Sachverhalt:
Ausgangspunkt Durch die unvorhersehbare COVID-19-Pandemie war die Stadt Regensburg in ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt. Ziel ist jetzt, mit aller Kraft eine Erholung und die Rückkehr zur alten Stärke zu unterstützen. Das kulturelle Erbe – vertreten von der Abteilung Welterbekoordination im Amt für Archiv und Denkmalpflege – kann dazu einen erheblichen Beitrag leisten.
1. Grundsätzliches Kulturelles Erbe stellt nicht nur etwas dar, das die Stadtgesellschaft schützen und bewahren muss, sondern es ist auch eine starke Ressource für nachhaltige Stadtentwicklung. Welterbe und Denkmäler wirken als Standortfaktoren, aber auch unmittelbar als Felder wirtschaftlichen Handelns positiv auf die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung einer Stadt. Der Welterbe-Titel an sich ist positiv besetzt und macht stolz. Er kann Menschen anziehen und Imagevorteile für die örtliche Wirtschaft bringen. Unternehmen aller Branchen, die am Standort einer Welterbe-Stadt investieren, versprechen sich positive wirtschaftliche Effekte und beziehen sich auf die Qualität und das Renommee des Welterbe-Status.
2. Vier Strategien zur Stärkung Regensburgs nach der akuten COVID-19-Krise durch das kulturelle Erbe
2.1. Digitalisierung
Im Rahmen der akuten COVID-19-Krise, die durch Kontakteinschränkungen und entsprechenden Schließungen öffentlicher Einrichtungen und Kulturangebote geprägt war, hat sich gezeigt, dass die digitalen Angebote im Bereich Kulturerbe in Regensburg noch unzureichend entwickelt sind. Dies betrifft sowohl digitale Strukturen zur virtuellen Zusammenarbeit, aber auch die Verfügbarkeit von digitalen Inhalten zur Vermittlung und Erfahrbarmachung des Kulturerbes.
Strategie:
2.2. Integration von Themen, Nutzungen, Anwendungen aus dem Bereich kulturelles Erbe in Smart-City-Strategien
Unter dem Stichwort „Smart City“ wird derzeit die digitale Vernetzung und verbesserte Nutzbarkeit vor allem von urbanen Mobilitätskonzepten betrieben. Im Zentrum stehen die Bemühungen, Regensburg als besonders lebenswerten, sozialen, inklusiven und wirtschaftlich dynamischen Ort für zukünftige Generationen zu bewahren und wo nötig, immer wieder fit für die Zukunft zu machen. Strategie:
2.3. Resilienz
Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Es ist allerdings sicher, dass globale Transformationen wie die Veränderung des Klimas, die zunehmende Digitalisierung, aber auch medizinische Krisen großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Städte haben werden. Baukulturelles Erbe wurde im städtischen Umfeld dabei bisher überwiegend als starr, unveränderbar und träge wahrgenommen. Bei genauerer Betrachtung kann aber genau dieses Erbe durch seine Konstanz und Anpassungsfähigkeit einen wichtigen Beitrag zur Resilienz leisten. Prinzipiell sind folgende Dimensionen relevant: Resilienz von Entwurf und Konstruktion, Resilienz durch geeignete Materialität, Resilienz durch angepasste Nutzung und Resilienzfaktoren der Planung.
Strategie:
2.4. Förderung des Sektors Tourismus und Freizeit
Der Sektor Tourismus und Freizeit hat gerade zum Saisonbeginn 2020 besonders schwer unter den COVID-19 bedingten Ausgangsbeschränkungen gelitten. Kulturelles Erbe und Welterbestätten sind oft das Ziel von Tourismus- und Freizeitaktivitäten und haben auch in Regensburg in den letzten Jahren in dieser Bedeutung noch zugenommen. Die Freizeit- und Erholungsfunktion ist dabei auch von herausragender Bedeutung für die lokale und regionale Bevölkerung. Um den betroffenen Sektor im Rahmen eines Nach-Covid-19 bedingten Wiederaufbaus zu unterstützen, sollen konkrete Maßnahmen aus dem Bereich Kulturerbe umgesetzt werden.
