Vorlage - VO/16/12436/DB1  

 
 
Betreff: Abschluss des Projekts "Regensburg inklusiv"
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Oberbürgermeister Wolbergs
Federführend:Direktorialbereich 1   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten Entscheidung
28.09.2016 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK), am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York verabschiedet, am 30. März 2007 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet, ist am 3. Mai 2008 in Kraft getreten. Das Übereinkommen gilt als Meilenstein in der internationalen Politik für Menschen mit Behinderung. Es verbietet die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen und garantiert ihnen die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Menschen mit Behinderung sollen in ihrer Andersartigkeit als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft geachtet und akzeptiert werden. Die Konvention wurde vom Bundestag mit Gesetz vom 21. Dezember 2008 ratifiziert und ist seit 26. März 2009 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Damit verpflichtet sich Deutschland, die Vorschriften des Übereinkommens in nationales Recht umzusetzen.

 

Zentrale Zielsetzungen der UN-BRK sind u.a. die Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung behinderter Menschen (Art. 5) sowie die Barrierefreiheit in allen Bereichen, insbesondere beim Bauen und Wohnen, im Verkehr, beim Zugang zu Informationen, aber auch im kulturellen Leben, bei Erholung, Freizeit und Sport (Art. 9, 21, 30).

 

In Regensburg lebten zum Stichtag 31.12.2015 16.178 schwerbehinderte Menschen (Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung). Dazu kommen noch die Menschen mit einer Behinderung, die einen GdB von unter 50 haben und somit nicht als schwerbehindert gelten. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) aus dem Mikrozensus war im Jahr 2013 im Schnitt jede/r achte Bürger/in von einer amtlich anerkannten Behinderung betroffen. Dabei gilt es jedoch eine Dunkelziffer zu beachten, nachdem nicht alle Menschen mit einer leichten Behinderung diese auch amtlich anerkennen lassen.

 

II. Projekt „Regensburg inklusiv“

1. Rahmenbedingungen

Vor diesem Hintergrund entwickelte Aktion Mensch im Jahr 2011 ein neues Förderprogramm, mit welchem Projekte und Initiative gefördert werden sollten, „die vor Ort unterschiedliche Akteure aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vernetzen. So soll das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ermöglicht und damit die Umsetzung von Inklusion im Alltag in der regionalen Lebenswelt vorangetrieben werden. Ziel des Förderprogramms ist die Schaffung von Vernetzungsstrukturen in den vorgegebenen Handlungsfeldern Arbeit, Bildung, Freizeit, Wohnen und Barrierefreiheit.

 

Nachdem eine ähnliche Projektidee der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V. (KJF) aus dem Jahr 2009 mangels Finanzierung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen nicht zustande kam, hatte die KJF Interesse an dem Förderprogramm von Aktion Mensch signalisiert. Zur Umsetzung des Projekts wurden Kooperationspartner gesucht, die auf die Gestaltung der Lebensbedingungen in einer Stadt aktiv einwirken und das Projekt wissenschaftlich begleiten können. Deshalb hat die KJF in Vorgesprächen mit den Verantwortlichen der Stadt Regensburg und der Ostbayerischen Technischen Hochschule die Rahmenbedingungen des Förderprogramms geklärt und die Bereitschaft der möglichen Kooperationspartner erfragt.

 

Mit Beschluss des Verwaltungs- und Finanzausschusses vom 27. November 2012 und des Ausschusses für Soziales und allgemeine Stiftungsangelegenheiten vom 5. Dezember 2012 hat der Regensburger Stadtrat die finanzielle Beteiligung an dem Projekt „Regensburg inklusiv beschlossen. Im November/Dezember 2013 wurde der Kooperationsvertrag für den Zeitraum 15. Dezember 2013 bis 31. August 2016 von der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V., der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und der Stadt Regensburg unterzeichnet.

 

Die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V. verpflichtete sich als Träger des Projekts, die Verantwortung für die Finanzierung und Durchführung des Projekts zu übernehmen. Sie musste ferner die Mitarbeiter/innen für das Projekt anstellen, Eigenmittel i.H.v. mindestens 61.874,31 € erbringen und alle organisatorischen und buchhalterischen Aufgaben übernehmen. Als Träger von verschiedenen Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe verpflichtete sich die KJF ferner zur Beteiligung an allen Inklusionszirkeln mit eigenen Fachleuten und zur Einbringung eigener, proaktiver Inklusionsbemühungen. Darüber hinaus war bis spätestens 31. März 2015 eine - mit den Akteuren in den Inklusionszirkeln Arbeit, Wohnen, Bildung und Freizeit vorzunehmende Bestandserhebung durchzuführen, die einen Überblick über die bereits vorhandenen Maßnahmen und Einrichtungen zur Förderung der Inklusion in der Stadt Regensburg enthalten sollte.

