Vorlage - VO/17/13581/61  

 
 
Betreff: Studie höherwertiges ÖPNV-System, Ergebnis Nutzen-Kosten-Untersuchung
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Stadtplanungsamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Entscheidung
17.10.2017 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt: 

 

Einleitung

Zuletzt hatte die Verwaltung im Januar 2017 dem Ausschuss einen Zwischenbericht zur Studie höherwertiges ÖPNV-System vorgelegt. Der Ausschuss hatte die Verwaltung beauftragt, auf der Grundlage des vorgeschlagenen Kernnetzes mit zwei Linien in Form eines umgedrehten „Y“ die weiteren Untersuchungen durchzuführen. Bestandteil der Untersuchungen waren sowohl ein Stadtbahnnetz (Tram) als auch ein Busbahn-System (BRT = Bus Rapid Transit). Über die Zwischenergebnisse wurde im Nachgang auch beim Landkreis Regensburg bzw. im GFN-Aufsichtsrat sowie im RVV-Aufsichtsrat berichtet.

r beide Varianten werden in der so genannten Standardisierten Bewertung Nutzen-Kosten-Quotienten Werte von 1,0 erreicht bzw. teilweise deutlich überschritten. Das Ergebnis der Standardisierten Bewertung ist wichtig im Hinblick auf eine mögliche finanzielle Förderung des Vorhabens nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und somit eine wichtiges Indiz dahingehend, ob die Weiterverfolgung eines solchen Projektes empfohlen werden kann und welches System hierbei zu favorisieren ist.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchung im Detail vorgestellt. Hierzu wird auf die beiliegende Kurzzusammenfassung des Gutachterbüros komobile verwiesen (Anlage 1). Der umfassende Endbericht wird Anfang 2018 vorgelegt werden.

Aufgrund des relativ frühen Projektstadiums, zu dem noch keine detaillierte Infrastrukturplanung vorliegt, mussten bei der Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen in einigen Punkten Vereinfachungen gegenüber der Verfahrensanleitung zur „Standardisierten Bewertung“ vorgenommen werden. Ziel der vorliegenden Bewertung ist demnach nicht die unmittelbare und letztgültige Feststellung hinsichtlich der Möglichkeit einer Bezuschussung nach dem GVFG, sondern eine plausible erste Grobabschätzung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses, auf deren Basis die von der Stadt zu treffende System­entscheidung erfolgen und anschließend konkretere Planungen eingeleitet werden können.

 

Liniennetz

Bestandteil der Studie ist das im Zwischenbericht (Ausschusssitzung am 31.01.2017) vorgestellte Kernnetz, bestehend aus 2 Linien:

  • Linie A
    verkehrt von Wutzlhofen über die Nibelungenbrücke, die Achse Wöhrdstraße D.-Martin-Luther-Straße Hauptbahnhof Galgenbergstraße und den Hochschul­campus zum Uni-Klinikum
  • Linie B
    beginnt im Norden im Bereich Alex-Center und fährt ebenfalls über die Wöhrd- und D.-Martin-Luther-Straße zum Hauptbahnhof und weiter entlang der Furtmayrstraße und Landshuter Straße nach Burgweinting

 

Zwischen dem Alex-Center und dem südlichen Ende der Galgenbergbrücke überlagern sich beide Linien, da die hier stärkste Nachfrage herrscht. Der nördliche und der südliche Abschnitt der Linie A haben zusammen eine Länge von 5,9 km, der gemeinsame Abschnitt beider Linien ist 3,4 km lang und der südliche Ast der Linie B 5,2 km. Insgesamt beträgt damit die Streckenlänge 14,5 km.

Der Anteil der Strecken, der auf eigenen Trassen geführt werden kann, liegt bei 74 %. Die verbleibenden Abschnitte von rund 26 % müssen wegen fehlender Flächenverfügbarkeit im Verkehrsraum im Mischverkehr geführt werden.

Auf beiden Linien soll werktags im Tagesverkehr ein 5-Minuten-Takt verkehren. Durch die Überlagerung entsteht auf der Stammstrecke Alex-Center Hauptbahnhof ein 2,5-Minuten-Takt. Wichtiges Kriterium der Angebotsqualität ist die Reisegeschwindigkeit, die im Mittel für die Tram mit 24 km/h und für das BRT mit 23 km/h (inkl. Haltestellenaufenthalte) angenommen wird.

In Vorbereitung der Nutzen-Kosten-Untersuchung wurde das Sekundärnetz noch einmal optimiert. Auf Grund der geringeren Beförderungskapazität des BRT werden bei diesem Szenario die Regionalbuslinien nicht so umfassend angepasst wie beim Szenario Tram, verkehren also in einem größerem Umfang noch bis zum Hauptbahnhof.

