Vorlage - VO/17/13277/66  

 
 
Betreff: Urbane Gebiete
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Amt für Stadtentwicklung   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Entscheidung
18.07.2017 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

 

Neue Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“

 

Die neue Baugebietskategorie "Urbane Gebiete" wurde im Frühjahr 2017 im Städtebaurecht eingeführt. Im März hat der Bundestag dem Gesetzentwurf zur „Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ zugestimmt. Die Bundesregierung setzt damit einen wichtigen Teil der „Wohnungsbau-Offensive" und des Programms "Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ um, das imrz 2016 vom Kabinett beschlossen wurde. Darin ist vorgesehen, dass Bauland bereitgestellt, Wohngebiete verdichtet und Bauvorschriften vereinfacht werden.

 

Das neue Urbane Gebiet soll das Miteinander von Wohnen und Arbeiten sowie sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht stören, in den Innenstädten erleichtern und neue Möglichkeiten für den Wohnungsbau schaffen. Anders als im Mischgebiet muss die Nutzungsmischung im Urbanen Gebiet nicht gleichgewichtig sein. Hiermit wird den Kommunen zur Erleichterung des Planens und Bauens in innerstädtischen Gebieten ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem sie planerisch die nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege verwirklichen können. Konkret bedeutet das, dass im Urbanen Gebiet zulässig sind:

 

  1. Wohngebäude
  2. Geschäfts- und Bürogebäude
  3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes
  4. Sonstige Gewerbebetriebe
  5. Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke

 

Ausnahmsweise können zugelassen werden:

 

  1. Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind,
  2. Tankstellen.

 

Zu dem neuen Baugebiet sind eine höhere Bebauungsdichte (zulässige Geschossflächenzahl GFZ bis 3,0, Grundflächenzahl bis 0,8)glich. Städtebauliche Untersuchungen müssen die verträgliche Dichte und Geschossigkeit für jeden Ort konkret definieren. Parallel zur Einführung des neuen Gebietstyps „Urbane Gebiete“ wurde die TA Lärm geändert: In Nummer 6.1 der TA Lärm wurde der Immissionsrichtwert für urbane Gebiete auf 63 dB (A) tags und 45 dB (A) nachts festgelegt. Zum Vergleich: Dieser Immissionsrichtwert beträgt derzeit für Mischgebiete bzw. Kerngebiete 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts.

 

 

Urbane Gebiete in Regensburg

 

Anhaltend hohe positive Wanderungssalden haben in Regensburg in den vergangenen Jahren zu einem hohen Bevölkerungswachstum und einer massiven Nachfrage nach Wohnraum geführt. Diese Entwicklung wird sich nach einschlägigen Prognosen in den kommenden Jahren fortsetzen. Ein wesentlicher strategischer Ansatz in dieser Situation ist die stetige Ausweitung des Angebots an Wohnungen, um eine Verknappung und damit eine weitere Verteuerung des Wohnens zu verhindern. Bereits heute ist jedoch absehbar, dass die für die Schaffung von Wohnraum geeigneten Flächen im Stadtgebiet allmählich zur Neige gehen bzw. vorhandene Flächen aus unterschiedlichen Gründen nicht immer mobilisierbar sind. Vor diesem Hintergrund möchte Regensburg nun daran gehen, auch Standorte, die bisher nicht im engeren Fokusr eine Wohnnutzung standen, auf ihre Eignung für das Wohnen hin zu überprüfen.

 

Bei den Urbanen Gebieten geht es jedoch nicht nur um die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum, sondern um gemischt genutzte Quartiere mit gewerblichen, kulturellen oder sozialen Funktionen. Multifunktionalität und Dichte bestimmen letztlich darüber, ob Räume als urban wahrgenommen werden. Dabei ist durchaus denkbar, dass die neue Gebietskategorie auch zugunsten einer Stärkung (Stichwort Nachverdichtung) oder zumindest Stabilisierung von bestehenden Gewerbestandorten eingesetzt werden kann. Die Sicherung von Gewerbeflächen im Stadtgebiet, beispielsweise durch Nachverdichtung und Arrondierungen, sind wichtige Ziele im Gewerbeflächenentwicklungsplan.

 

Mit den „Urbanen Gebieten“ hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, das den Städten neue Perspektiven in diese Richtung eröffnet. Aber auch aus Sicht der Stadtentwicklungsplanung ergeben sich vielfältige Chancen, die bei richtiger Anwendung durchaus neue funktionale und städtebauliche Qualitäten hervorbringen können. Hervorzuheben ist zudem die Flexibilität der neuen Gebietskategorie. Statt einer streng paritätisch vorgegebenen Aufteilung von Wohnen und Gewerbe, wie dies bei Mischgebieten der Fall ist, kann in urbanen Gebieten die Nutzungsmischung ganz individuell an die jeweilige Situation angepasst werden.