 

Eine weitere Hauptpflicht der KJF bestand laut Kooperationsvertrag darin, basierend auf der o.g. Bestandserhebung bis zum Projektende am 31. August 2016 im Rahmen der Inklusionszirkel Vorschläge für Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln und der Stadt Regensburg vorzulegen. Daneben sollte durch die Arbeit in den Inklusionszirkeln ein Netzwerk der unterschiedlichen Akteure aufgebaut und rechtzeitig Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie dieses fortgeführt werden kann. Zudem muss der Stadt Regensburg zum Projektende, spätestens aber sechs Monate danach, die Verwendung der Mittel anhand eines Sachberichts sowie einer zahlenmäßigen Schlussrechnung unaufgefordert nachgewiesen werden.

 

Die Stadt Regensburg verpflichtete sich mit dem Kooperationsvertrag zur finanziellen Beteiligung an dem Projekt „Regensburg inklusiv“ in Höhe von gesamt 120.000 Euro und zur Entsendung von Vertreter/innen zur aktiven Mitarbeit in die Inklusionszirkel und das Projektgremium. Ferner wurde die Verpflichtung eingegangen, Anstrengungen zu unternehmen, um die Inklusion in Regensburg zu rdern. Dies sollte durch einen sukzessiven Ausbau der Barrierefreiheit bei der Wahrnehmung kommunaler Aufgaben und Dienstleistungen, beginnend mit der barrierefreien Gestaltung der drei bestehenden Bürgerbüros, und der Sensibilisierung städtischer Eigenbetriebe zur Umsetzung der Barrierefreiheit angegangen werden.

 

Die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg unterstützte „Regensburg inklusiv“ durch die Sensibilisierung aller an der Hochschule Tätigen für die Belange von Menschen mit Behinderung, die Überprüfung der eigenen Barrierefreiheit, den Aus- und Aufbau bedarfsgerechter Unterstützungsmaßnahmen für Studierende mit Behinderung bei dem Übergang Schule ins Studium sowie Studium ins Arbeitsleben, und durch Anstrengungen, das Thema „Inklusion“ in die Lehre der einzelnen Fakultäten zu implementieren. Ferner sollte das Projekt durch eine wissenschaftliche Erhebung und Auswertung von Daten, Fakten und Informationen über den Sozialraum im Rahmen des Masterstudienganges „Soziale Arbeit Inklusion und Exklusion“ begleitet werden.

 

 

2. Inhalte des Projekts

Das Projekt „Regensburg inklusiv“ hatte als Leitziel die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und folglich die Förderung der Teilhabe für Menschen mit Behinderung in den Lebensbereichen „Arbeit“, „Wohnen“, „Bildung“ und „Freizeit“ in der Stadt Regensburg. Hierzu war die Gründung von vier sog. Inklusionszirkeln vorgesehen, die sich aus Verantwortlichen der Politik, Wirtschaft und Verwaltung, Trägervertreter/innen, Mitarbeiter/innen von sozialen Einrichtungen und Diensten, Vertreter/innen von (Selbsthilfe-) Initiativen und Vereinen, wie auch aus engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Privatpersonen zusammensetzen sollten. In den Zirkeln sollten Ideen entwickelt und umgesetzt, Netzwerkpartner gefunden, inklusive Projekte auf den Weg gebracht und öffentlich diskutiert und informiert werden. Die vier Inklusionszirkel trafen sich insgesamt 37 mal. Die Stärke der Inklusionszirkel lag dabei in dem „Credo“, dass nur die Menschen, die in Regensburg wohnen, arbeiten und leben die Stadt auch verändern können. Es sollte mithin eine „Bewegung von unten“ angestoßen werden. Daneben bildeten sich in den Inklusionszirkeln auch Arbeitsgruppen, um etwaige Fragestellungen konkreter bearbeiten zu können.

 

Ein weiterer wichtiger Baustein des Projekts „Regensburg inklusiv“ war der Projektbeirat, der das Projekt begleiten sollte und ein- bis zweimal jährlich tagte. Mitglieder des Projektbeirates waren je eine Vertretung der Kooperationspartner, je ein/e Sprecher/in der Inklusionszirkel und der Projektkoordinator. Daneben wurde dem Sprecher und einem weiteren Mitglied des Arbeitsausschusses des Beirats für die Menschen mit Behinderung eine stimmberechtigte Mitwirkung im Projektbeirat ermöglicht. Die Aufgaben des Projektbeirates bestanden darin, die Umsetzung der Projektziele zu begleiten und zu überprüfen, den Projektkoordinator fachlich zu beraten und zu unterstützen, die ordnungsgemäße Mittelverwendung zu kontrollieren und wichtige Entscheidungen im Rahmen des Projekts zu beraten und zu beschließen.

