Vorlage - VO/16/12580/20  

 
 
Betreff: Neuregelung der Umsatzbesteuerung (§ 2 b UStG) - Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 UStG

Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Wirtschafts-, Wissenschafts- und Finanzreferent Daminger
Federführend:Stadtkämmerei   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen Vorberatung
17.11.2016 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
01.12.2016 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

 

 

Sachverhalt:

 

 

1. Allgemeine Rechtslage

 

Die Besteuerung der öffentlichen Hand wird sich ab dem 01.01.2017 grundlegend ändern. Nach der bisherigen Rechtslage werden juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe wie ein Unternehmer behandelt. Der Bundesfinanzhof hat in mehreren Grundsatzurteilen festgestellt, dass diese Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand nicht mehr konform zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU ist.

 

Als Folge dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz 2015 vom 02.11.2015 die Vorschrift des § 2b UStG neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Sie regelt die künftige Unternehmereigenschaft bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

 

Infolge der Gesetzesänderung wird die bisherige Verknüpfung der umsatzsteuerlichen Beurteilung des Handelns von juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit dem körperschaftssteuerlichen Begriff des Betriebs gewerblicher Arbeit aufgegeben.

 

Leistungen der öffentlichen Hand werden zukünftig generell umsatzsteuerbar sein, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage basieren oder sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbracht werden und dabei ein potentieller oder tatsächlicher Wettbewerb zu privaten Anbietern besteht.

Grundsätzlich führt dann jedes Handeln der Stadt auf privatrechtlicher Basis (Verträge, Vereinbarungen etc.) zur allgemeinen Unternehmereigenschaft gem. § 2 Absatz 1 UStG und damit zur Umsatzsteuerpflicht.

Bestimmte kommunale Leistungen sind trotz öffentlich-rechtlicher Regelung einem Wettbewerbsmarkt ausgesetzt (z.B. der Betrieb von öffentlichen Parkplätzen).

Ein Wettbewerb besteht dann, wenn die Leistungen auch von privaten Unternehmern erbracht werden können und es somit zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann.

Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen jedoch nicht vor, wenn Umsätze aus gleichartigen Tätigkeiten voraussichtlich 17.500 Euro jährlich nicht übersteigen (§ 2 b Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Zudem wurde im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit in § 2 b Abs. 3 UStG eine komplexe Regelung in den Fällen vertikaler und horizontaler Kooperationen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben aufgenommen. Auch hier wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Wettbewerbsverzerrung verneint und damit auf eine Umsatzbesteuerung der vereinbarten Entgelte zwischen den juristischen Personen des öffentlichen Rechts verzichtet.

 

 

2. Inkrafttreten der neuen Rechtslage

 

Das neue Recht ist grundsätzlich ab dem 01.01.2017 anzuwenden.

 

Die neuen Regelungen sind aufgrund einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe noch auslegungsbedürftig. Derzeit wird ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen erarbeitet, das der weiteren Aufklärung dienen soll.

 

Die juristische Person des öffentlichen Rechts (hier: Stadt Regensburg) kann jedoch die zeitliche Anwendung des § 2b UStG durch Abgabe einer Optionserklärung gegenüber dem zuständigen Finanzamt (hier: Finanzamt Regensburg) im Rahmen einer Übergangsregelung 27 Absatz 22 Satz 3 UStG) längstens bis einschließlich 2020 hinausschieben und in diesem Zeitraum weiterhin die Besteuerung nach den bisherigen Regelungen wählen.

Eine Beschränkung auf einzelne Teilbereiche ist nicht möglich. Die Optionserklärung kann nur einheitlich für alle Tätigkeiten der Stadt ausgeübt werden.

 

Sollte während der Übergangszeit die Anwendung des neuen Rechts für die Stadt günstiger sein, so ist ein Widerruf der Optionserklärung mit Wirkung von Beginn des auf die Abgabe der Erklärung folgenden Kalenderjahres jederzeit möglich.

Eine nochmalige Rückkehr zur Anwendung des alten Rechts ist dann jedoch ausgeschlossen.

 

3. Ergebnis der Überprüfung der steuerrelevanten Haushaltsstellen

 

a.) Einnahmen der Stadt

 

Die neue Rechtslage setzt eine umfassende Einnahmen- und Vertragsinventur voraus, die im Übergangszeitraum stetig verfeinert und mit allen notwendigen Folgemaßnahmen ergänzt werden muss.

Die Stadt muss ihr gesamtes Leistungsspektrum und sämtliche Vertragsbeziehungen mit Dritten dahingehend überprüfen, ob diese Tätigkeiten eine Umsatzsteuerpflicht gemäß der gesetzlichen Neuregelung auslösen.

 

Dies erfordert insbesondere

 

  • die Überprüfung sämtlicher Einnahmehaushaltsstellen und eine Differenzierung nach privat-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Ansprüchen.
  • die Feststellung, ob öffentlich-rechtliche Einnahmen zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen (liegt der voraussichtliche Umsatz aus gleichartigen Tätigkeiten über 17.500 Euro?).
  • eine EDV-gerechte Einrichtung von erforderlichen Haushalts- und Buchungsstellen.
  • kaufmännische und steuerliche Schulung des Personals.
  • gliche Anpassungen von bestehenden Verträgen (z.B. Aufnahme einer Steuerklausel, dass sich das vereinbarte Entgelt im Falle einer Umsatzsteuerpflicht um die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer erhöht).

