Vorlage - VO/19/15639/51  

 
 
Betreff: Einrichtung einer weiteren Stütz- und Förderklasse für das Grundschulalter
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer
Federführend:Amt für Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Entscheidung
04.07.2019 
Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

1. Allgemeines Profil der Institution Stütz- und Förderklasse

 

Die Stütz- und Förderklasse (im Folgenden SFK) stellt eine kooperative Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Jugendhilfe und Schule dar, deren Angebot sich an Kinder richtet, die aufgrund erheblicher Auffälligkeiten im Verhalten (momentan) weder das reguläre Angebot der Förderschule noch das einer allgemeinen Schule wahrnehmen können und entsprechend einer besonders strukturierten, individualisierten und umfassenden Beschulung bedürfen. Es handelt sich um eine Form der schulischen Förderung mit integriertem heil- und sozialpädagogischem Angebot, wobei der Schwerpunkt auf die emotionale und soziale Entwicklung der Kinder gerichtet ist.

 

Die Institution SFK verfolgt im Wesentlichen drei Rahmenziele. Zum einen sollen bei den schulpflichtigen Kindern Lern- und Entwicklungsprozesse initialisiert werden, durch die sie emotionale, soziale und kognitive Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben und festigen können. Des Weiteren sollen die Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit gestärkt und den Familien Perspektiven im sozialen Netzwerk eröffnet werden. Als wichtigstes Ziel ist die Rückführung/ Reintegration des Kindes in eine Regel- oder Förderschule, innerhalb eines Zeitraumes von maximal zwei Jahren, angestrebt.

 

Aus diesen Rahmenzielen leiten sich folgende pädagogische Aufgabenstellungen ab: Hauptaufgabe ist es, auf eine Reintegration, d.h. die Wiedereingliederung in das ehemals gewohnte Schulumfeld hinzuarbeiten. Dazu ist es einerseits notwendig, vorhandene Verhaltens- und Entwicklungsstörungen durch gezielte pädagogische und therapeutische Interventionen abzubauen bzw. zu verringern und andererseits Ressourcen wie z.B. Lerninteresse, Selbstwirksamkeitserfahrung, Selbstwertgefühl und Selbstkontrolle zu entwickeln und zu fördern. Zudem soll der Aufbau protektiver Faktoren, beispielsweise die Integration in Vereine oder Freizeiteinrichtungen der Erreichung dieses Ziels dienen. Ein integrierter Handlungsplan, der in Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe für den einzelnen Schüler erarbeitet und ständig an die sich verändernden Bedingungen und Bedürfnisse angepasst wird, ist dazu unabdinglich. Ist eine Rückführung nicht möglich, müssen seitens der Fach­kräfte Alternativen, z.B. eine teilstationäre oder vollstationäre Unterbringung im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (§§ 27 ff SGB VIII) geplant bzw. realisiert werden. Dabei sind die Sorgeberechtigten zu beteiligen.

 

Da es sich bei der SFK um eine Kooperation von Schule und öffentlicher Jugendhilfe handelt, liegen die rechtlichen Grundlagen der Institution in beiden Systemen begründet. Im schulischen System bilden die Basis für die Einrichtung einer SFK die Artikel 19 ff. des Bayerischen Gesetztes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG). Spezifischer sind die Voraussetzungen für die Einrichtung einer SFK durch § 21 Abs. 2 S. 3 der Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen rderung (VSO-F) geregelt. Demzufolge können für SchülerInnen, die einen besonders hohen Förderbedarf im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (und ggf. zusätzlichen Förderbedarf in anderen Förderschwerpunkten) aufweisen, sonderpädagogische Stütz- und Förderklassen eingerichtet werden. Bei erzieherischem Bedarf nach dem SGB VIII geschieht dies in integrativer Verknüpfung und Zusammenarbeit mit Maßnahmen der Jugendhilfe. Gemäß § 28 Abs.4 VSO-F muss zur Entscheidung über die Eignung der SFK als passender Förderort ein sonderpädagogisches Gutachten erstellt werden. Zusätzlich bedarf es einer sozialpädagogischen Diagnose.


