Sachverhalt:
1. Allgemeines Profil der Institution Stütz- und Förderklasse
Die Stütz- und Förderklasse (im Folgenden SFK) stellt eine kooperative Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Jugendhilfe und Schule dar, deren Angebot sich an Kinder richtet, die aufgrund erheblicher Auffälligkeiten im Verhalten (momentan) weder das reguläre Angebot der Förderschule noch das einer allgemeinen Schule wahrnehmen können und entsprechend einer besonders strukturierten, individualisierten und umfassenden Beschulung bedürfen. Es handelt sich um eine Form der schulischen Förderung mit integriertem heil- und sozialpädagogischem Angebot, wobei der Schwerpunkt auf die emotionale und soziale Entwicklung der Kinder gerichtet ist.
Die Institution SFK verfolgt im Wesentlichen drei Rahmenziele. Zum einen sollen bei den schulpflichtigen Kindern Lern- und Entwicklungsprozesse initialisiert werden, durch die sie emotionale, soziale und kognitive Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben und festigen können. Des Weiteren sollen die Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit gestärkt und den Familien Perspektiven im sozialen Netzwerk eröffnet werden. Als wichtigstes Ziel ist die Rückführung/ Reintegration des Kindes in eine Regel- oder Förderschule, innerhalb eines Zeitraumes von maximal zwei Jahren, angestrebt.
Aus diesen Rahmenzielen leiten sich folgende pädagogische Aufgabenstellungen ab: Hauptaufgabe ist es, auf eine Reintegration, d.h. die Wiedereingliederung in das ehemals gewohnte Schulumfeld hinzuarbeiten. Dazu ist es einerseits notwendig, vorhandene Verhaltens- und Entwicklungsstörungen durch gezielte pädagogische und therapeutische Interventionen abzubauen bzw. zu verringern und andererseits Ressourcen wie z.B. Lerninteresse, Selbstwirksamkeitserfahrung, Selbstwertgefühl und Selbstkontrolle zu entwickeln und zu fördern. Zudem soll der Aufbau protektiver Faktoren, beispielsweise die Integration in Vereine oder Freizeiteinrichtungen der Erreichung dieses Ziels dienen. Ein integrierter Handlungsplan, der in Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe für den einzelnen Schüler erarbeitet und ständig an die sich verändernden Bedingungen und Bedürfnisse angepasst wird, ist dazu unabdinglich. Ist eine Rückführung nicht möglich, müssen seitens der Fachkräfte Alternativen, z.B. eine teilstationäre oder vollstationäre Unterbringung im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (§§ 27 ff SGB VIII) geplant bzw. realisiert werden.
Da es sich bei der SFK um eine Kooperation von Schule und öffentlicher Jugendhilfe handelt, liegen die rechtlichen Grundlagen der Institution in beiden Systemen begründet. Im schulischen System bilden die Basis für die Einrichtung einer SFK die Artikel 19 ff. des Bayerischen Gesetztes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG). Spezifischer sind die Voraussetzungen für die Einrichtung einer SFK durch §21 Abs. 2 S. 3 der Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung (VSO-F) geregelt. Demzufolge können für SchülerInnen, die einen besonders hohen Förderbedarf im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (und ggf. zusätzlichen Förderbedarf in anderen Förderschwerpunkten) aufweisen, sonderpädagogische Stütz- und Förderklassen eingerichtet werden. Bei erzieherischem Bedarf nach dem SGB VIII geschieht dies in integrativer Verknüpfung und Zusammenarbeit mit Maßnahmen der Jugendhilfe. Gemäß §28 Abs.4 VSO-F muss zur Entscheidung über die Eignung der SFK als passender Förderort ein sonderpädagogisches Gutachten erstellt werden. Zusätzlich bedarf es einer sozialpädagogischen Diagnose. Im System der Kinder- und Jugendhilfe fußen die rechtlichen Grundlagen der SFK auf dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz), in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen für Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe festgelegt sind. Für eine Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der schulischen Einrichtung SFK ist ein Hilfebedarf aufgrund §27 SGB VIII (Hilfe zur Erziehung) oder aufgrund §35a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) anspruchsbegründend.
