Vorlage - VO/16/12785/65  

 
 
Betreff: Klärwerk Regensburg;
Optimierung der Prozessabläufe bei der Abwasserreinigung
durch die Beschaffung und den Einsatz eines Simulationsprogrammes
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Tiefbauamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz Entscheidung
15.02.2017 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

1. Ausgangssituation

In dem Grundsatzbeschluss zur Ertüchtigung der Reinigungsleistung VO-16-11885-65 vom 27./28.04.2016 wurde die aktuelle Belastungssituation des Klärwerks bereits ausführlich beschrieben. Die aufgezeigten Tendenzen einer stetigen Zunahme bei allen wesentlichen Zulaufparametern haben sich auch für das Jahr 2016 bestätigt, so dass durch den seit Jahren ständigen Belastungsanstieg das  Klärwerk Regensburg mit einer Ausbaugröße von 400.000 Einwohnergleichwerten (EW) immer näher an die Belastungsgrenzen kommt. Daher müssen wie in dem Grundsatzbeschluss unter Punkt 2.2 aufgezeigt, Maßnahmen zur Optimierung der Verfahrenstechnik zeitnah umgesetzt werden.

 

Die aktuellen Auswertungen der Zulaufbelastung (in EW) aus den Jahren 2015 und 2016 dokumentieren, dass die für die Bemessung der Abwasserreinigungsanlage maßgeblichen 85% Werte nahe der derzeitigen Ausbaugröße liegen. Die dazugehörigen Werte zeigen, dass die freien Kapazitäten für die wesentlichen Parameter der organischen Belastung (Chemischer Sauerstoffbedarf, CSB) bei ca. 12.000 EW und bei der Stickstoffbelastung (N_ges.) in einer Größenordnung von ca. 35.000 EW liegen. Für den Parameter BSB_5 (Biologischer Sauerstoffbedarf) ist bezüglich des 85% Wertes noch eine Restkapazität von ca. 90.000 EW vorhanden.

 

Mit der steigenden Belastung werden die betrieblichen Sicherheiten bezüglich der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Einleitung des gereinigten Abwassers immer geringer, da die Anlage immer näher an der Leistungsgrenze betrieben werden muss.

Um einen optimalen Betrieb in diesen Situationen zu gewährleisten ist ein erhebliches Wissen über die Anlagen- und Verfahrenstechnik sowie die dazugehörige langjährige Betriebserfahrung für das Betriebspersonal notwendig.

Da derzeit ein personeller Umbruch des Betriebspersonals insbesondere bei den Beschäftigten des Wechselschichtdienstes stattfindet, geht das sehr wertvolle Wissen mit dem altersbedingten Ausscheiden der Beschäftigten verloren. Die Beschäftigten, die als Nachfolger die Aufgaben im Wechselschichtdienst übernehmen, können somit nicht mehr auf die erforderlichen langjährigen Erfahrungswerte zurückgreifen.

Dadurch besteht die Gefahr, dass durch das fehlende Wissen die Anlagentechnik nicht mehr in einem kontrollierten Normalbetrieb läuft. Die daraus resultierenden Folgen besitzen eine Bandbreite vom erhöhten Energiebedarf (wirtschaftlicher Schaden) bis zur Überschreitung von zulässigen Grenzwerten im Ablauf der Anlage mit allen nachteiligen Konsequenzen hinsichtlich des Abwasserabgaberechtes und des Umwelt-Strafrechtes.

 

Da die bestehende Anlagentechnik noch über einen Zeitraum von mindestens 5-10 Jahren bis zu einer notwendigen Anlagenerweiterung betrieben werden muss, ist es unerlässlich, dass in dieser Situation eine entsprechende Unterstützung für die Beschäftigten im Wechselschichtdienst in Form eines „Simulationsprogramms“ zur Verfügung gestellt wird.

 

2. Aktuelle Steuerung der Anlagentechnik mit  der zentralen Prozessleittechnik

In der Zentralen Leitwarte des Klärwerks werden alle Messdaten und Betriebszustände der gesamten Anlagentechnik erfasst und über die Prozessleittechnik visualisiert. Auf Grundlage  der vorliegenden Prozessdaten entscheidet das Bedienpersonal unter Einbeziehung des notwendigen Fachwissens in der Verfahrenstechnik und den langjährigen Erfahrungswerten über die notwendigen Änderungen im Verfahrensablauf.