Im System der Kinder- und Jugendhilfe fußen die rechtlichen Grundlagen der SFK auf dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz), in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen für Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe festgelegt sind. Für eine Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der schulischen Einrichtung SFK ist ein Hilfebedarf aufgrund
§ 27 SGB VIII (Hilfe zur Erziehung) oder aufgrund § 35a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) anspruchsbegründend.

 

 

2. Stütz- und Förderklassen in Regensburg

 

In Regensburg wurden Stütz- und Förderklassen entsprechend der gemeinsamen Konzeption von Kultus- und Sozialministerium (s. Anlage) erstmals im Jahr 2007 eingerichtet. Zunächst eine SFK für den Grundschulbereich (Jahrgangsstufen 2-4) am SPZ Bajuwarenstraße und eine SFK für den Hauptschulbereich (Jahrgangsstufen 5-9) am Förderzentrum Jakob-Muth-Schule in der Isarstraße. Allerdings wurde von der ministeriellen Konzeption insofern abgewichen, als dass die Klassen seitens der Jugendhilfe nicht durch jeweils zwei sozialpädagogische Vollstellen besetzt, sondern lediglich mit einem VZÄ ausgestattet wurden.

In einem multiprofessionellen Team, i.d.R. bestehend aus einer sonderpädagogischen Förderlehrkraft, einer heilpädagogischen Förderlehrkraft und einer sozialpädagogischen Fachkraft (wobei die Lehrkräfte aus dem Schulsystem kommen, die sozialpädagogische Kraft hingegen aus der Jugendhilfe) werden maximal 8 Kinder/ Jugendliche beschult und betreut. Beide Klassen waren von Beginn an ausgelastet, teilweise mit einem Platz überbelegt.

Ab dem Schuljahr 2012/2013 wurde aufgrund der hohen Auslastung und der vielen Anfragen  eine weitere SFK für den Grundschulbereich an der Jakob-Muth-Schule in der Harzstr. eingerichtet und ab dem Schuljahr 2015/ 2016 kam eine weitere SFK für den Hauptschulbereich im Standort Isarstraße hinzu. In diesem Zuge entschied man sich, den Hauptschulbereich zu splitten und in einer der SFKs für den Hauptschulbereich nur SchülerInnen der Jahrgangsstufen 5-7, in der anderen SFK für den Hauptschulbereich nur SchülerInnen der Jahrgangsstufen 7-9 zu beschulen/ betreuen.

 

3. Bedarfsfeststellung

 

In den letzten beiden Schuljahren war die Auslastung aller vier SFKs weiterhin auf hohem Niveau. Hinzu kommen zahlreiche Anfragen, die den hohen Bedarf unterstreichen, jedoch aufgrund spezieller Gruppenkonstellationen trotz teils freier Plätze nicht immer erfüllt werden können. Hier steht die Homogenität der Gruppe/ die Passung der Gruppe aus pädagogischen Erwägungen über der Ausschöpfung aller vorhandenen Kapazitäten.

 

Belegungssituation:

 

SFK Grundschulstufe:

 

Schuljahr 17/18

Schuljahr 18/19

SFK Bajuwarenstraße

6

7

SFK Harzstraße

6

6

 

SFK Hauptschulstufe:

 

Schuljahr 17/18

Schuljahr 18/19

SFK Isarstraße 5-7

7

6

SFK Isarstraße 7-9

6

6

 

Platzanfragen:

SFK Grundschulstufe:

 

Schuljahr 17/18

Schuljahr 18/19

SFK Bajuwarenstraße

7

4

SFK Harzstraße

1

4

 

 

 

 

SFK Hauptschulstufe:

 

Schuljahr 17/18

Schuljahr 18/19

SFK Isarstraße 5-7

8

11

SFK Isarstraße 7-9

13

14

 

 

Alleine die Zahl der Anfragen zeigt schon, dass die Bedarfslage weiterhin hoch ist.

 

Im Grundschulbereich ist in den letzten Jahren zudem eine neue Entwicklung zu beobachten. Bislang war die Konzeption der SFK für diesen Bereich so ausgelegt, dass keine Schüler der Jahrgangsstufe 1 aufgenommen wurden. Hintergrund war die gemeinsam vertretene Haltung von Schule und Jugendhilfe, dass jedes Kind zunächst die Chance haben muss, sich im Regelbetrieb einer Grund- oder Förderschule zu Recht zu finden. Erst wenn alle dort vorhandenen Mittel (z.B. Mobile sonderpädagogische Dienste) ausgeschöpft wurden und der Bedarf besteht, kann eine Platzierung in der SFK im zweiten Jahr der Beschulung erfolgen.