2. Stütz- und Förderklassen in Regensburg
In Regensburg wurden Stütz- und Förderklassen entsprechend der gemeinsamen Konzeption von Kultus- und Sozialministerium erstmals im Jahr 2007 eingerichtet. Zunächst eine SFK für den Grundschulbereich (Jahrgangsstufen 2-4) am SPZ Bajuwarenstraße und eine SFK für den Hauptschulbereich (Jahrgangsstufen 5-9) am Förderzentrum Jakob-Muth-Schule in der Isarstraße. Allerdings wurde von der ministeriellen Konzeption insofern abgewichen, als dass die Klassen seitens der Jugendhilfe nicht durch jeweils zwei sozialpädagogische Vollstellen besetzt, sondern lediglich mit einem VZÄ ausgestattet wurden. In einem multiprofessionellen Team, i.d.R. bestehend aus einer sonderpädagogischen Förderlehrkraft, einer heilpädagogischen Förderlehrkraft und einer sozialpädagogischen Fachkraft (wobei die Lehrkräfte aus dem Schulsystem kommen, die sozialpädagogische Kraft hingegen aus der Jugendhilfe) werden maximal 8 Kinder/ Jugendliche beschult und betreut. Beide Klassen waren von Beginn an ausgelastet, teilweise mit einem Platz überbelegt. Ab dem Schuljahr 2012/2013 wurde aufgrund der hohen Auslastung und der vielen Anfragen eine weitere SFK für den Grundschulbereich an der Jakob-Muth-Schule in der Harzstr. eingerichtet und ab dem Schuljahr 2015/ 2016 kam eine weitere SFK für den Hauptschulbereich im Standort Isarstraße hinzu. In diesem Zuge entschied man sich, den Hauptschulbereich zu splitten und in einer der SFKs für den Hauptschulbereich nur SchülerInnen der Jahrgangsstufen 5-7, in der anderen SFK für den Hauptschulbereich nur SchülerInnen der Jahrgangsstufen 7-9 zu beschulen/ betreuen. Zum Haushalt 2020 wird beantragt an der Jakob-Muth-Schule speziell für den Eingangsbereich (Grundschule, Klassen 1 und 2) aufgrund der bestehenden Bedarfslage eine weitere SFK zu schaffen.
3. Auslastung und Wirksamkeit
In den letzten beiden Schuljahren war die Auslastung aller vier SFKs weiterhin auf hohem Niveau. Hinzu kommen zahlreiche Anfragen, die den hohen Bedarf unterstreichen, jedoch aufgrund spezieller Gruppenkonstellationen, trotz teils freier Plätze, nicht immer erfüllt werden können. Hier steht die Homogenität der Gruppe aus pädagogischen Erwägungen über der Ausschöpfung aller vorhandenen Kapazitäten.
Belegungssituation:
SFK Grundschulstufe:
SFK Hauptschulstufe:
Platzanfragen: SFK Grundschulstufe:
SFK Hauptschulstufe:
Alleine die Zahl der Anfragen zeigt schon, dass die Bedarfslage weiterhin hoch ist.
Der Erfolg dieses Kooperationsmodells der Systeme Schule und Jugendhilfe lässt sich zum einen an der hohen Rückführungsquote an die Regelschule und zum anderen an der Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme messen.
Im Jahr 2019 erstellte das Amt für Jugend und Familie einen Wirtschaftlichkeitsnachweis, der belegt, dass in einem Schuljahr aufgrund des Angebots der bestehenden vier Stütz- und Förderklassen in der Stadt Regensburg etwa 650.000 € eingespart wurden (Gegenüberstellung von städt. Personalkosten und nicht angefallenen Hilfekosten, z. B. heilpädagogische Tagesstätte oder vollstationäre Unterbringung in der Jugendhilfe). Aus fachlicher Sicht nicht weniger wichtig scheinen dabei die Aspekte, dass die Herausnahme von Kindern aus ihren Familien vermieden und der Zusammenhalt der betroffenen Familien gestärkt werden kann.
4. Erhöhter personeller Bedarf
Im Verlauf des letzten Jahres (aktuelles Schuljahr 2019/2020) ergaben sich erhebliche Probleme hinsichtlich des Personalkörpers innerhalb der SFKs, die nicht hinreichend ausgeglichen werden konnten.
Die gemeinsame Konzeption des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und der Ludwig-Maximilians-Universität München von 2008 sah hinsichtlich der personellen Struktur vor, dass seitens des Systems Schule in jeder Stütz- und Förderklasse ein Sonderschullehrer (SoL für den Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung) sowie nach Möglichkeit ein heilpädagogischer Förderlehrer (HPF) und seitens des Systems Jugendhilfe zwei sozialpädagogische Fachkräfte mit voller Wochenstundenzahl gemeinsam zum Einsatz kommen. In Regensburg wurde in der Klasse bislang nur eine sozialpädagogische Fachkraft mit voller Wochenstundenzahl tätig, weil vielen Familien zusätzlich mit weiteren ambulanten Hilfeformen (z. B. Sozialpäd. Familienhilfe, Erziehungsbeistände, …) Unterstützung geboten werden kann. Diese kombinierte Form der Hilfe erweist sich als flexibler, insbes. hinsichtlich der Einsatzzeiten, und ist somit durch das Amt besser steuerbar. Dennoch zeigt nun die Erfahrung, dass es erforderlich ist, eine übergreifend tätige sozialpädagogische Kraft in allen Regensburger Stütz- und Förderklassen einzusetzen, damit diese differenzierend mit den Kindern arbeiten kann.