 

Um den umfangreichen Vorarbeiten zur Umsetzung des § 2b UStG und den komplexen steuerlichen Zusammenhängen gerecht zu werden, wurde bereits im Frühjahr 2016 eine Halbtagsstelle geschaffen.

 

Nach einer ersten Durchsicht der relevanten Haushaltsstellen ist von einer deutlichen Umsatzsteuermehrbelastung des städtischen Haushalts durch die Neuregelung auszugehen.

Bei nicht zum vorsteuerabzugsberechtigten Empfängern von städtischen Leistungen erhöhen sich die jeweiligen Entgelte der städtischen Leistungen um die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer.

 

Hierzu zählen beispielsweise folgende Einrichtungen und Personen:

 

  • Stadtbau GmbH
  • Theater Regensburg
  • Seniorenstift GmbH
  • Sportvereine
  • Kunstforum Ostdeutsche Galerie
  • Schülerinnen und Schüler
  • rgerinnen und Bürger
  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

 

 

b.) Ausgaben der Stadt

 

Bei Leistungen von Unternehmen an den Unternehmensbereich der Stadt ist grundsätzlich ein Abzug der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (=Vorsteuer) gem. § 15 UStG möglich.

 

Zur Ermittlung der tatsächlichen Umsatzsteuerbelastung ist die Zuordnung der mit den Einnahmen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben zu ermitteln und zu berechnen.

 

Das Ergebnis der ersten Untersuchungen der relevanten Haushaltsstellen im Haushalt sowie im Investitionsplan 2016 der jeweiligen Dienststellen der Stadt ergab:

 

  • dass ein Großteil der Ausgaben im nichtsteuerrelevanten Bereich veranschlagt ist.

 

  • dass in Teilbereichen der geplanten Investitionen auch nach der bisherigen Rechtslage Vorsteuern abgezogen werden können und
  • dass sich bei Anwendung der neuen Rechtslage nur im Bereich der Vermögensverwaltung in eingeschränktem Umfang Vorsteuerabzugsmöglichkeiten ergeben.

 

Insgesamt würden der Mehrbelastung bei der Umsatzsteuer ohne Ausübung der Option aktuell nur geringe Vorteile beim Vorsteuerabzug gegenüberstehen.

 

4. Auswirkung auf die Kommune

 

Die Stadt Regensburg verfügt aktuell über ca. 25 Betriebe gewerblicher Art (§ 4 Körperschaftssteuergesetz), deren Leistungen nach der bisherigen Rechtslage (§ 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG) der Umsatzsteuerpflicht unterliegen (siehe Vorbericht zum Haushaltsplan 2017 VIII. Verzeichnis der Hoheitsbereiche und Unternehmensbereiche der Stadt). Diese werden derzeit in der Stadtkämmerei/ Sachgebiet Gewerbesteuer administriert. Die Personalkapazität hierfür beträgt bisher nur 1,25 Stellen.

Die Stadt Regensburg muss nun zeitnah die oben unter Textziffer 3.a.) beschriebenen Überprüfungsmaßnahmen einleiten, um sich einen genauen Überblick über die Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung verschaffen zu können.

Dies wird federführend im Sachgebiet Gewerbesteuer gesteuert.

Durch die gesetzliche Neuregelung kommt es zu einer deutlichen Erweiterung der umsatzsteuerlichen Vorgänge in der Verwaltung. Dadurch wird sich der administrative Aufwand im Sachgebiet Steuern und in den Fachämtern nicht nur temporär, sondern langfristig anhand des dargestellten Prüfungsaufwandes erhöhen.

 

5. Empfehlung

 

hrend der Übergangsphase prüft die Stadtkämmerei für jedes Kalenderjahr, ob sich durch die Anwendung der neuen Rechtslage möglicherweise eine finanzwirtschaftliche Besser-stellung ergibt. Im Zuge dieser Überprüfung ist auch die Anpassung sämtlicher Verträge und Vereinbarungen mit Dritten zu prüfen und ggf. zu ändern.

Insgesamt stellt die Umstellung auf die neue Rechtslage für die Verwaltung einen enorm hohen Aufwand dar, zu dessen Bewältigung der Gesetzgeber bewusst eine Übergangsfrist von vier Jahren gesetzlich verankert hat.

 

Durch die neue Option ist eine Anpassung auf die neue Rechtslage jederzeit möglich.


 

Der Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen empfiehlt/ Der Stadtrat beschließt:

 

Die Stadt Regensburg macht von ihrem Wahlrecht nach § 27 Abs. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) Gebrauch und erklärt gegenüber dem Finanzamt Regensburg, dass sie – vorbehaltlich eines späteren Widerrufs – für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 01. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin § 2 Absatz 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung anwendet.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, eine entsprechende Optionserklärung nach § 27 Absatz 22 UStG gegenüber dem Finanzamt Regensburg abzugeben.

 

Ein Entwurf der Optionserklärung ist diesem Beschluss als Anlage beigefügt.


 

Anlagen: 1

Anlagen:  
  Nr. Name    
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