 

Die Stadt Regensburg hat sich bereits im Stadtentwicklungsplan für vielfältige und multifunktionale Stadtquartiere ausgesprochen. Unter anderem werden die häufig zu beobachtende Monofunktionalität oder das Fehlen einer angemessenen Gestalt von Quartierszentren in den Siedlungsquartieren bemängelt. Mit der Schaffung „Urbaner Quartiere“ soll erreicht werden, dass nicht nur die Altstadt als „Stadt“ wahrgenommen wird, sondern auch die einzelnen Quartiere. Die Gebiete außerhalb der Altstadt haben in Bezug auf die Urbanität eine erhebliche Bedeutung, da dies die Umgebungen sind, mit denen sich die Menschen unmittelbar und täglich identifizieren. Die neue Gebietskategorie erlaubt nun die für Regensburg so dringende Errichtung neuen Wohnraums in Verbindung mit Funktionen wie Arbeiten, Einkaufen, kulturellen und sozialen Aktivitäten in einem Quartier, ganz nach dem Leitbild der Stadt der kurzen Wege. Dieses soll laut Stadtentwicklungsplan ausdrücklich als grundsätzliche Orientierung berücksichtigt werden.

 

Auch in stadtgestalterischer Hinsicht bieten Urbane Quartiere vielfältige Chancen. So ist die Schaffung von prägenden Stadteingängen ebenfalls ein Ziel im Stadtentwicklungsplan. Beispielsweise könnte die Ausbildung eines markanten Stadteingangs an der Landshuter Straße den Übergang vom noch eher ländlich geprägten Regensburg (Burgweinting) in die Kernstadt räumlich signalisieren.

 

Trotz der beschriebenen positiven Aspekte der Gebietskategorie „Urbane Gebiete“ darf die Stadt Regensburg ihre Verantwortung für gesunde Wohnverhältnisse in den neuen Stadtquartieren nicht aus den Augen verlieren. Es muss gewährleistet sein, dass die Bewohner keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt sind. Die Stadt Regensburg strebt daher an, die für „Urbane Gebiete“ zulässigen höheren Immissionsrichtwerte nicht und stattdessen die strengeren Immissionsrichtwerte für Mischgebiete anzuwenden. Eine Abweichung von dieser Vorgehensweise soll jedoch dann möglich sein, wenn dadurch benachbarte Gewerbegebiete in ihrem Bestand gefährdet werden könnten.

 

In Regensburg sind bislang zwei Gebiete identifiziert worden, die für diese neue Kategorie in Frage kommen. Ein Areal zwischen der Bahnfläche und der Kirchmeierstraße und das Gebiet um das ehemalige Möbelhaus Wagner zwischen Landshuter Straße und Grunewaldstraße.

 

 

Kirchmeierstraße

 

An der Kirchmeierstraße sollen in einem gestuften städtebaulichen Wettbewerb zunächst grundsätzliche Lösungsansätze untersucht werden, die im weiteren Verfahren konkretisiert werden und deren Ergebnisse anschließend in einen Bebauungsplan münden. Bei einer nutzungsgemischten Bebauung (Gewerbe, Dienstleistung, Wohnen) wären hier mindestens 300 Wohneinheiten möglich. Da das Wohnen die immissionsempfindlichste Nutzung darstellt, müssen dafür die geschützten Bereiche im gesamten Quartier vorgehalten werden. Dort, wo die Lärmimmissionen eine Wohnnutzung nicht erlauben, sollen im Quartier Atelierflächen für die Kreativwirtschaft, Künstler und handwerklich gewerbliche Tätigkeiten entstehen. Ziel ist, ein buntes Quartier zu entwickeln mit öffentlich gefördertem Wohnungsbau und Dienstleistungs-, Gewerbe- und Handelsflächen sowie sozialer Infrastruktur.

 

Die unterschiedlichen Nutzungsarten sollen sich ergänzen und zu einem lebendigen Stadtquartier beitragen. Daher ist in den Erdgeschossen entlang der Freiflächen bewusst kleinteiliger Einzelhandel (Bäcker, Metzger) mit Cafés und Restaurants vorgesehen. Dies belebt die Plätze und stärkt das soziale Miteinander im Quartier. Eine wohnortnahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs stellt nicht nur eine hohe Wohnqualität her, sondern reduziert auch den Verkehr in der Stadt.

 

In einer Studie zur Regensburger Stadtsilhouette von Trojan Trojan + Partner aus dem Jahr 2010 werden die Bahnterrassen und die westliche Stadteinfahrt als Orte für profilbildende Gebäude genannt.