Zudem muss die sozialpädagogische Fachkraft während des Betriebs des Ganztagsangebotes, auch Bürozeiten wahrnehmen und die notwendige Arbeit mit der Familie bzw. den Eltern (vielfach auch in Form von Hausbesuchen) leisten. Dadurch wird die Präsenzzeit der sozialpädagogischen Fachkraft im Klassenverbund nicht unerheblich eingeschränkt.
In der Hauptschulstufe 5-7 war die Stelle zuletzt wegen einer plötzlichen und längeren Ausfallzeit unbesetzt und konnte auch nicht zeitnah nachbesetzt werden. Da aufgrund der Personalausstattung mit nur einer sozialpädagogischen Vollstelle pro Stütz- und Förderklasse keine Vertretungsmöglichkeit seitens der Jugendhilfe bestand, musste der Nachmittagsbetrieb der SFK bis auf Weiteres (voraussichtlich Ende Juni 2019) eingestellt werden. Für eine teilstationäre Maßnahme, auf die die Leistungsadressaten einen Rechtsanspruch haben, der ggf. anderweitig und kostenintensiver gedeckt werden müsste, ist dies eine untragbare Situation. Noch schwerwiegender sind die Auswirkungen der Unterbesetzung für die zu betreuenden Kinder bzw. Jugendlichen, da die Gesamtkonzeption der SFK nur unter Aufrechterhaltung des schulischen und jugendhilfebezogenen Ganztagangebotes erfolgsversprechend sein kann. Eine ähnliche Situation entstand aufgrund personeller Schwierigkeiten auch in der SFK Grundschulstufe 2-4 an der Jakob-Muth-Schule, auch wenn die Phase der Unterbesetzung hier nicht derart lange andauerte. Darüber hinaus wird in allen vorhandenen Stütz- und Förderklassem zunehmend ersichtlich, dass Zeit- und Personalressourcen für eine hinreichende sozialpädagogische Differenzierung fehlen.
In Anbetracht der Gesamtsituation ist festzustellen, dass um eine Annäherung an das ministerielle Konzept der Stütz- und Förderklassen in personeller Hinsicht nicht umhin zu kommen ist. Das Amt für Jugend und Familie hält es hierbei jedoch nicht zwingend für erforderlich, jede Stütz- und Förderklasse mit einer zweiten sozialpädagogischen Fachkraft auszustatten. Aus Sicht des Fachamtes ist es hinreichend, eine sozialpädagogische Fachkraft im Umfang einer Vollstelle für einen klassenübergreifenden Einsatz vorzuhalten. Es geht dabei neben Vertretungseinsätzen vor allem um gezielte fachliche Schwerpunktsetzungen im Bereich der sozialpädagogischen Differenzierung. Es wird daher beantragt, eine weitere Vollzeitstelle für den Bereich der SFKs zu schaffen, die eine Vertretungsfunktion stütz- und förderklassenübergreifend ausübt, personelle Engpässe, längere Erkrankungen, oder Phasen besonders hoher Auslastung ausgleichen kann und regelmäßig für Differenzierungsangebote in allen Klassen eingesetzt wird.
Während die, fest in den Klassen installierten sozialpädagogischen Fachkräfte vorranging die Verantwortung für die Ausgestaltung der pädagogischen Alltagsarbeit (positive Beziehungsgestaltung, Herstellung eines positiven Gruppenklimas, das soziales Lernen ermöglicht, individuelle Förderung einzelner, Aufspüren der Fähigkeiten und Ressourcen und deren Förderung und Analyse der Schwierigkeiten und Probleme jedes einzelnen Kindes und deren kontinuierliche Reduzierung), die begleitende Eltern- und Familienarbeit und die Zusammenarbeit mit den Fachkräften des Systems Schule übernehmen, soll der klassenübergreifende sozialpädagogische Differenzierungs- und Entlastungsdienst klassenübergreifende Angebote oder projekt- bzw. themenbezogene Zusatzangebote in den jeweiligen Klassen vorhalten.
4. Haushaltsrechtliche Hinweise
Die bisherigen Personalausgaben erhöhen sich lt. Verwaltungsanordnung VA 11.21 bei einer zusätzlichen Vollstelle SozialpädagogIn zum Haushalt 2020 in TVöD SuE S 12 (inkl. der Kosten eines IuK-Arbeitsplatzes) um 90.450 €. Ein entsprechender Stellenplanantrag zur Stellenschaffung wurde gestellt.
Der Ausschuss beschließt:
An den Stütz- und Förderklassen wird ein klassenübergreifender sozialpädagogischer Differenzierungs- und Entlastungsdienst im Umfang einer Vollstelle eingerichtet.
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