Punktuell gab es auch Anpassungen beim Linienverlauf des höherwertigen ÖPNV-Systems selbst: Im Bereich Burgweinting wurde hierbei ein Linienverlauf angenommen, der von der Landshuter Straße kommend über die Kirchfeldallee und den Park „Villa Rustika“ direkt ins dichter bebaute Zentrum des Bauabschnittes Burgweinting Mitte und von da weiter zum SPNV-Haltepunkt führt (der stauanfällige Abschnitt Obertraublinger Straße wird so umfahren und die Fahrgastpotenziale des Baugebiets werden besser erschlossen).

 

Kostenannahmen

Die Gesamtinvestitionen in die Fahrwegsinfrastruktur und ortsfeste Einrichtungen (inkl. Sonderbauwerke) werden für das BRT-System auf 203 Mio. €, für ein Tram-System auf 246 Mio. € geschätzt. Pro Kilometer wären das umgerechnet 14 Mio. € (BRT) bzw. 17 Mio. € (Tram). Die Kostenannahmen wurden noch einmal auf Basis aktueller Vergleichsprojekte präzisiert. Auch beziehen sich die angegebenen Kosten ausschließlich auf die Parameter, die bei der Standardisierten Bewertung relevant sind.

Einige Sonderbauwerke insb. eine eventuell neu zu bauende Haltestellenanlage auf der Galgenbergbrücke wurden nicht einbezogen, da dies innerhalb der Investition zum ZOB-Neubau zum Zeitpunkt 2030 bereits als realisiert angenommen wird.

 

Nutzen-Kosten-Untersuchung Planfälle

Im Rahmen der Standardisierten Bewertung wird der Nutzen, der durch das ÖPNV-Projekt generiert werden kann, den Kosten, die hierzu in die Fahrwegsinfrastruktur investiert werden müssen, gegenübergestellt. Die Berechnungsmethodik ist grundsätzlich bundesweit verein­heitlicht. Da nach den Erfahrungen in anderen Städten nach der Realisierung eines ÖPNV-Projektes, wie etwa einer Tram, meist wesentlich höhere Fahrgastzahlen zu verzeichnen sind als ursprünglich ermittelt, wurden vom Gutachter zwei zusätzliche Bewertungsszenarien definiert, in denen abweichend von der Standardisierten Bewertung weitere, verkehrlich relevante Wirkungen und Potenziale mit einbezogen sind.

  • Planfall „streng“:
    dieser orientiert sich strikt an den Vorgaben der Standardisierten Bewertung.
  • Planfall „mittel“:
    dieser berücksichtigt zusätzlich die Wirkung von Umstiegen über P&R-Anlagen, die in Wutzlhofen und Burgweinting unterstellt wurden, sowie die Potenziale, die durch städtebauliche Verdichtungen im Umfeld der Trassen des höherwertigen Systems generiert werden könnten
  • Planfall „max“:
    dieser berücksichtigt zusätzlich zum Planfall „mittel“ auch die Wirkungen, die sich durch die Eingriffe ins Straßennetz für die MIV-Reduktion bzw. den dadurch erzielbaren Umstieg vom MIV zum ÖPNV ergeben würden, sowie die Verlagerungen vom nicht-motorisierten Verkehr hin zum höherwertigen System.
     

Verglichen werden alle Planfälle (im Sinne eines sog. „Mitfalls“) für das Prognosejahr 2030 mit dem sog. „Ohne-Fall“, der die Situation eines Busnetzes im Jahr 2030 (also ohne geplante Tram oder BRT) beschreibt.

r die Szenarien Tram und BRT konnten ähnlich hohe positive verkehrliche Wirkungen ermittelt werden. Im Unterschied zur Tram kommt das BRT-System dabei aber bereits an seine Kapazitätsgrenzen. An nachfragestarken Streckenabschnitten etwa D.-Martin-Luther-Str. oder Galgenberstraße/Universität weist das BRT trotz Parallelverkehre durch Buslinien des Sekundärnetzes so hohe Auslastungen auf, dass der sog. Dimensionierungsnachweis, der nach Standardisierter Bewertung erforderlich ist, für dieses System unter den getroffenen Annahmen nicht geführt werden kann.

 

NKU-Ergebnis

In der Gegenüberstellung der Investitionskosten für die Infrastruktur und Betriebskosten einerseits und dem Nutzen, der andererseits durch Reisezeitersparnisse, die Verlagerung von MIV-Fahrten und den damit erzielbaren Einsparungen an CO2 und Unfallfolgen sowie den ÖPNV-betrieblichen Effekten entsteht, zeigt sich, dass beide Systeme in allen drei Bewertungsvarianten einen NKU-Faktor in einer Spanne von knapp unter 1,0 bis knapp über 2,0 erzielen.

 

Bewertungsvariante

Tram

BRT

streng“

0,96

1,41

mittel

1,10

1,56

max“

1,62

2,09

 

Tabelle: NKU-Faktor der beiden Systeme Tram und BRT nach den drei Bewertungsvarianten

 

Der höhere Nutzen-Kosten-Faktor für das BRT-System ist dabei v. a. auf die deutlich geringeren Infrastrukturinvestitionen für dieses System zurückzuführen.