 

Diese Flächen entlang der Kirchmeierstraße und Friedenstraße, so ist dort beschrieben, bieten ein Entwicklungspotential, das die Kernstadt auch funktional ergänzt und entlastet. Durch Versorgungseinrichtungen und repräsentative Dienstleistungen eröffnet sich die Chance, die Stadttangente zu einem urbanen Boulevard aufzuwerten. Die Bebauungsstruktur besteht laut Studie aus kompakten Bausteinen und durch punktuelle Höhenentwicklungen bis zu 25 m können markante städtebauliche Akzente gesetzt werden.

 

 

Grunewaldstraße

 

Das Gebiet an der Grunewaldstraße ist bereits von einer gemischten Bebauung umgeben. Zahlreiche Gewerbebetriebe befinden sich dort, aber in dem Karree Benzstraße, Schönebergerstraße und Grunewaldstraße wohnen auch über 1.100 Menschen. Im Regensburg-Plan 2005 war eine Weiterentwicklung dieses Quartiers in Richtung Norden, auf dem Gelände der damals frei werdenden Bajuwarenkaserne, vorgesehen. Angedacht war eine Nutzungsmischung aus Wohnen und Gewerbe, mit der das Quartier um die Schönebergerstraße aus seiner Insellage heraus- und an das benachbarte Kasernenviertel herangeführt worden wäre. Mit dem Bau der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung  in der Bajuwarenkaserne sind diese Pläne in einem absehbaren Zeitraum nicht mehr umsetzbar. Nun aber ergibt sich durch die Ausweisung eines „Urbanen Gebiets“ um die Grunewaldstraße eine neue Chance, das Quartier zu erweitern, zu stärken und als eigenständiges Viertel zu positionieren.  Dabei soll die vorhandene gemischte Nutzungsstruktur aufgegriffen werden und neue Wohngebäude sowie nicht störendes Gewerbe und Büros entstehen. Diese Nutzungen sollen ergänzt werden durch einen Quartiersplatz mit Einzelhandelsflächen und Gastronomie, der die Funktion eines Quartierszentrums zugeschrieben bekommt. Auch hier sollen öffentlich geförderte Wohnungen in einem größeren Umfang sowie soziale Einrichtungen (Kindertagesstätte, Pflegestation) entstehen.

 

Im Gebiet Grunewaldstraße ist jedoch besonders zu beachten, dass sich in der  näheren Umgebung verschiedene etablierte gewerbliche Nutzungen, u. a. Mercedes Benz, befinden. Es muss daher verhindert werden, dass sich durch die Nachverdichtung von Wohnen der Gebietscharakter mittelfristig zu Lasten der Gewerbebetriebe verändert. Hier könnte sich eine Situation ergeben, in der über die Ausschöpfung der Lärmkontingente in Urbanen Gebieten nachgedacht werden müsste.

 

Durch die vielfältigen Nutzungen und Angebote und das Entstehen von urbanen Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität werden in dem neuen Gebiet wichtige Funktionen erfüllt, die dem Quartier bisher fehlen. Auch die Flächen entlang der Landshuter Straße werden in der Studie zur Stadtsilhouette als stadtbildwirksame Umstrukturierungsflächen genannt. Sie sollen mit Anschluss an die Autobahn und als Verbindungsstraße nach Burgweinting den Stadteingang definieren. Für das weitere Vorgehen ist hier ebenfalls die Auslobung eines städtebaulichen Wettbewerbs vorgesehen, der die Grundlage des Bebauungsplanes darstellen wird.

 

 

Weiteres Vorgehen

 

Zunächst soll die neue Gebietskategorie des Urbanen Gebietes in Regensburg bei den beiden beschriebenen Vorhaben, die auch recht zügig umsetzbar sind, Anwendung finden. In einem nächsten Schritt, wenn bereits erste Erfahrungswerte aus diesen Entwicklungen vorhanden sind, soll das weitere Stadtgebiet untersucht und festgelegt werden, auf welchen weiteren Flächen diese Kategorie noch Anwendung finden kann.


 

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, die planerischen Schritte für die vorgestellten Gebiete an der Kirchmeierstraße und Grunewaldstraße für eine Entwicklung zu einem „Urbanen Gebiet“ einzuleiten.

 

  1. Die Verwaltung wird weiterhin beauftragt, im Stadtgebiet weitere für den Gebietstyp „Urbanes Gebiet“ in Frage kommenden Flächen zu lokalisieren und zügig zu entwickeln.

 


Anlage:

 

Urbane Gebiete 2017

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Urbane Gebiete 2 (3629 KB)