Die Steuerung und Regelung der sehr komplexen Anlagentechnik erfolgt durch die Mitarbeiter im Wechselschichtdienst. Die primäre Anforderung an die Führung des Gesamtprozesses bei der Abwasserreinigung besteht dabei im Wesentlichen darin, dass am Ablauf des Klärwerks die zulässigen Grenzwerte (Ablaufparameter) eingehalten werden.

Da die sehr komplexen Regelkreise der jeweiligen Verfahrensschritte miteinander verknüpft sind, ist eine fachlich fundierte Entscheidungshilfe für das Bedienpersonal für einen optimalen Betrieb zweckmäßig.

 

3. Einsatz von Simulationsprogrammen nstliche Neuronale Netze als Entscheidungsunterstützung

Einen Lösungsansatz für die Unterstützung der Beschäftigten im Wechselschichtdienst bietet hierbei der Einsatz der modernen Datenverarbeitung mit sogenannten „nstlichen Neuronalen Netzen“.

Die “nstlichen Neuronalen Netze“ sind in der Lage eine Vielzahl von Betriebsdaten zu sammeln, auszuwerten und sich dabei automatisch weiter zu entwickeln. Die „nstliche Intelligenz“ ist in der Lage durch den ständigen Vergleich der aktuellen Betriebswerte mit den geforderten Zielwerten, frühzeitig Abweichungen im Prozess zu erkennen. Mit den berechneten Prognosen erhält das Bedienpersonal Hinweise, ob eine Korrektur innerhalb der Verfahrenskette notwendig ist, um die Ablaufparameter einzuhalten, oder ob ggfs. eine Optimierung des Prozesses möglich ist. Dazu bietet das System aufgrund von „ausgewerteten und weiterentwickelten Erfahrungen“ Vorschläge an, welche Veränderungen in der Prozessführung notwendig sind, um die Zielvorgaben (insbesondere Ablaufparameter) einzuhalten oder wie evtl. eine Optimierung (z.B. Energieeinsparung, Reduzierung von Betriebsstoffen) erreicht werden kann.

Dadurch kann die Stabilität bei der Prozessführung in der Abwasserreinigung und die Wirtschaftlichkeit wesentlich erhöht werden.

 

4. Zusammenwirken eines Simulationsprogramms mit dem Prozessleitsystem

Das eigentliche Prozessleitsystem und das Simulationsprogramm sind grundsätzlich zwei voneinander unabhängige Systeme.

Das Prozessleitsystem erfasst die gesamten Messwerte der Online Analytik sowie Daten und Betriebszustände der Anlage und ermöglicht durch die Visualisierung einen Überblick über den aktuellen Ist-Zustand.

Aufgrund der angezeigten Ist- Situation erfolgt ein Soll Ist Vergleich durch das Bedienpersonal.

Das Simulationsprogramm greift zwar ebenfalls auf die aktuellen Betriebswerte und Zustände der Anlagentechnik zu. Auf der Grundlage der langjährig angesammelten Betriebsdaten ist die „nstlichen Intelligenz“ in der Lage durch eine Extrapolation des Ist-Zustandes die Ablaufwerte für mehrere Stunden im Voraus zu berechnen. Sollten dabei Abweichungen zu den Soll-Vorgaben auftreten, wie z. B. Überschreiten von Grenzwerten bei den Ablaufparametern, oder sollten Möglichkeiten für eine Prozessoptimierung vorhanden sein z. B durch Reduzierung beim Lufteintrag in die Biologie oder Reduzierung von Betriebsstoffen (Fällmittel), erfolgt ein entsprechender Hinweis (= „Vorschlag“) durch das System.

Ob der Vorschlag des Simulationssystems umgesetzt wird, bleibt jedoch ausschließlich in der Verantwortlichkeit des Bedienpersonals. Das Programm bietet somit eine Entscheidungshilfe in Form eines „Fahrassistenzsystem in Kombination mit einem Frühwarnsystem“ an, um einen optimierten Betrieb zu ermöglichen.