 

Schlüsse / Empfehlungen

Ein höherwertiges ÖPNV-System liegt in der geplanten Form und seinem Investitionsbedarf in einem wirtschaftlich zu rechtfertigenden Bereich und kann für Regensburg grundsätzlich empfohlen werden. Der Nutzen, der diese Investitionen rechtfertigt, entsteht insbesondere durch die heren Reisegeschwindigkeiten, die für ein höherwertiges ÖPNV-System unterstellt werden. Der künftige Erfolg und die Förderwürdigkeit des Projekts hängen somit entscheidend davon ab, dass es gelingt, ein solches System weitgehend auf eigenen Trassen zu führen und wo dies nicht möglich ist das System innerhalb des Gesamtverkehrssystem beschleunigt abzuwickeln.

Im direkten Vergleich der beiden untersuchten Systeme Tram und BRT schneidet das BRT-System beim NKU-Faktor etwas besser ab als die Tram. Grund hierfür sind v. a. die geringeren Investitions- und Betriebskosten des BRT. In der Gesamtbeurteilung muss aller­dings berücksichtigt werden, dass das BRT in der untersuchten Form allein schon wegen seiner Kapazitätsgrenzen seitens der Gutachter nicht empfohlen werden kann.

Angesichts der Zielsetzung der Stadt, mit dem höherwertigen ÖPNV-System einen System­sprung für die Zukunft des ÖPNV in Regensburg zu erreichen, empfiehlt die Verwaltung, beim Projekt „herwertiges ÖPNV-System“ sich schwerpunktmäßig auf eine Tram zu konzentrieren. Hierfür sprechen u.a. auch folgenden Gründe:

  • Bei der BRT-Variantessen parallel zum BRT-System dauerhaft mehr Busse bis ins Zentrum geführt werden, um ausreichende Beförderungskapazitäten anbieten zu können. Der Ansatz eines eigenständigen höherwertigen Systems würde somit verwässert. Doppelstrukturen, z. B. für Haltestellen, wären erforderlich.
  • Im Bereich des ZOB müsste im Falle des BRT-Systems dauerhaft eine höhere Zahl an Bussteigen vorgehalten werden. Im Falle der Tram-Variante kann dieser städte­baulich bedeutsame Raum am wirksamsten entlastet werden. Auch könnte eine Tram gestalterisch anspruchsvoller eingebunden werden (Stichwort: Rasengleis).
  • Die Tram besitzt die erforderlichen Reserven in der Beförderungskapazität, die eine wachsende Stadt benötigt. Auch eine wachsende Fahrgastnachfrage aus der Region (z. B. Umstieg über den SPNV auf das höherwertige System am Stadtrand) wird nur ein Tram-System gut bewältigen können.
  • Schließlich ist die Akzeptanz der Tram als schienengebundenes Verkehrsmittel sowohl bei Fahrgästen als auch bei anderen Verkehrsteilnehmern deutlich höher als bei einem Busbahnsystem (sog. „Schienenbonus“).

 

Weiteres Vorgehen:

Bei der mittels der Studie zu begründenden Systementscheidung möchte die Stadt sowohl die interessierte Öffentlichkeit, lokale Initiativen und Akteure einbeziehen als auch eine bestmögliche Auseinandersetzung des Stadtrats mit den verschiedenen Argumenten zu diesem Projekt sicherstellen. Deshalb wird für das unmittelbar anstehende Vorgehen Folgendes vorgeschlagen:

  • Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie im städtischen Online-Beteiligungsportal. Hierbei soll es der Öffentlichkeit zugleich möglich sein, Rückfragen zur Studie zu stellen und auch im Sinne eines Forums verschiedene Aspekte miteinander zu diskutieren. Aus den Ergebnissen der Beteiligung werden somit nochmal wichtige Impulse für die weiteren Planungsschritte eruiert (Zeitraum November/Dezember).
  • Durchführung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Stadtrats, in der zusammen mit dem Gutachterteam Einzelfragen vertiefend geklärt werden können. Hierbei können auch Fragenkomplexe aus der Öffentlichkeitsarbeit mit behandelt werden (Zeitraum Ende November).
     

Unter Berücksichtigung der Anregungen aus diesen Schritten kann der umfassende Endbericht Anfang 2018 vorgelegt werden. Auf dieser Basis kann dann die Systementscheidungr ein zu bevorzugendes ÖPNV-Verkehrssystem getroffen werden.

 


Der Ausschuss beschließt:

 

  1. Der Bericht der Verwaltung wird zustimmend zur Kenntnis genommen.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, die Bürgerinnen und Bürger über die vorliegenden Ergebnisse der Studie zur Einführung eines höherwertigen ÖPNV-Systems, wie in der Sachverhaltsdarstellung aufgezeigt, zu informieren.
  3. Im Anschluss an die Bürgerinformation legt die Verwaltung dem Ausschuss das Thema erneut zur Beratung und Beschlussfassung vor.

 


Anlagen:

 

Kurzbericht zu den Ergebnissen der Nutzen-Kosten-Untersuchung

(komobile, September 2017)

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage_Kurzbericht NKU und Systemempfehlung inkl Plaene (24269 KB)