Sachverhalt:
1. Ausgangssituation Immer mehr Menschen erreichen glücklicherweise ein hohes Lebensalter. Da ein steigendes Lebensalter vermehrt mit Gesundheitseinbußen und somit oftmals auch Pflegebedürftigkeit einhergeht, wächst auch die Anzahl pflegebedürftiger Personen. Zwischen 1999 und 2017 stieg sie von 2,0 auf 3,4 Millionen in Deutschland. Davon ausgehend, dass die aktuellen alters- und geschlechtsspezifischen Pflegequoten unverändert bleiben, könnte die Zahl der Pflegebedürftigen somit bis zum Jahr 2050 auf deutlich über 5 Millionen steigen. Grund dafür sind die Babyboomer-Jahrgänge, die Ende der 1950er Jahre und in den 1960er Jahren geboren wurden und ab 2030 zunehmend die Altersgruppen erreichen, die mit einem höheren Pflegebedarf einhergehen (https://www.demografie-portal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/Pflegebeduerftige_Anzahl.html). In der Stadt Regensburg waren im Jahr 2017 im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch (SGB XI) Elftes Buch Soziale Pflegeversicherung 4752 Personen pflegebedürftig (Stadt Regensburg, Statistisches Jahrbuch, 2019, S. 204). Die Zahl der Anspruchsberechtigten im Jahr 2017 stieg im Vergleich zum Jahr 2015 deutlich an (siehe Tabelle 1). Auf Grund der bereits oben genannten Babyboomer-Generation ist mit einem weiteren Anstieg der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahren zu rechnen. Tabelle 1. Empfänger von Leistungen der Pflegeversicherung nach Versorgungsart in Regensburg (aus: Stadt Regensburg (Hrsg.), (2019). Statistisches Jahrbuch, S. 204, eigene Darstellung)
67% der Pflegebedürftigen wurden in Regensburg im Jahr 2017 im ambulanten Bereich, teilweise mit Unterstützung durch einen Pflegedienst, versorgt. Die Zahl der Einpersonenhaushalte steigt insbesondere im höheren Lebensalter an (vgl. Tabelle 2). Die Zunahme der Einpersonenhaushalte sowie die Veränderung der Lebensformen führen dazu, dass an die Stelle der bisher unterstützenden Angehörigen andere Unterstützungsstrukturen treten müssen.
Tabelle 2. Entwicklung der Anzahl der Einpersonenhaushalte der Personen über 65 Jahre in Regensburg (aus: Stadt Regensburg (Hrsg.), (2019). Statistisches Jahrbuch, S. 85)
Die Überlastung des Pflegesystems, sei es nun der Fachkräfte oder der pflegenden Angehörigen, ist bereits jetzt deutlich spürbar. Die pflegenden Angehörigen übernehmen die Hauptlast der Versorgung Pflegebedürftiger, denn die meisten Pflegebedürftigen werden zu Hause mit Hilfe der Angehörigen versorgt (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1. Pflegebedürftige 2017 nach Versorgungsamt (Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (2018), Pflegestatistik, Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung Deutschlandergebnisse, S. 16). Gerade die pflegenden Angehörigen wünschen sich laut dem Barmer Pflegereport 2018 eine bessere Aufklärung über die Leistungen der Pflegeversicherung, mehr Informationen, wo man Hilfe bekommen kann und denselben Ansprechpartner bei Fragen (vgl. Barmer (Hrsg.), (2018), Pflegereport 2018 Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, S. 18). Diese Wünsche sind gleichermaßen auf die Pflegebedürftigen selbst übertragbar, die von einem zentralen Ansprechpartner bei Problemen, die die Pflegebedürftigkeit betreffen, profitieren sowie von einem Koordinator, der die verschiedenen Hilfemöglichkeiten kennt und bei der Inanspruchnahme unterstützt.
