Vorlage - VO/20/16951/30  

 
 
Betreff: Geschwindigkeitsbegrenzung "Tempo 30" und Busschleuse - Luftreinhaltung - Weißenburgstraße
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Rechts- und Regionalreferent Dr. Boeckh
Federführend:Rechtsamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Entscheidung
21.07.2020 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

Sachverhalt: 

 

1.

Die Güte der Außenluft ist nach europaweit einheitlichen Vorgaben der Luftqualitätsrichtlinie (RiL 2008/50/EG), die durch die Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) umgesetzt wurde, zu überwachen und zu bewerten. Nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV beträgt der zum Schutz der menschlichen Gesundheit über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) 40 µg/m³.

 

Maßgeblich für die Bewertung und Überwachung der Luftqualität sind die ausgewerteten und abschließend geprüften Messergebnisse des Lufthygienischen Landesüberwachungssystems Bayern (LÜB). Die Messstationen werden durch das Bayerische Landesamt für Umwelt betrieben. Zur Beobachtung der Luftschadstoffsituation in Regensburg ist in der D.-Martin-Luther-Straße eine amtliche Messstelle eingerichtet.

 

2.

Im Jahr 2016 (42 µg/m³) und im Jahr 2017 (41 µg/m³) zeigten sich Überschreitungen des vorgegebenen Grenzwerts für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ an der Messstelle (D.-Martin-Luther-Straße). Im Jahr 2018 sank der gemessene Wert hingegen um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 37 µg/m³. Der Lufthygienische Jahreskurzbericht 2019 (Stand Mai 2020) des Bayerischen Landesamtes für Umwelt zeigte für Regensburg eine weitere Senkung auf 35 µg/m³. Der durch die 39. BImSchV vorgegebene Grenzwert ist folglich an der amtlichen Messstelle eingehalten.

 

Auf Basis ergänzender detaillierter Berechnungen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt die über die Anforderungen der 39. BImSchV hinausgehen ist im Stadtgebiet allenfalls für die Weißenburgstraße in einem Strenabschnitt von ca. 110 m Länge zwischen Adolf-Schmetzer-Straße und Bruderwöhrdstraße eine Überschreitung des NO2Grenzwertes von 40 µg/m³ im Jahresmittel bis 2023 zu erwarten.

 

Straßenabschnitt

 

NO2-Jahresmittelwert [µg/m3]

 

Von

Bis

2021

2022

2023

Weißenburgstraße

Adolf-Schmetzer-Straße

Bruderwöhrdstraße

44

42

40

 

 

 

 

 

 

Tabelle 1:  NO2-Jahresmittelwerte an der Weißenburgstraße für die Prognosejahre 2021 bis einschließlich 2023 unter ausschließlicher Berücksichtigung der Flottenerneuerung (Schreiben des LfU vom 18.07.2019 Az. 23-8710.2-58326/2019)

 

Zur Reduzierung der Stickstoffdioxidbelastung in diesem Abschnitt wurden weitere Maßnahmen ergriffen: Eine Begrenzung der Geschwindigkeit auf 30 km/h erfolgte (Beschluss vom 01.10.2019 (VO/19/15879/32) „Tempo 30 - Luftreinhaltung Weißenburgstraße), der Rückstaubereich der Lichtsignalanlage Adolf-Schmetzer-Straße/Weißenburgstraße wurde auf die Nibelungenbrücke verlagert und eine sogenannte Busschleuse ermöglicht die Priorisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Maßnahmen sind inzwischen abgeschlossen und entfalten ihr volles Minderungspotenzial.

 

Durch die Kombination beider Maßnahmen rechnet das Bayerische Landesamt für Umwelt letztmalig im Jahr 2021 mit einer Grenzwertüberschreitung in diesem Streckenabschnitt.