Strategie:
3. Konkrete Maßnahmen 2020/2021
3.1. Konkrete Maßnahmen zur Digitalisierung Die COVID-19- Pandemie fordert auch die Kulturerbevermittlung: Es müssen neue Wege und Strategien gefunden werden, um Menschen Zugang zu ihrem Welterbe zu ermöglichen. Der Rezipient soll durch die digitale Hilfestellung die Beziehung zu seinem Kulturerbe leben und erleben können. Die Vermittlung muss partizipativ und dialogbasiert sein, wo es möglich ist auch interaktiv.
Implementierung eines digitalen Besucherzentrums Schrittweiser Ausbau des Online-Angebots basierend auf dem bereits laufenden 3-D-Rundgang, inklusive der Integration weiterer Inhalte, unter anderem Tonspuren, Videosequenzen und Filme. Des Weiteren soll ein Kinderformat entwickelt werden, das auch jüngeren Besuchern der Website einen guten Zugang zum Welterbe Regensburg ermöglicht.
Bündelung und Optimierung von digitalen Inhalten Die digitalen Inhalte der Welterbe-Website www.regensburg.de/welterbe sollen optimiert werden. Ziel ist, eine Mediathek zum Regensburger Welterbe anzulegen, die neben allgemeinen Informationen auch konkrete Hintergründe zu den Regensburger Projekten bietet.
Erstellung einer virtuellen Tour Um einen persönlichen Eindruck von der Dauerausstellung im Besucherzentrum Welterbe (BZW) zu bekommen, führt ein Gästeführer virtuell durch die Hauptthemen im BZW. Ziel ist nicht eine umfassende Faktenvermittlung. Stattdessen soll Neugier geweckt werden um Regensburg auch auf eigene Faust zu entdecken. Eine englische Fassung der virtuellen Tour ist ebenfalls in Planung (3./4. Quartal 2020).
Social-Media-Initiative Die Welterbekoordination strebt eine stärkere, responsive Präsenz des Themas UNESCO-Welterbe im virtuellen Raum durch eigenständige Social-Media-Profile an. Nur so kann auch die Generation der „Digital Natives“ erreicht und eingebunden werden. Ziel ist hier auch die Teilnahme an digitalen Kampagnen, um das Thema Welterbe auch in Zeiten eines Lockdowns auf vielfältigen Kanälen promoten zu können.
Welterbe-Informationssystem (WIFO) Die Umsetzung des Regensburger Welterbe-Informationssystems sieht eine forcierte Nutzung digitaler Inhalte vor. Digitale Elemente ergänzen dabei die analogen, essentiellen Bereiche in einem zu entwickelnden „hybriden Smart Space“. Das Welterbe soll dadurch auch unbedingt barrierefrei für alle zugänglich gemacht werden. Geplant ist die Entwicklung einer Online-Plattform, die als digitaler Empfangskanal für verschiedene Vermittlungsportale zugänglich ist (App, Mixed Reality, KI, Schnittstellen zu Online Datenbanken) und kooperativ unterschiedlichste Services (Mobilität, personalisierte Routen, Barrierefreiheit etc.) einbindet bzw. offen weiterleitet.
Stärkung der virtuellen Netzwerkaktivitäten- und Kompetenzen Im Austausch mit anderen Welterbestädten, Netzwerken und nationalen und internationalen Organisationen werden aktuell Ideen und Aktivitäten generiert, wie es nach der Krise weitergehen kann. Mehrere virtuelle Treffen und Webinare wurden bereits mit dem Welterbezentrum der UNESCO in Paris, ICLEI Europe (Local Governments for Sustainability), Interpret Europe, der Organisation der Welterbestädte OWHC sowie dem Horizon2020 Projekt CLIC durchgeführt. Der strategische Umgang, wie das kulturelle Erbe im Rahmen der COVID-19-Krise im Welterbe Regensburg zur Erholung der Gesellschaft und Wirtschaft eingesetzt wird, kann hier als Beispiel für weitere Welterbestädte in Netzwerken weitergegeben werden.
