Vorlage - VO/20/17358/68  

 
 
Betreff: Stadtbahn - Zwischenbericht Bemessungsfahrzeug
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Amt für Stadtbahnneubau   
Beratungsfolge:
Ausschuss für den Neubau einer Stadtbahn Entscheidung
01.12.2020 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für den Neubau einer Stadtbahn ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

Sachverhalt:

 

Die SMO bearbeitet innerhalb des Stadtbahnprojekts im Hinblick auf ihre vorgesehene spätere Betreiberrolle in eigener Verantwortung das Teilprojekt „Fahrzeug“. In diesem Zusammenhang wurde Ende des Jahres 2019 eine Studie zur Ermittlung eines geeigneten Bemessungsfahrzeugs für die Regensburger Stadtbahn an das Büro Ramboll, Karlsruhe in Auftrag gegeben. Das im Rahmen der Studie vorgeschlagene Fahrzeug stellt eine wichtige Grundlage für die weitere Trassenplanung durch die Stadt dar. Im Fokus der Bewertung der verschiedenen am Markt vorhandenen Fahrzeugtypen standen hierbei insbesondere mehrere Parameter: Infrastruktur, Betrieb, Fahrgast, Verschleiß, Emissionen und Markt. Die Möglichkeiten für die Umsetzbarkeit der Bemessungsvorgaben wurden zwar teilweise bereits mit betrachtet (z. B. Befahrbarkeit einzelner Verkehrsräume). Eine umfassende Überprüfung wird aber erst im Rahmen der Masterplanung erfolgen können.

 

 

Grundlegende Anforderungen

 

Als grundlegende Anforderungen an das Stadtbahnbemessungsfahrzeug wurden insbesondere die Annahmen aus der Machbarkeitsstudie (komobile, 2016) sowie die Vorgaben aus der BOStrab (Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen) herangezogen. Hiernach soll das künftige Stadtbahnfahrzeug ein sog. „Zweirichtungsfahrzeug“ sein. Dieses verfügt im Gegensatz zu einem „Einrichtungsfahrzeug“ an beiden Fahrzeugenden über Führerstände und an beiden Fahrzeugseiten über Fahrzeugtüren. Der Einsatz von Zweirichtungsfahrzeugen ermöglicht den Verzicht auf den Bau flächenbeanspruchenden Wendeschleifen an den Endhaltestellen und bietet darüber hinaus auch bei möglichen Störfällen durch einfache Gleiswechsel entlang der Trasse eine erhte betriebliche Flexibilität.

 

Die Spurweite der Stadtbahn soll mit 1.435 mm auf die sog. Normal- bzw. Regelspurweite ausgelegt sein. Dies stellt zwischenzeitlich den Standard bei neu errichteten Systemen dar, die zugleich der Spurweite der Eisenbahn entspricht und so langfristig auch die grundsätzliche Option sichert, mit Zweisystemfahrzeugen zwischen einem Stadtbahn- und einem Eisenbahnbetrieb wechseln zu können.

 

Der Wagenkasten soll eine Breite von 2,65 Metern aufweisen (dies entspricht der maximal zulässigen Breite nach BOStrab für den Straßenraum), um dadurch ein angenehmes Raumgefühl im Fahrzeug zu bieten und die mögliche Beförderungskapazität optimal ausnutzen zu können. Bei dieser Wagenbreite ist die Einrichtung einer komfortablen 2+2 Bestuhlung (siehe Foto) sowie die Schaffung von mindestens zwei Mehrzweckbereichen (für Kinderwagen, Fahrräder, Rollstühle, etc.) vergleichsweise einfach möglich. Eine vollständige Barrierefreiheit sollte an und zwischen allen Fahrzeugtüren im Fahrzeug gewährleistet sein. Aufgrund der Trassenführung müssen Steigungen von bis zu 8 % durch das Stadtbahnfahrzeug bewältigt werden können (Steilstrecke Galgenbergstraße).

 

Das Stadtbahnbemessungsfahrzeug soll innerstädtisch im Kernnetz mit 750 Volt Gleichstrom über Oberleitung angetrieben werden. Diese Spannung ist in vielen Straßenbahn-/Stadtbahnstädten üblich und entspricht den Anforderungen der BOStrab. Ein oberleitungsfreier Betrieb von bis zu zwei Kilometern Streckenlänge soll mindestens für den Abschnitt in der denkmalgeschützten Altstadt möglich sein.