 

Maßnahme in der Weißenburgstraße

NO2-Jahresmittelwert [µg/m³]

2020

2021

2022

2023

Nullfall (keine Maßnahme)

47

44

42

40

Planfall (Tempolimit 30 km/h und Busschleuse)

45

42

40

39

Tabelle 2:  NO2-Jahresmittelwerte an der Weißenburgstraße für die Prognosejahre 2020 bis 2023 (Schreiben des LfU vom 01.10.2019 Az. 23-8710.2-74341/2019)

 

Um die Belastbarkeit der Berechnungen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt messtechnisch abzustützen, sind von dort ergänzende Passivsammlermessungen bei einem akkreditierten Gutachterbüro in Auftrag gegeben worden. Die Durchführung der Messungen (u.a. Umfang und Dauer) obliegt gemäß § 44 Abs. 1 BImSchG, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayImSchG grundsätzlich dem Freistaat Bayern (LfU). Dies bietet die Gewähr, dass die fachlichen Kriterien sowie die umfangreichen Vorgaben zur Qualitätssicherung bei der Beurteilung der Luftqualität eingehalten werden. Weitere Überprüfungen sind von Seiten der Stadt Regensburg aus diesen Gründen nicht angezeigt.

 

Die Messungen erfolgen durchgehend für das gesamte Kalenderjahr 2020 an folgenden Standorten:

  • Weißenburgstraße 1
  • Weißenburgstraße 8
  • Frankenstraße 9
  • Landshuter Straße 59
  • Lappersdorfer Straße 32

 

Erste Messergebnisse liegen vor. Der kurze Messzeitraum lässt jedoch noch keine valide Aussage zur NO2-Konzentration hinsichtlich des Jahresmittelwertes an der Weißenburgstraße zu.

 

 

3.

Mit Schriftsatz vom 29.07.2019 hat der Deutsche Umwelthilfe e.V. Klage gegen den Freistaat Bayern wegen Überschreitung der 39. BImSchV in Regensburg erhoben und fordert weiterhin die Einführung von entsprechenden Dieselfahrverboten. Die Stadt Regensburg fungiert hier als Beigeladene.

 

Mit Blick auf die umfassenden und (teils) kostenintensiven Bemühungen der Stadt Regensburg (u.a. „Masterplan“ Az. VO/18/13939/31; „Radentscheid“ Az. VO/20/16405/61) sowie des derzeit noch betroffenen begrenzten räumlichen Bereichs von ca. 110 m, an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt im Stadtgebiet, kann dieser Standpunkt des Deutschen Umwelthilfe e.V. nicht geteilt werden. Das avisierte Verbot führt allenfalls zu erheblichen Verkehrsverlagerungen, die die bestehende Luftqualität an anderer Stelle im Stadtgebiet verschlechtern, obwohl das bereits beschlossene Maßnahmenpaket an der Weißenburgstraße umgesetzt ist und dauerhaft zur gesamtstädtischen Reduzierung der NO2-Belastung beiträgt.

 

Der Deutsche Umwelthilfe e.V. kritisierte mit Verweis auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 29.11.2019 (Az. 1 E 23/18), dass ausschließlich Maßnahmen, die im sogenannten Luftreinhalteplan verankert sind, einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten und eine entsprechende Bindungswirkung entfalten. Den planexternen Maßnahmen (Geschwindigkeitsbeschränkung, Busschleuse) fehlt es aus Sicht des Klägers an der notwendigen Verbindlichkeit, da diese jederzeit rückgängig gemacht werden könnten.

 

Um diesem Vortrag entschieden entgegenzutreten, die Haltung der Stadt Regensburg zur Verbesserung der Luftqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu bekräftigen und die Bedenken des Deutschen Umwelthilfe e.V. auszuräumen, soll im Rahmen des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az. 22 A 19.40031) die Aufrechterhaltung der umgesetzten Maßnahmen an der Weißenburgstraße zugesichert werden, bis auch in diesem Streckenabschnitt der Grenzwert der 39. BImSchV r NO2 von 40 µg/m³ im Jahresmittel eingehalten ist.

 

 


 

Der Ausschuss beschließt:

 

  1. Die festgesetzte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in der Weißenburgstraße im Abschnitt zwischen Bruderwöhrdstraße und Greflingerstraße mit Anpassung und Koordinierung der Verkehrsströme des motorisierten Individualverkehrs sowie Errichtung einer Busschleuse zur Priorisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs in diesem Streckenabschnitt werden bis zur Einhaltung des NO2-Grenzwerts von 40 µg/m³ im Jahresmittel entsprechend der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) aufrechterhalten.

 

  1. Die Stadt Regensburg gibt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Überschreitung der Grenzwerte der 39. BImSchV in Regensburg (Az. 22 A 19.40031) eine Zusicherung im Sinne der Ziffer 1 ab.

 

  1. Im Übrigen wird der Bericht der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis genommen.