3.2. Konkrete Maßnahmen zur Integration des kulturellen Erbes in Smart-City-Strategien
Die Stadt Regensburg verabschiedet mit den Leitlinien für eine Smart-City-Regensburg-Strategie (SCR) im April 2020 ein klares Bekenntnis für eine weitere umweltverträgliche und soziale Entwicklung der Stadt, die aber auch nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt. Übergeordnetes Ziel bleibt dabei jedoch immer die lebenswerte, inklusive Ausrichtung eines dynamischen Ortes, um für alle Generationen attraktiv zu sein. Verschiedene Aspekte der SCR-Leitlinien berühren im Bereich Mobilität und Kultur sowie Resilienz und Klimaresilienz den Fachbereich Welterbe/Kulturerbe und werden dort entsprechend mitgedacht und umgesetzt:
Welterbe-Informationssystem (WIFO) Das geplante integrierte Welterbe-Informationssystem (siehe Beschluss des Stadtrats vom 25.7.2019 sowie parallele Vorlage dieser Sitzung) verfolgt einen gesamtheitlichen, serviceorientierten Ansatz für die Bürger sowie Besucher und Touristen in Regensburg. Zentrale Ergebnisse des WIFO-Planungsprozesses sind für eine weitere Umsetzung in Teilprojekten in eine Smart-City-Strategie der Stadt Regensburg geeignet. Die Punkte analoge und digitale Erlebbarkeit sowie barrierefreie Zugänglichkeit auch im digitalen Raum sind grundlegende für alle Teilprojekte des Welterbe-Informationssystems.
Kulturelles Erbe als Querschnittsthema Im Kultur- und Kulturerbebereich finden Innovationen gerade in Verbindung mit der Digitalisierung statt. Nutzung von Social Media und neuen Techniken der Erlebbarmachung (Augmented Reality) können hier neue, insbesondere jüngere Zielgruppen ansprechen. siehe SCR-Leitlinie zum Thema Kultur: „Regensburg entwickelt sich als Open Source-Projekt in Auseinandersetzung mit aktuellen Prozessen des Kulturwandels stetig weiter... Die Erweiterung der digitalen Infrastruktur ermöglicht breite Zugänglichkeit zu kulturellen Ressourcen.“
3.3. Konkrete Maßnahmen zur Resilienz
Integration des Themas „Kulturelles Erbe“ und der damit verbundenen Resilienz-Qualitäten in gesamtstädtische Resilienzkonzepte Um auf die Zukunft vorbereitet zu sein, können wir aus der Vergangenheit lernen. Historische Städte sind von einer großen Bewahrungskompetenz geprägt. Sie weisen zugleich ein hohes Maß an Resilienz auf, denn um die historische Substanz an Veränderungen anzupassen, müssen die städtischen Verantwortlichen sehr flexibel handeln. Dabei sind folgende Punkte insbesondere auch in Regensburg von Bedeutung:
Generell sollte das Verständnis durch geeignete Maßnahmen (Studien, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen, siehe auch geplanter Welterbetag 2021) gemeinsam mit Partnern aus Stadtverwaltung, Universität und Technischer Hochschule und anderen relevanten Stakeholdern ausgebaut werden.
Welterbetag 2021 zum Thema Nachhaltigkeit und Resilienz Das geplante Thema für den abgesagten Welterbetag 2020 war „Nachhaltigkeit“: Eine der gesellschaftspolitisch am heftigsten geführten Debatten wurde vor COVID-19 um die Frage einer nachhaltigen Gestaltung des täglichen Lebens geführt. Das Prinzip Welterbe ist nachhaltig und ist Katalysator für Weiterentwicklung in den Bereichen Verkehr, Stadtentwicklung und Umweltschutz. Deshalb soll der Blick 2021 auf das Thema Nachhaltigkeit und Entwicklung gelegt werden und dabei unter anderem diskutiert werden, inwieweit der Welterbetitel als Katalysator für nachhaltige Entwicklung eingesetzt werden kann. Der Welterbetag soll Ideen, Hintergründe und Strategien vorstellen, was jeder einzelne für die Zukunft des Planeten tun kann.
