebswirtschaftlicher Anpassungen an veränderte Wettbewerbs- und Marktbedingungen möglich sein".

 

Gemäß städtischem Einzelhandels- und Zentrenkonzept sollen die Regensburg Arcaden die Altstadt ergänzen und die Innenstadt stärken. Insbesondere Konzepte mit 500 qm Verkaufsfläche und mehr sollen, wenn für diese in der Altstadt keine Flächen zur Verfügung stehen, in den Regensburg Arcaden angesiedelt werden. Dieser Sachverhalt trifft für die Ansiedlungen zu. Die Überschreitung der Verkaufsfläche bei den eindeutigen Großflächen/Fachmärkte, aber auch der Einheiten von 300 bis 500 qm steht im Einklang mit den im „Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Regensburg 2030“ formulierten Intentionen zur Entwicklung der Regensburger Innenstadt und ist damit formal als noch vertretbar einzuschätzen. Dennoch wird die in der Vorlage beschriebene Entwicklung von der Verwaltung als durchaus Besorgnis erregend bewertet.

 

Der Faszination Altstadt e.V. wurde über die Entwicklungen in den Regensburg Arcaden ebenfalls informiert. Geschäftsführer Ingo Saar gibt zu bedenken; „Die Umsatzumverteilung liegt nahe der kritischen Grenze von 10 Prozent und ist insofern bedenklich, als dass wir uns erst am Beginn eines immer härter werdenden Wettbewerbs der Anbieter von Flächen um die Gunst potenzieller Mieter befinden. Ein Wettbewerb, bei dem Einkaufszentren durch Quersubventionierung jedem gewünschten Mieter den roten Teppich ausrollen können. Auf dieses Instrument kann ein einzelner Vermieter in der Altstadt nicht zurückgreifen.“

 

Die Verwaltung teilt die Einschätzung der Faszination Altstadt, sieht aber im aktuellen Fall aus den oben beschriebenen Gründen derzeit keine Möglichkeit, korrigierend einzugreifen. Darüber hinaus unternimmt die Stadt Regensburg aber große Anstrengungen, die Altstadt langfristig attraktiv und lebendig zu halten. So läuft aktuell im Rahmen des EU-Förderprogramms „React“ die Suche nach einem Fachbüro für die „Erstellung eines Nutzungskonzeptes zur Stärkung der Multifunktionalität und Sicherung der zukunftsfähigen Resilienz der Altstadt“. Damit sollen Wege gefunden werden, die einzigartige Qualität der Altstadt auf lange Sicht zu erhalten.

 

 


 

Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:

 

 

Der Sachstandsbericht zu den Regensburg Arcaden hinsichtlich der Umstrukturierungen im Branchenmix und Nachbesetzung leerstehender Flächen mit den Auswirkungen auf die Regensburger Altstadt wird zur Kenntnis genommen.

 

Den Abweichungen vom städtebaulichen Vertrag wird zugestimmt, nachdem die Entwicklungen im Einklang mit der Intention des Bebauungsplans und dem städtischen Einzelhandels- und Zentrenkonzept stehen.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Wirkungsanalyse Berskha, Pull & Bear

Anlage 2: Wirkungsanalyse Zara, H&M

Anlage 3: Formblatt Klimavorbehalt Stufe 3

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1: Wirkungsanalyse – Berskha, Pull & Bear (7666 KB)    
Anlage 2 2 Anlage 2: Wirkungsanalyse – Zara, H&M (5235 KB)    
Anlage 3 3 Anlage 3: Formblatt – Klimavorbehalt Stufe 3 (1947 KB)