2. Aufgaben der Kommune „Den Kommunen kommt als kleinsten räumlich-politischen Verwaltungseinheiten eine besondere Bedeutung für den Lebensalltag älter werdender Menschen zu.“ Der Siebte Altenbericht stellt hier auf die Verpflichtung im Rahmen der Daseinsvorsorge der Kommune ab (BMFSFJ, 2016). Ressortübergreifendes und interdisziplinäres Handeln ist dabei ebenso wichtig wie die aktive Gestaltung der sozialen Infrastruktur unter Einbeziehung der Kompetenzen und Ressourcen der älteren Menschen (Deutscher Verein, 2006). Nach dem Sozialgesetzbuch zwölftes Buch (SGB XII) soll alten Menschen Altenhilfe gewährt werden. „Die Altenhilfe soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und ihre Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken“ (§ 71 SGB XII). Personen haben Anspruch auf die jeweils gebotene Beratung und Unterstützung (§ 8 SGB XII). Die vielfältigen Beratungsangebote sind den Ratsuchenden oftmals nicht bekannt. Ein trägerneutrales Beratungsangebot für alle Hilfesuchenden aus der Stadt Regensburg über den Bereich Pflege vorzuhalten wäre insbesondere bezüglich des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ (Art. 69 Abs.2 AGSG) von großer Bedeutung. Gemäß § 7c Abs. 1a SGB XI können die Stellen der Altenhilfe „(…) bis zum 31. Dezember 2021 auf Grund landesrechtlicher Vorschriften von den Pflegekassen und Krankenkassen den Abschluss einer Vereinbarung zur Errichtung von Pflegestützpunkten verlangen.“ Die Arbeit des Pflegestützpunktes soll pflegebedürftigen Menschen ein möglichst langes Verbleiben in ihrer Häuslichkeit ermöglichen. Die Einrichtung eines Pflegestützpunktes ist ein freiwilliges Angebot der Stadt Regensburg.
3. Notwendigkeit eines Pflegestützpunktes Die steigende Anzahl pflegebedürftiger Personen und der daraus resultierende Beratungs- und Hilfebedarf wurde bereits dargestellt. Aus dem Barmer Pflegereport geht hervor, dass weder die zustehenden Leistungen bei Pflegebedürftigkeit ausreichend bekannt sind noch die Unterstützungsmöglichkeiten. In Regensburg gibt es glücklicherweise ein großes Beratungs- und Versorgungsangebot, jedoch mit immer klar begrenzten Zuständigkeiten. Ein zentraler Ansprechpartner, der die verschiedenen Leistungen im Pflegebereich bündelt, existiert nicht. Der große Vorteil einer Implementierung eines Pflegestützpunktes ist, dass die Beratung vor Ort und aus einer Hand erfolgen kann. Doppelstrukturen sollen dabei vermieden werden und bereits bestehende Beratungssysteme, wie beispielsweise die Fachstelle für pflegende Angehörige, sind zu erhalten und entsprechend einzubinden.
4. Zielgruppe Das Beratungsangebot des Pflegestützpunktes steht Personen jeder Altersgruppe zu, die pflegebedürftig oder von Pflegebedürftigkeit bedroht sind und ihren Wohnsitz in der Stadt Regensburg haben. Auf den Wunsch der Pflegebedürftigen hin kann die Beratung auch im Beisein der pflegenden Angehörigen erfolgen. Eine Beratung im Vorfeld der Pflegebedürftigkeit und zur Prävention ist genauso möglich wie bei bereits eingetretener Pflegebedürftigkeit. Auch professionelle Anbieter wie Pflegedienste, Pflegeheime, Arztpraxen, Fachberatungsstellen oder Klinik-Sozialdienste können sich an den Pflegestützpunkt wenden.
5. Ziele des Pflegestützpunktes Der Pflegestützpunkt soll klar als zentrale Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema Pflege und Gesundheit sowie zu Hilfen im Alter dienen. Der Pflegestützpunkt bündelt die vielfältigen Beratungs- und Unterstützungsangebote in Regensburg. Es soll frühzeitig eine umfassende, auf den individuellen Bedarf angepasste und neutrale Beratung aus einer Hand erfolgen, deren Verlauf dokumentiert, evaluiert und gegebenenfalls verändert wird. Ebenso soll bei Bedarf bei der Organisation der Inanspruchnahme der Unterstützung geholfen werden, um ein möglichst langes Verbleiben in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen, stets nach der Maxime Hilfe zur Selbsthilfe.