Zusammenarbeit mit ICLEI (Local Governments for Sustainability)
3.4. Konkrete Maßnahmen: Förderung des Sektors Tourismus und Freizeit
Projekt REDISCOVER: Rediscover, expose and exploit the concealed Jewish heritage of the Danube Region
Folgende Einzelprojekte sind im Rahmen des EU-Projekts REDISCOVER für 2020 und 2021 in Regensburg geplant:
Traditionelles jüdisches Kochbuch
Installation „Bücherregal“ am Neupfarrplatz, Erinnerung Bücherverbrennung
Fest – European Days of Jewish Heritage
Theaterstück / Szenische Stadtführung „Jüdische Geschichte“
Fahrt zur Gedenkstätte Flossenbürg in Verbindung mit einer Publikation (Interviews, Geschichten, Perspektive heutige jüdische Gemeinde)
Link zu Videos, Portfolios und weiteren Hintergrundinformationen: http://www.interreg-danube.eu/approved-projects/rediscover
Interpretation von Kulturerbe als Standortfaktor
Im Bereich der Kulturerbevermittlung verändern sich derzeit die Paradigmen. Reine Faktenvermittlung wird durch die Schaffung von individuellen Erlebnissen ergänzt. Die Methode der „Heritage Interpretation“ findet hier Anwendung. Durch gezielte Gespräche, Fragen und Narrative erlebt der Gast Aspekte des Kulturerbes ganz intensiv und emotional. Die Folge ist eine stärkere Identifikation beim Gast und eine erhöhte emotionale Bindung an den jeweiligen Ort. Im Bereich Tourismus kann dieser Effekt zu einem größeren Anteil von Stammkunden und zu einer höheren Anzahl von Wiederholungsbuchungen führen.
Pläne für die Implementierung von „Heritage Interpretation“:
Nutzung des WIFO-Systems für den Tourismus- und Freizeitsektor
Das Welterbe-Informationssystem in Regensburg soll sich in seinem konkreten Nutzen neben den Einwohnern auch gezielt auf Besucher fokussieren: damit sind sowohl Touristen (inländisch und international), als auch Gäste aus dem Umland (Einkauf, Behörden, Freizeit etc.) gemeint. Dabei sind die Zielgruppen immer auch volatil und wechseln oder kombinieren bei ihrem Aufenthalt sowohl Interessen als auch Besuchsgründe. Über einen längeren Zeithorizont sind konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der übergeordneten Leitlinien Orientierung – Service – Information geplant (siehe dazu die parallele Beschlussvorlage zum Welterbe-Infosystem).
4. Ausblick
Mit der dargestellten Strategie und den konkreten Maßnahmen soll gezeigt werden, dass kulturelles Erbe in Regensburg nicht nur auf der Kostenseite steht, sondern auch in schwierigen Zeiten wie diesen starke Impulse zur Stadtentwicklung und zur Lebensqualität der Regensburger Bevölkerung geben kann. Das kulturelle Erbe soll als Ressource geschützt, aber auch zum Wohl der Stadtgesellschaft eingesetzt werden, wie dies bereits mit dem Welterbe-Managementplan 2012 begonnen wurde. Die Strategien und Maßnahmen werden dabei ständig den sich verändernden Umständen angepasst, denn kulturelles Erbe ist ein Zusammenspiel aus Objekten, Menschen, übergeordneten Werten und vielem mehr, das ständigen Veränderungen unterworfen ist. Flexibles und innovatives Handeln soll daher auch weiter im Zentrum der Arbeit der Welterbekoordination stehen.
Der Kulturausschuss nimmt das Konzept „Welterbe macht stark und stiftet Zukunft“ der Welterbekoordination zur Stärkung Regensburgs nach der COVID 19-Krise zur Kenntnis.
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