 

3. Ereignisse und Erfolge im Projekt

In den vier Inklusionszirkeln brachten sich fortlaufend weit über 100 engagierte Bürger/innen und Institutionen ein, um Ideen für ein inklusiveres Regensburg zu entwickeln. In 37 Treffen der Inklusionszirkel wurde ein Netzwerk aufgebaut, Vorträge und Schulungen zu diversen Themen angeregt und der Grundstein für zahlreiche Projekte gelegt. Im Projektzeitraum wurden beispielsweise folgende Ideen umgesetzt:

  • Implementierung einer barrierefreien Stadtführung in das Programm der Regensburg Tourismus GmbH
  • Einrichtung einer Expertengruppe mit Menschen mit den unterschiedlichsten Einschränkungen zur Überprüfung der Barrierefreiheit von Angeboten
  • Gründung eines „Lokalen Bündnis für einen inklusiven Arbeitsmarkt“
  • Gründung des Büros „sags einfach ro für leichte Sprache“
  • Durchführung des 1. Inklusionssporttag auf dem städtischen Sportgelände am Oberen Wöhrd

Eine detaillierte Übersicht ist der beigefügte Abschlussdokumentation zu entnehmen

 

 

 

II. Kurzfazit und weiteres Vorgehen

Regensburg ist nach drei Projektjahren nicht gänzlich barrierefrei und inklusiv. Es haben sich aber erste Änderungen und Verbesserungen ergeben, die Menschen mit Behinderung das Leben in der Stadt Regensburg vereinfachen bzw. für diese verbessern. Es wurden viele kleine und alltägliche Verbesserungen bereits umgesetzt. So werden z.B. nach den o.g. Expertenbegehungen die gewünschten Verbesserungen zügig angegangen, wenn dies unkompliziert machbar ist. Auch best-practise-Beispiele bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt sind hier zu nennen.

Ferner ist zu beobachten, dass das Thema Inklusion in der Stadtgesellschaft mehr wahrgenommen wird. Dies lässt sich nicht anhand konkreter Zahlen benennen, wird aber beispielsweise dadurch deutlich, dass das Thema in den lokalen Medien deutlich präsenter ist.

 

Regensburg wird auch außerhalb des Stadtgebiets vermehrt als inklusive Stadt wahrgenommen. So wurde das Projekt „Regensburg inklusiv“ im März 2016 bei einer bundesweiten Netzwerktagung der Aktion Mensch in Köln im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt. Zudem wurde das Projekt im April 2016 vor Führungskräften der Bayerischen Staatskanzlei beim Thema „Stadt Leben?! Zukunft urbaner Mobilität“ zusammen mit Irmgard Badura, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, als wichtiger Impulsgeber im Bereich gelungener, inklusiver Netzwerkarbeit auf höchster Ebene wahrgenommen. Auch auf Bundesebene wurde das Projekt wahrgenommen, nachdem es bei einer Bundestagsdebatte als gelungenes Beispiel erwähnt wurde.

 

Die von der KJF vorgelegte und beigefügte Abschlussdokumentation beinhaltet neben einer Darstellung des Erreichten auch eine Liste von Handlungsempfehlungen und einen Vorschlag zur künftigen Organisation im Inklusionsbereich. Die Handlungsempfehlungen zeigen deutlich, dass mit dem Projekt „Regensburg inklusiv“ nur ein erster aber wichtiger - Schritt auf dem Weg zu inklusiven Lebensverhältnissen in Regensburg gemacht wurde.

 

Die Stadt Regensburg ist mit der Schaffung der Stelle einer / eines hauptamtlichen kommunalen Inklusionsbeauftragten einer der wesentlichsten Forderungen aus dem Projekt „Regensburg inklusiv“ - aber auch aus dem bestehenden Koalitionsvertrag - bereits nachgekommen. Die Ansiedlung der Stelle im unmittelbaren Stabsbereich des Oberbürgermeisters zeigt die besondere Bedeutung des Themas Inklusion für die Stadt Regensburg und die Wahrnehmung als Querschnittsthema.

 

In einem nächsten Schritt ist von der Verwaltung ein Vorschlag zur künftigen Organisationsstruktur im Bereich Inklusion vorzulegen. Dieser Vorschlag ist unter Einbeziehung der Anregung der KJF in die Überlegungen und in Abstimmung mit den bestehenden städtischen Gremien und den Zirkelsprechern des Projekts „Regensburg inklusiv“ zu erarbeiten. Insbesondere gilt es die im Rahmen des Projekts entstandenen, eigenständigen Gremien in die bereits bei der Stadt Regensburg mit dem Beirat für Menschen mit Behinderung (Plenum und Arbeitsausschuss) bestehenden zu implementieren und ein Gefüge zu erstellen, damit das gezeigte bürgerschaftliche Engagement aus den drei Jahren Projektzeit nicht verloren geht.

 

Ferner ist von der Verwaltung im Rahmen eines Aktionsplans ein Maßnahmenpaket zu erarbeiten, das aufzeigt, wie die Stadt Regensburg - im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Zuständigkeiten die Schaffung inklusiver Lebensbedingungen aktiv unterstützen kann. Die von „Regensburg inklusiv“ vorgelegten Handlungsempfehlungen sollen in den Aktionsplan mit einfließen.

 


Der Ausschuss beschließt:

 

1)Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

2)Die Verwaltung wird beauftragt, im Rahmen eines Aktionsplans einen Vorschlag zur künftigen Organisationsstruktur im Bereich Inklusion vorzulegen und aufzuzeigen, wie die Schaffung inklusiver Lebensbedingungen in Regensburg aktiv unterstützt werden kann.

 


Anlagen:

Abschlussdokumentation „Regensburg inklusiv“ der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V.

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Abschlussbericht Regensburg inklusiv (1763 KB)