6. Leistungen, Angebote und Aufgaben Das Beratungs- und Unterstützungsangebot des Pflegestützpunktes ist trägerneutral und für die Betroffenen kostenlos. Die Leistung entspricht der Freiwilligkeit, d.h. der Betroffene kann diese im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts ablehnen. Der Pflegestützpunkt übernimmt keine Rechtsberatung. Die Mitarbeiter des Pflegestützpunktes sind Ansprechpartner für die o.g. Zielgruppe und werden tätig, sobald sie von einem Beratungs- und Unterstützungsbedarf im Bereich der Pflege erfahren. Dies kann erfolgen, indem sich die Betroffenen selbst oder pflegende Angehörige an den Pflegestützpunkt wenden. Grundsätzlich und handlungsleitend ist dabei die Selbstbestimmung der Betroffenen. Ob der Ratsuchende die empfohlene Unterstützung annimmt, basiert auf Freiwilligkeit. Alle Mitarbeiter im Pflegestützpunkt arbeiten fachübergreifend, vertrauensvoll und konstruktiv zusammen mit dem gemeinsamen Ziel einer effektiven und effizienten Versorgung pflege- und hilfebedürftiger Menschen in Regensburg. Im Konkreten richten sich die Aufgaben der Berater im Pflegestützpunkt nach den Vorgaben des § 7c Abs. 2 SGB XI. Gemäß § 4 Abs. 2 bis 6 Aufgaben der Pflegestützpunkte im Rahmenvertrag zur Arbeit und zur Finanzierung der Pflegestützpunkte in Bayern sind dies:
Unter Aufklärung und Auskunft sind dabei Informationen zu Fragen, die mit der Pflegebedürftigkeit im Zusammenhang stehen – insbesondere über die Leistungen der Pflegekassen sowie über Leistungen und Hilfen anderer Träger gemeint. Eine Beratung umfasst
Die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI (Case Management) richtet sich an Menschen in komplexen Problemlagen und Versorgungskonstellationen. Aufgaben der Pflegeberatung sind in diesem Fall insbesondere
Im Rahmen des Care-Managements geht es darum, Versorgungs- und Betreuungsangebote aufeinander abzustimmen. Dazu steht der Pflegestützpunkt insbesondere mit den Kranken- und Pflegekassen, Anbietern, Behörden, Angehörigen und sonstigen beteiligten Akteuren in Kontakt. Zur Netzwerkarbeit gehört die Gewinnung, Betreuung und Erfassung von Netzwerkpartnern und die Pflege einer diesbezüglichen Datenbank. Die Öffentlichkeitsarbeit in Form von Veröffentlichung in der Presse, Erstellen von Flyern, Vorträgen etc. ist zwingend erforderlich. Wichtig ist auch, Fachkräfte, Fachinstitutionen und andere Multiplikatoren im Sozialraum zu sensibilisieren und zu informieren. Die bestehenden Kooperationen mit den Akteuren der Seniorenarbeit, wie z.B. Seniorenclubs, Kirchengemeinden etc. können dabei genutzt werden.
7. Personalbedarf Dem Träger des Pflegestützpunktes obliegt es, ausreichend qualifiziertes Personal einzusetzen, damit die Beratung der Hilfesuchenden zeitnah und umfassend wahrgenommen werden kann. Als Orientierungsgröße hinsichtlich der Personalausstattung im Pflegestützpunkt wird im Rahmenvertrag zur Arbeit und zur Finanzierung der Pflegestützpunkte nach § 7c Abs. 6 SGB XI in Bayern die Orientierungsgröße von einer Vollzeitkraft auf 60.000 Einwohner genannt. Dies bedeutet für die Stadt Regensburg konkret mit einer derzeitigen Einwohnerzahl von 168.426 (Stand: Dezember 2018, www.statistik.regensburg.de/kurz_und_knapp/) 2,8 Vollzeitkräfte. Für die erforderlichen Stellen wurden vorsorglich Stellenplananträge für den Haushalt 2021 gestellt, über die der Stadtrat entscheiden wird.