Hier ist eine Änderung der Bedarfslagen zu beobachten. Im Verlauf der letzten beiden Schuljahre häufen sich die Anfragen für Schüler der Jahrgangsstufe 1 geballt. Viele Kinder kommen mit so erheblichen Problemlagen im sozial-emotionalen Bereich aus der SVE oder anderen Institutionen (z.B. Tigerlilly der KJP Regenebsurg), dass eine Regelbeschulung in Grund- oder Förderschule nicht durchführbar ist (s. hierzu auch Stellungnahme der Jakob-Muth-Schule im Anhang). Es ist deshalb in Kooperation mit der Jakob-Muth-Schule geplant, eine weitere SFK für den Grundschulbereich speziell für die Jahrgangsstufen 1-2 einzurichten. Hierfür ist seitens der Jugendhilfe die Einrichtung einer weiteren Vollstelle erforderlich.

 

Der Erfolg dieses Kooperationsmodells der Systeme Schule und Jugendhilfe lässt sich zum einen an der hohen Rückführungsquote an die Regelschule und zum anderen an der Wirt­schaftlichkeit dieser Maßnahme messen.

 

Im Jahr 2019 erstellte das Amt für Jugend und Fa­milie einen Wirtschaftlichkeitsnachweis, der belegt, dass in einem Schuljahr aufgrund des Angebots der bestehenden vier Stütz- und Förder­klassen in der Stadt Regensburg etwa 650.000 € eingespart wurden (Gegenüberstellung von städt. Perso­nalkosten und nicht angefallenen Hilfekosten, z. B. heilpädagogische Tagesstätte oder vollstationäre Unterbringung in der Jugendhilfe). Aus fachlicher Sicht nicht weniger wichtig scheinen dabei die Aspekte, dass die Herausnahme von Kindern aus ihren Familien vermieden und der Zusammenhalt der betroffenen Familien gestärkt werden kann.

 

Aufgrund des überaus hohen Versorgungsbedarfs (bestehende Wartelisten) Regensburger Familien und des pädagogischen und wirtschaftlichen Erfolgs der Arbeit in den Stütz- und Förderklas­sen soll eine weitere Stütz- und Förderklasse für die Jahrgangsstufen eins bis zwei einge­richtet werden. Das Vorhaben ist allerdings mit den Vorbehalten versehen, dass die Regierung der Oberpfalz das notwendige Lehrerpersonal zur Verfügung stellt, von Seiten der Stadt Regensburg die erforderlichen Raumkapazitäten an der Jakob-Muth-Schule bereitgestellt werden und eine zusätzliche Vollzeitstelle im Bereich der Jugendhilfe geschaffen wird.

 

 

4. Haushaltsrechtliche Hinweise

 

Die bisherigen Personalausgaben erhöhen sich lt. Verwaltungsanordnung VA 11.21 bei einer zusätzlichen Vollstelle SozialpädagogIn zum Haushalt 2020 in TVöD SuE S 12 (inkl. der Kosten eines IuK-Arbeitsplatzes) um 90.450 €. Ein entsprechender Stellenplanantrag zur Stellenschaffung wurde gestellt.


 

Der Ausschuss beschließt:

 

Es wird vorbehaltlich der Beteiligung der Regierung der Oberpfalz und entsprechender Raumkapazitäten an der Jakob-Muth-Schule eine weitere Stütz- und Förderklasse für Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter (Eingangsbereich) zum Schuljahr 2020/21 eingerichtet.

 


Anlagen:

 

  • Konzeption Sonderpädagogische Stütz- und Förderklassen, von KM, StMAS und LMU, 2007
  • Stellungnahme zum Bedarf seitens der Jakob-Muth-Schule vom 30.01.2019

 

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1 sfk_konzeption_aktualisiert_mit_vso_f_09_2008 (473 KB)    
Anlage 2 2 Anlage 2 Stellungnahme_SFK_1-2 der Jakob-Muth-Schule (219 KB)