 

 

 

Innenraum eines 2,65 Meter breiten Stadtbahnwagens mit 2+2 Bestuhlung in Karlsruhe

Betreiber: Verkehrsbetriebe Karlsruhe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als ein wesentliches Ergebnis der Studie ist festzuhalten, dass im Lichte der Gesamtanforderung für das Regensburger Stadtbahnprojekt insbesondere sog. Drehgestellfahrzeuge bei den Bewertungsparametern „Fahrgast“, „Verschleiß“, „Emissionen“ und „Betrieb“ die jeweils besten Werte erzielen konnten.

 

Im Vergleich zu den o.g. Fahrzeugen lagen die konkurrierenden Fahrzeugtypen „Kurzgelenkfahrzeug“, Mischkonzept „Multigelenk Drehgestell“ und „Multigelenkfahrzeug“ deutlich zurück.

 

 

 

Die Vorteile von Drehgestellfahrzeugen liegen für den Fahrgast insbesondere im ruhigen Fahrverhalten, auch entlang von schwierigen Trassenabschnitten. Der Verschleiß ist relativ gering. Selbiges gilt auch für die vom Fahrzeug ausgehenden Vibrationen.

 

Moderne Drehgestellfahrzeuge mit Niederflurtechnik werden deutschlandweit in vielen Betrieben eingesetzt (Beispiele: Stadtbahn Bremen, Karlsruhe, Saarbahn Saarbrücken, RegioTram Kassel, Citybahn Chemnitz).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Drehgestell-Stadtbahnwagen in Karlsruhe

(Betreiber: Verkehrsbetriebe Karlsruhe)

 

 

Barrierefreiheit
 

Bei der Auswahl des geeigneten Bemessungsfahrzeugs für die Stadtbahn Regensburg spielen die gesetzlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit eine zentrale Rolle. Durch das Zusammenspiel von Fahrzeug und der ortsfesten Infrastruktur (Ausprägung der Bahnsteige in einer der Barrierefreiheit dienlichen Bahnsteighöhe) soll diese in vollem Umfang erreicht werden. Eine zu niedrig angesetzte Bahnsteighöhe oder fehlende Bahnsteige führen zu Kompromissen hinsichtlich der Barrierefreiheit im Fahrzeuginnenraum zwischen den Fahrzeugtüren (mit Stufen oder Rampen) und werden der Zielstellung nicht gerecht. Andererseits wirken zu hohe Bahnsteige auch selbst als Barrieren, machen die evtl. Mitbenutzung durch Linienbusse (Schienenersatzverkehr) unmöglich. Letztlich ist hier auch deren städtebauliche Maßstäblichkeit von Bedeutung. Der Gutachter der Studie für ein Bemessungsfahrzeug kommt in betrieblicher Hinsicht zum Ergebnis, dass eine Bahnsteighöhe unter 30 cm für das innerstädtische Kernnetz nicht zu empfehlen ist, da es andernfalls fahrzeugseitig zu Einschränkungen käme (z. B. Einschränkungen in der Innenraumgestaltung, da Fahrwerke vermehrten Raum beanspruchen würden). Somit wird im Gutachten eine Mindestbahnsteighöhe r das städtische Kernnetz von 30 cm vorgeschlagen. Um jedoch auch den Anforderungen einer möglichen künftigen Regionalstadtbahn gerecht werden zu können, wird aus verkehrstechnischer Sicht empfohlen, eine Bahnsteighöhe von 35 cm an allen innerstädtischen Haltestellen zu realisieren. Diese Vorgabe muss im Hinblick auf die Altstadt und die angrenzenden Bereiche noch näher untersucht und bewertet werden. Die städtebaulichen Auswirkungen einer Bahnsteighöhe von 35 cm sind im Welterbebereich sorgfältig zu prüfen.

 

 

 

 

 

 

Alternative Antriebe

 

Die Energiezufuhr soll grundsätzlich über Oberleitungen und einen am Fahrzeug befindlichen Stromabnehmer erfolgen. Technisch möglich wäre die Einrichtung kurzer oberleitungsfreier Streckenabschnitte (bspw. im Bereich der D.-Martin-Luther-Straße und der Wöhrdstraße), welche mittels Batterieantrieb überbrückt werden könnten. Dies ist insbesondere im Sinne der Stadtgestaltung sinnvoll, wobei im Gegenzug erhöhte Betriebskosten der Stadtbahn und höhere Fahrzeuggewichte zu erwarten sind.

 

 

Regionalstadtbahn

 

Im Rahmen der Studie für das Bemessungsfahrzeug wurden auch die Anforderungen an ein Zweisystemfahrzeug ermittelt, welches zukünftig auch über Eisenbahngleise in die Region fortgeführt werden könnte (Betrieb im innerstädtischen Kernnetz nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen und in der Region auf Eisenbahngleisen nach EBO  Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung).

 

Folgende Anforderungen wären an ein solches Fahrzeug gemäß der Studie zu stellen:

 

-          Nutzung eines Radreifens, der ein sog. „Mischprofil“ besitzt (Befahrung von Stadtbahn-und Eisenbahngleisen möglich)

-          Elektrische Ausrüstung für einen Betrieb mit 750 V (Stadtbahn nach BOStrab) und 15 kV (Eisenbahn nach EBO)

-          Radsatzfahrmasse von maximal 11,5 Tonnen

-          Nutzung einer sog. „Spaltüberbrückung“ zur Schließung der Lücke zwischen Zug und Bahnsteig im Eisenbahnbereich

-          Ertüchtigung bzw. Umbau der Bahnsteige entlang der befahrenen Eisenbahnstrecken auf eine Bahnsteighöhe von 35 cm (ggf. als Verlängerung oder Abschnitt bestehender Bahnsteige)

-          zweifache betriebliche Zulassung sowohl nach BOStrab durch die Technische Aufsichtsbehörde als auch nach EBO durch das Eisenbahnbundesamt

 

 

Ob ein Mischbetrieb unter Mitbenutzung der DB-Anlagen möglich oder betrieblich wie volkswirtschaftlich sinnvoll ist, wurde bislang noch nicht vertiefend überprüft. Hierzu wird die SMO aus Betreibersicht eine entsprechende Klärung im Laufe des Jahres 2021 unter Beteiligung der maßgeblichen externen Fachstellen herbeiführen. Über das Ergebnis wird im Stadtbahnausschuss berichtet

 

 

 

 

 

 

 

 

Fahrzeugdimensionen

 

In der o. g. komobile-Studie wurde vom Einsatz von Stadtbahnwagen mit einer Kapazität für bis zu 250 Fahrgäste ausgegangen, die entlang des Stammstreckenabschnitts zwischen Nordgaustraße bzw. DEZ und dem Hauptbahnhof im 2,5-Minuten-Takt verkehren sollten. Die Fahrzeuglänge würde demzufolge zwischen ca. 35 und 40 Meter betragen.

 

Aufgrund der hohen Taktdichte von 2,5 Minuten entlang des Stammstreckenabschnitts ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass die betriebliche Stabilität und damit die Pünktlichkeit des Stadtbahnbetriebes aufgrund äerer Einflüsse (z. B. motorisierter Individualverkehr, LSA-Schaltungen, Fahrgastwechselzeiten etc.) negativ beeinträchtigt werden kann. Es bestünde in diesem Falle die Gefahr der Pulkbildung von Stadtbahnfahrzeugen und die mögliche Verbreitung von Verspätungen aus dem Bereich der Stammstrecke in das Gesamtnetz. Darüber hinaus würde der Takt von 2,5-Minuten bei der innerstädtisch verkehrenden Stadtbahn die spätere Aufnahme von zusätzlichen Fahrten einer möglichen Regionalstadtbahn oder möglicherweise weitere notwendige Verstärkerfahrten im innerstädtischen Bereich einschränken.

 

Vor diesem Hintergrund wird in der Studie vorgeschlagen, bei den weiteren Überlegungen zur Neukonzeption des Liniennetzes einen Takt entlang der Stammstrecke von 3,75-Minuten zu untersuchen. Je Linie bzw. an den Außenästen würde sich der Takt von einem 5-Minuten-Takt auf einen 7,5-Minuten-Takt vergrößern. Zur Abwicklung der Fahrgastnachfrage im innerstädtischen Bereich hat dies allerdings zur Folge, dass Stadtbahnfahrzeuge mit einer größeren Länge als bisher angedacht vorgesehen werden müssten.

 

In der Studie zur Ermittlung des Stadtbahnbemessungsfahrzeugs wird empfohlen, für den innerstädtischen Betrieb und für den Betrieb einer möglichen Regionalstadtbahn jeweils eigene Fahrzeugarten anzuschaffen. Für das Fahrzeug, das im innerstädtischen Betrieb eingesetzt werden soll, wird eine Länge von 43 bis max. 54 Meter vorgeschlagen, was einer Kapazität von 280 bis 375 Fahrgästen entspricht. Die Fahrzeuge des perspektivisch angedachten Betriebs einer späteren Regionalstadtbahn sind auf eine Länge von 37,5 Meter (Kapazität für 230 Fahrgäste) begrenzt, da der Markt u. a. wegen der technischen Anforderungen im Eisenbahnbereich keine anderen Fahrzeuglängen anbietet. Größere Fahrzeugkapazitäten würden sich für das Regionalstadtbahnfahrzeug dann nur durch die Koppelung von zwei Fahrzeugen ergeben, was allerdings im Stadtgebiet deutlich längere Haltestellenanlagen erforderlich machen würde, die an in verschiedenen städtebaulich in Regensburg kaum mehr integrierbar sein dürfte (inkl. Zugangsrampen ergäbe sich eine Länge von ca. 90 Metern). Dies ist nicht vorgesehen.

Eine solche Vorgehensweise in der Flottenstrategie (Beschaffung von zwei unterschiedlichen Fahrzeugtypen für den innerstädtischen Betrieb bzw. für den Betrieb über Eisenbahngleise in die Region) wird in den Städten Karlsruhe, Kassel und Chemnitz praktiziert.

 

Zu dieser Betrachtung ist die mögliche Bahnsteiglänge, insbesondere im Altstadt-/Welterbebereich einzubeziehen. Die Bahnsteige dürfen aufgrund ihrer Länge nicht als Barrieren wirken.

 

Fazit und weiteres Vorgehen

r viele mit der Studie angesprochene Fahrzeugparameter zeigen sich klare Prämissen. Dies trifft z. B. auf Breite und die Anordnung von Türen und Führerständen zu. Insbesondere dort, wo die Kubatur des Fahrzeugs aber unmittelbar im Wechselspiel mit der Infrastruktur steht, wie Wagenlänge oder Bodenhöhe, besteht Abwägungsbedarf, der gut argumentativ aufbereitet sein will. Damit wird es Aufgabe der SMO der kommenden Monate sein, die Realisierungsmöglichkeit eines Regionalstadtbahnansatzes vertiefend zu prüfen. Im Weiteren muss auch mit Blick auf die Neuordnung des Regionallinienverkehrs mit dem Landkreis im Sinne der regionalen Kooperation dieses Vorgehen verbindlich abgestimmt werden.

Einer besonderen Bewertung der Themenkomplexe Fahrzeug- bzw. Haltestellenlänge und Haltestellenbordhöhe ist zudem auch aus städtebaulicher, stadtgestalterischer sowie verkehrlicher Sicht erforderlich. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der Maßstäblichkeit des Stadtbahnsystems in den städtebaulich sensiblen Räumen der Regensburger Altstadt. Darüber hinaus ist z. B. auch die Frage der möglichen Doppelnutzung von Stadtbahnhaltestellen sowohl für Bahn selbst als auch für den Bus (zumindest im mitzudenkenden Schienenersatzverkehr) mit zu betrachten. Letztlich bedarf es im Weiteren der Gesamtabwägung aller Aspekte. Im Weiteren wird hierzu ein iterativer Prozess erforderlich sein, der zu Beginn der Masterplanung durchgeführt wird. Außerdem sollen die Fragen der Dimension der Fahrzeuge und Haltestellenanlagen auch in dem eigens für das Projekt eingerichteten Expertenbeirat erörtert werden, in dem u.a. Vertreter sowohl aus Betreibersicht als auch aus städtebaulich-gestalterischer Sicht mitwirken. Der Expertenbeirat ist für erstes Quartal 2021 vorgesehen. 

 

 


 

Der Ausschuss beschließt:

 

  1. Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.
  2. Die Ergebnisse zum Bemessungsfahrzeug und den daraus resultierenden Infrastrukturanforderungen sind im Expertenbeirat zu erörtern.
  3. Über die finalen Ergebnisse zur Wahl des Bemessungsfahrzeugs und den daraus resultierenden infrastrukturellen Vorgaben ist im Ausschuss zu berichten.