 

5. Beschaffung und Kosten

Die Marktrecherche im deutsch-, englisch-, und französischsprachigen Raum hat ergeben, dass es derzeit nur einen Anbieter gibt, der die Anforderungen an die Neuronale Netz Technik erfüllen kann. Die Nachfrage bei anderen Betreibern kommunaler Abwasserreinigungsanlagen hat diesen Sachverhalt bestätigt, dass bei der Vergabe der Leistungen ebenfalls keine weiteren Bieter ermittelt werden konnten.

Die Beschaffung des Systems könnte somit aufgrund seiner Eigenart nur von einem Unternehmen erfolgen, da das Produkt patentrechtlich gesctzt ist.

r die Einführung des eigenständigen Systems sind im Wesentlichen folgende Leistungen notwendig:

 

  • Lieferung der Hardwarekomponenten

        mit den Softwarelizenzen

  • Auditierung und Lastenhefterstellung
  • Datenvorbereitung
  • Ausführung der Modellierung (Simulierer)
  • Analyse, Bewertung, Dokumentation
  • Auswertung und Tests (Soll Ist Vergleich der Prozessdaten)
  • Installation des Simulationsprogramms
  • Prüfung und Validierung des obigen Modells (Simulierer)
  • Einweisung des Betriebspersonals
  • Begleitung während der Einfahrphase
  • Training für das Betriebspersonal für evtl. Änderungen an der Modellierung

 

Das Angebot für die Leistungen zur Einführung des Systems beträgt ca. 200.000 €.

(Kosten für die laufende Wartung und Pflege können derzeit noch nicht beziffert werden.)

 

Die Beschaffung und Einführung des Systems soll in den  Jahren 2017 / 2018 erfolgen.

 

Diese Maßnahme ist im Haushaltsplan 2017 bzw. im Investitionsprogramm 2016-2020 nicht enthalten.

Die Finanzierung dieses zeitlich dringlichen Vorhabens (neu UA 7103/16 HhSt. 1.7103.96816) kann jedoch durch Mittelbedarfsanpassungen bzw.-verschiebungen bei anderen Maßnahmen erfolgen.

Bei den Vorhaben „Betriebsoptimierung Kapazitätserweiterung - Rahmen- und Grundsatzplanung sowie Investitionsplanung sog. 5. BA“ (UA 7103/19) und „Klärwerk  Erneuerung 'Technische Anlagen der Belüftung der biologischen Reinigungsstufe'“ (UA 7103/05) sind insb. in den Jahren 2017/2018 diesbezügliche Minderausgaben und Minderverpflichtungsermächtigungen erwartbar.

Die entsprechende erforderliche außerplanmäßige Mittelbereitstellung i.H.v. insgesamt 200.000 € wird dem Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen in der Sitzung am 16.02.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

Im Rahmen der Fortschreibung der Haushalts- und Investitionsplanung insb. Nachtragshaushaltsplan 2017 erfolgt eine entsprechende Veranschlagung.

 

6. Zeitplan

r die Unterstützung des Bedienpersonals im Wechselschichtdienst ist unter den gegebenen Bedingungen eine zeitnahe Unterstützung durch ein Simulationsprogramm sinnvoll und notwendig. Nachdem die Einführung des Systems von der Beauftragung bis zur Anwendung ca. 12 Monate beansprucht, ist eine zeitnahe Auftragserteilung im 3. Quartal 2017 geplant. Damit könnte das System bis Ende 2018 zur Unterstützung und Optimierung der Betriebsabläufe bereitgestellt werden.

 


Der Ausschuss beschließt:

 

Für eine Erhöhung der Betriebssicherheit und für die Optimierung der Prozesse in der Abwasserreinigung am Klärwerk wird – vorbehaltlich der außerplanmäßigen Bereitstellung von Haushaltsmitteln - zur Unterstützung des Wechselschichtpersonals ein Simulationssystem beschafft.

 

 


Anlagen: