Vorlage - VO/21/18016/51  

 
 
Betreff: Weiterentwicklung der aufsuchenden Erziehungsberatung
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeisterin Dr. Freudenstein
Federführend:Amt für Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Entscheidung
20.07.2021 
Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses geändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt

 

Bereits im Jahr 2018 hat das Bayerische Staatsministerium ein Förderprogramm zum Ausbau der aufsuchenden Erziehungsberatung an bayerischen Erziehungsberatungsstellen aufgelegt. Die Jugend- und Familientherapeutische Beratungsstelle der Stadt Regensburg hat damals nach einem positiven Votum des Jugendhilfeausschusses (VO/18/14228/51,

Sitzung am 25.04.2018) eine zusätzliche halbe Psychologenstelle eingerichtet, die mit jährlich 7.150,- € vom Ministerium gefördert wird. Seither ist an zehn Regensburger Kindergärten und Kindertagesstätten regelmäßig bzw. zu vereinbarten Gelegenheiten eine Psychologin oder ein Psychologe vor Ort, um Sprechstunden für Eltern anzubieten, an Elterncafés o.ä. teilzunehmen oder gemeinsam mit Erzieherinnen und Eltern Gespräche zu führen. Diese sehr erfolgreichen Maßnahmen, die die bereits vorhandene enge Kooperation der Beratungsstelle mit den Kindergärten erweitern und ergänzen, helfen dabei, für Eltern den Zugang zu Erziehungsberatung zu erleichtern, Eltern dort zu erreichen, wo sie ohnehin sind, und möglichen problematischen Entwicklungen von Kindern frühzeitig und im interdisziplinären Austausch zu begegnen.

 

Nach dem Corona-Jahr 2020 hat das Bayerische Staatsministerium am 23.03.2021 ein „Konzept zur außerschulischen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie“ mit sieben Leitlinien vorgelegt. Unter Punkt 6 heißt es:

„6. Familien gezielt unter die Arme greifen

Für Familien ist der Unterstützungsbedarf gestiegen, unterstützungsbedürftige Familien sind gleichzeitig schwerer zu erreichen.

Deshalb werden wir die 120 Hauptstandorte der Erziehungsberatungsstellen (EBs) stärken. Wir wollen vor allem aufsuchende Hilfen anbieten. Hierzu werden wir den Ausbau an aufsuchenden Hilfen an allen 120 EB-Hauptstandorten auch im Jahr 2022 fortsetzen.“

Konkret ist geplant, an allen bayerischen EBn eine ganze Stelle für aufsuchende Erziehungsberatung in die Förderung aufzunehmen oder von einer vorhandenen halben auf eine ganze geförderte Stelle aufzustocken. Die bayerische Förderrichtlinie wird entsprechend geändert. Hierzu fand am 14.04.2021 ein Gespräch von Frau Isabella Gold, der zuständigen Referatsleiterin, mit den bayerischen Regierungen und Sprechern der Jugendämter statt.

 

An dem dringend benötigten Ausbau der Erziehungsberatung möchte die Jugend- und Familientherapeutische Beratungsstelle der Stadt Regensburg teilhaben und ihr aufsuchendes Angebot erweitern. Dies war bisher durch die anhaltend hohe Inanspruchnahme der Jugend- und Familientherapeutischen Beratungsstelle (2020: 875 Fälle, Vorjahr: 818) nicht möglich. Die Beratungsstelle arbeitet schon seit langem am Rand der Kapazitätsgrenze. Die staatliche Förderung für Erziehungsberatungsstellen ist schon seit vielen Jahren gedeckelt; die jetzt angekündigte Erweiterung der Förderung für gezielte Maßnahmen zur aufsuchenden Erziehungsberatung ist deshalb eine sehr wichtige Gelegenheit, die für die städtische Jugend- und Familientherapeutische Beratungsstelle unbedingt ergriffen werden sollte.

 

Eine sehr wichtige weitere Zielgruppe für aufsuchende Angebote sind psychisch erkrankte Eltern bzw. Elternteile. Geplant sind Elternsprechstunden am Bezirksklinikum Regensburg.

 

Elternsprechstunden im Bezirksklinikum zur Unterstützung der Kinder psychisch kranker Eltern

 

Die Anzahl psychischer Erkrankungen ist in den letzten Jahren in der ganzen Bevölkerung stark gestiegen. Viele der Betroffenen sind auch Eltern. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit der Fachwelt verstärkt auf die Belastungen gerichtet worden, die die psychische Erkrankung eines Elternteils für die ganze Familie und vor allem für die Kinder mit sich bringt. Dies sowohl direkt - die Kinder haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, später selbst psychisch zu erkranken, sie werden häufig phasenweise schlechter versorgt, müssen ohne den erkrankten Elternteil auskommen, wenn dieser in die Klinik muss - als auch indirekt, häufig leidet die Paarbeziehung unter der Erkrankung, es kommt häufiger zu Trennungen, psychisch Kranke haben häufig einen schlechteren sozialen Status, die Familien können auch normale Krisen häufig schlechter bewältigen.