8. Finanzierung Auf die personelle Ausstattung im Pflegestützpunkt wurde in Punkt 7 (Ziffer 4.2 des Konzepts) bereits genauer eingegangen. Es wurden 2,8 Stellen beantragt. Über die Stellenausstattung entscheidet der Personalausschuss. Die Finanzierung erfolgt auf Basis einer Ist-Kosten-Abrechnung. Hierzu wird ein pro Vollzeitkraft im Pflegestützpunkt maximal abrechenbarer Betrag anhand tariflicher Eingruppierungsmerkmale (maximal TVÖD-SUE, S 15, Stufe 6) zuzüglich 20 prozentiger Gemeinkosten und zuzüglich einer Sachkostenpauschale von derzeit in Höhe von 9.750,00 € ermittelt. Dies ergibt insgesamt einen Betrag von 102.220,11 € (Stand 30.06.2018). Die Sachkostenpauschale wird mit Hilfe des Verbraucherpreisindex fortgeschrieben. Die Kommission nach § 8 Rahmenvertrag zur Arbeit und zur Finanzierung der Pflegestützpunkte teilt den Pflegestützpunkten jährlich die Höhe der oben genannten Höchstbeträge mit. Der Bedarf für die diesbezügliche Aufgabenwahrnehmung in den Pflegestützpunkten ist zu dokumentieren. In der Ist-Kosten-Abrechnung sind alle Aufgaben der Pflegestützpunkte inkludiert. Die Aufwendungen, die für den Betrieb des Pflegestützpunktes erforderlich sind, werden bis zum maximal abrechenbaren Betrag nach Absatz 1 zu 1/3 von den kommunalen Trägern, zu 1/3 von den Krankenkassen und zu 1/3 von den Pflegekassen getragen (§11 Angestelltenmodell im Rahmenvertrag). Bei der Förderung handelt es sich um eine dauerhafte jährliche Förderung.
Der Freistaat Bayern gewährt zudem unter bestimmten Voraussetzungen Zuwendungen für die Errichtung eines neuen Pflegestützpunktes. Es kann eine einmalige Anschubfinanzierung beantragt werden. Gefördert werden einmalig die Ausgaben für Sachmittel für Pflegestützpunkte, die ab dem Jahr 2019 initiiert werden. Förderfähig sind die Sachausgaben, die nicht durch die anderen Kostenträger gedeckt sind. Die Sachausgaben dürfen insgesamt 75 Prozent der Gesamtkosten im Förderzeitraum nicht überschreiten. Die Förderpauschale beträgt einmalig bis zu 20.000,00 €. Bei räumlicher Anbindung an eine Fachstelle für pflegende Angehörige ist eine zusätzliche Förderung von einmalig 3.000,00 € möglich. Die Anschubfinanzierung der erforderlichen Sachausstattung soll über diese 23.000,00 € erfolgen. Maßnahmen der Vernetzungsarbeit und des Wissenstransfers können je Maßnahme einmalig mit bis zu 15.000,00 € gefördert werden. Die staatliche Zuwendung wird als Festbetragsfinanzierung im Rahmen einer Projektförderung gewährt. Der Zuwendungsempfänger hat einen Eigenanteil von mindestens 10 Prozent zu erbringen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Förderung (https://www. stmgp.bayern.de/service/foerderprogramme/pflegestuetzpunkte/).
9. Kosten des Pflegestützpunktes Neben den oben dargestellten Personalkosten, die zu einem Drittel von der Kommune zu tragen sind, entstehen laufende Miet- und Nebenkosten für die Räumlichkeiten. Diese Kosten können jedoch zum Teil über die Sachkostenpauschale von derzeit in Höhe von 9.750,00 € (lt. Rahmenvereinbarung) getragen werden.
Die Erstausstattung der Büroräume kann evtl. über die Anschubfinanzierung des Freistaates Bayern gedeckt werden. Mögliche Umbaukosten (z.B. Behinderten-WC/Rampe) werden über die Miete umgelegt.
Die entstehenden Kosten wurden bereits vorsorglich in die Haushaltsplanung 2021 aufgenommen.
Literatur
Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:
1. Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen. 2. Der Pflegestützpunkt für Regensburger Bürgerinnen und Bürger wird beim Seniorenamt der Stadt Regensburg implementiert. Dies erfolgt im Rahmen der Vorgaben des Berichts, vorbehaltlich der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, Planstellen und Fördermittel.
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