Gleichzeitig erhalten gerade diese Familien viel weniger Hilfe für ihre Probleme und suchen auch von sich aus weniger Unterstützung, aus Scham oder aus Angst vor dem Jugendamt. Kinder psychisch erkrankter Eltern werden von der Fachwelt erst seit einigen Jahren überhaupt verstärkt wahrgenommen. Sie sind mit ihrer manchmal mangelhaften Versorgung und oft großen Überforderung nicht selten alleingelassen. Auch die Eltern brauchen Hilfe dabei, die Bedürfnisse ihrer Kinder trotz der eigenen Krise wahrzunehmen und zu erfüllen.

 

Die Corona-Pandemie hat auch hier vorhandene Problemlagen verschärft. Die Belastungen und Krisen der Menschen und auch der Eltern wurden größer, bisher funktionierende Bewältigungsmechanismen reichen immer weniger aus. Gleichzeitig waren und sind auch Unterstützungsmöglichkeiten und soziale Netze nicht mehr verfügbar. Es wird lange Zeit in Anspruch nehmen, die vielfältigen und tiefgreifenden Folgen der Pandemie aufzuarbeiten, gerade mit ihren Folgen für Familien und für psychisch erkrankte Eltern.

 

Eine Elternsprechstunde im Bezirksklinikum Regensburg, auf ausgewählten Stationen, soll dabei helfen, dass Patienten die Angebote einer wohlwollenden, vorwurfsfreien Beratung für ihre Elternrolle kennenlernen können und zur Inanspruchnahme ermutigt werden. Häufig bestehen große Ängste vor dem Jugendamt oder vor Herausnahme der Kinder, aber auch Scham über die eigene Erkrankung und daher eine oft hohe Zugangsschwelle. Dem soll entgegengewirkt werden, durch das Kennenlernen der Beraterin bzw. des Beraters vor Ort, durch die Möglichkeit eines unverbindlichen Vorgesprächs, das dann in weiteren Sprechstunden oder auch nach der Entlassung in der Beratungsstelle fortgesetzt werden kann. Aus vielen Städten Bayerns bzw. Deutschlands gibt es hierzu sehr positive Erfahrungen. Angedacht sind auch Gruppenangebote für Eltern auf den Stationen, Vorträge oder andere thematische Inputs mit Austauschmöglichkeiten.

 

Vorbereitende Gespräche für ein solches Angebot im Bezirksklinikum Regensburg haben bereits stattgefunden und sind auf große Offenheit gestoßen. Geplant ist eine Kooperation mit den beiden anderen Regensburger Erziehungsberatungsstellen der Katholischen Jugendfürsorge und der Diakonie. Die Aufstockung auf eine ganze Psychologenstelle wird die städtische Erziehungsberatungsstelle in die Lage versetzen, dieses Angebot der aufsuchenden Erziehungsberatung qualifiziert durchzuführen und die beschriebene Hilfe für die betroffenen Kinder und ihre Familien zu leisten, um stärker eingreifende und auch kostenintensivere Jugendhilfemaßnahmen nach Möglichkeit zu vermeiden.

 

Ein entsprechender Stellenplanantrag wurde zum Haushalt 2022 gestellt. Fördermittel i.H.v. jährlich 7.150,- € werden entsprechend beantragt und ggf. vereinnahmt.

Die Personaldurchschnittskosten für die beantragte 0,5-Stelle Diplom-Psychologin/Diplom-Psychologe (TVöD EG 13) betragen, gem. der Anlage zur Verwaltungsanordnung Nr. 11.21 Personaldurchschnittskosten und Kosten des Arbeitsplatzes, ohne Kosten des Arbeitsplatzes, 42.250,- Euro pro Jahr. Die für die Beschaffung der notwendigen Zimmerausstattung erforderlichen Mitteln in Höhe von 2.000,--€ sind im Vermögenshaushalt im Jahr 2022 auf der HHSt. 1.4651.9351 eingeplant, vorbehaltlich der Beschlussfassung des Haushaltsplanes 2022 durch das Stadtratsplenum.

 

 


 

Der Ausschuss beschließt:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, die Teilnahme der Jugend- und Familientherapeutischen Beratungsstelle am Ausbau des Förderprogramms „Aufsuchende Erziehungsberatung“ des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales einzuleiten.

 

Der Beschluss steht unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit.

 

 


Anlagen:

Anlage zur Verwaltungsanordnung Nr. 11.21 Personaldurchschnittskosten und Kosten eines Arbeitsplatzes

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Personaldurchschnittskosten und Kosten eines Arbeitsplatzes (3153 KB)    
Anlage 2 2 2021formular-stufe-3-pruefschema-klimavorbehalt (1992 KB)