Vorlage - VO/21/18153/10  

 
 
Betreff: Koordinator für Kommunale Entwicklungspolitik;
Tätigkeitsbericht und Projektverlängerung
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Personal- und Verwaltungsreferent Dr. Veit
Federführend:Hauptamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen Entscheidung
22.07.2021 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

Sachverhalt: 

 

1. Tätigkeitsbericht des Koordinators für kommunale Entwicklungspolitik

1.1 Faire Beschaffung

Am 25.09.2015 verabschiedeten die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Agenda 2030, die mit ihren 17 Zielen (SDGs) eine nachhaltige Entwicklung mit der Bekämpfung von Armut verknüpft, um allen Menschen weltweit ein Leben in Würde im Einklang mit den ökologischen Grenzen zu ermöglichen. Kommunen haben für die Umsetzung der Agenda 2030 eine besondere Bedeutung. Mehr als 77 % der Menschen leben z.B. in Deutschland in Städten. Mehr als 75 % aller CO2-Emissionen werden in Städten emittiert, mehr als dreiviertel aller Ressourcen verbraucht und rund 80 % der globalen Wirtschaftsaktivität findet in Städten statt. In Kommunen bündeln sich nahezu alle Themen einer nachhaltigen Entwicklung, entsprechend sind 65% der Ziele der Agenda 2030 ohne Mitwirkung der Kommunen nicht zu erreichen.

In vielen Bereichen trägt die Stadt Regensburg bereits zur Umsetzung der Agenda 2030 bei. Beispiele sind unter anderem der Luftreinhalteplan, das Leitbild Energie und Klima, der Klimavorbehalt, die Stabstelle Klimaschutz, der Beitritt zum Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie sowie der Green Deal Regensburg (u.a.  SDG 13). Ebenso zahlen die Cluster Strategie der Stadt Regensburg zuletzt die Gründung des Greentech Cluster, die Gründerzentren BioPark und TechBase sowie die Smart City Strategie auf die Agenda 2030 ein (u.a. SDG 8 und SDG 9). Die Auszeichnung „Fair Trade Stadt“ oder die Entwicklung einer Zero Waste Strategie sind weitere Maßnahmen der Stadt zur Umsetzung der Agenda 2030 (u.a. SDG 12). Ebenso das Stadtentwicklungskonzept Regensburg 2040, das Freiraumentwicklungskonzept, die Wohnbauoffensive, die Förderung des Radverkehrs in Regensburg oder die Pilotprojekte Pionier- und Prinz-Leopold-Kaserne (u.a. SDG 11).

Bereits mit Beschluss des Bau- und Vergabeausschusses vom 08.12.2009 (VO/09/5043/62) wurde die Verwaltung beauftragt, bei Beschaffungen zukünftig vermehrt soziale und ökologische Belange zu berücksichtigen. Insbesondere sollte durch den Beschluss soweit wie möglich sichergestellt werden, dass zukünftig keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschafft werden. Zu den sogenannten „sensiblen Produktgruppen“, die ein besonders hohes Risiko für ausbeuterische Kinderarbeit sowie allgemein zur Missachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Kernarbeitsnormen) aufweisen, zählen folgende Produktgruppen, sofern sie aus bestimmten Herkunftsländern oder -gebieten stammen (siehe jeweils gültige DAC-Liste der Entwicklungsländer und gebiete des Development Assistance Committee der OECD):

  • Bekleidung, insbesondere Arbeitsbekleidung, Uniformen, Textilien
  • Informations- oder Kommunikationstechnik (Hardware)
  • Natursteine
  • Spielwaren
  • Sportartikel (insbesondere Bälle, Bekleidung)
  • landwirtschaftliche Produkte
    (u.a. Kaffee, Kakao, Orangensaft, Reis, Südfrüchte wie Bananen und Ananas, Schnittblumen)
  • Lederwaren, Gerbprodukte
  • romaterialien, die die Rohstoffe Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk enthalten
  • Produkte aus Naturkautschuk
    (zum Beispiel Einmal- oder Arbeitshandschuhe, Reifen, Gummibänder)
  • Holz
  • Teppiche

hrend in der Beschlussvorlage von 2009 noch auf die „Problematik des Nachweises“ der Einhaltung der Kernarbeitsnormen sowie auf die Komplexität und Intransparenz von Lieferketten zum damaligen Zeitpunkt hingewiesen wurde, liegen heute geänderte Rahmenbedingungen vor. Eine Marktanalyse sowie eine Potentialanalyse unter vergaberechtlichen Aspekten haben ergeben, dass die Stadt Regensburg zum aktuellen Zeitpunkt weitere vergaberechtlich zulässige Möglichkeiten für eine nachhaltige Beschaffung nutzen könnte, um ihrer sozialen wie ökologischen Verantwortung gerecht zu werden.

Bereits im Beschluss vom 08.12.2009 wurden die Produktgruppen Natursteine, Textilien, Informations- und Kommunikationstechnik, Spielwaren und Sportartikel (insbesondere Fußlle) sowie Agrarprodukte (Orangensaft, Tee, Kaffee) explizit genannt. Für diese sowie weitere der oben aufgeführten Produktgruppen existiert heute eine Vielzahl an Siegeln und Zertifikaten mit hoher Glaubwürdigkeit, welche zum einen Aufschluss über die Umweltfreundlichkeit als auch Sozialverträglichkeit der jeweiligen Produkte geben, zum anderen die Einhaltung der Kernarbeitsnormen belegen können.

Im Sachstandsbericht des Koordinators für kommunale Entwicklungspolitik am 21.01.2021 im Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen (VO/21/17527/10) wurde darüber informiert, dass eine Projektgruppe „Faire Beschaffung“ gebildet wurde, deren Aufgabe es ist, mit zum Teil externer Unterstützung Produktgruppen zu ermitteln, für die bereits faire, bzw. sozial gerecht produzierte Alternativen auf dem Markt existieren und zu prüfen, wo eine Umstellung möglich ist.

Eine faire Beschaffung gemäß den Mindeststandards der Kernarbeitsnormen kann demnach zunächst in folgende drei Produktgruppen implementiert werden:

  • Bekleidung, insbesondere Arbeitsbekleidung, Uniformen, Textilien
  • Natursteine
  • Sportartikel, insbesondere Bälle

Sofern die drei genannten Produktgruppen aus bestimmten Herkunftsländern oder -gebieten beschafft werden, können von den Unternehmen im Rahmen des Vergabeverfahrens Nachweise unabhängiger Zertifizierungsstellen zur Einhaltung der Mindeststandards der Kernarbeitsnormen verlangt werden.

Unter anderem können folgende oder gleichwertige Siegel und Zertifikate als Belegr die Einhaltung der Mindestanforderungen der Kernarbeitsnormen zu Rate gezogen werden:

  • Fairtrade, Fair Wear Foundation, Global Organic Textile Standard (GOTS), Grüner Knopf, Naturtextil oder Öko-Tex Made in Green (bei Bekleidung)
  • Xertifix, win = win Fairstone oder IGEP (bei Natursteinen)
  • Fairtrade, GEPA, El Puente (bei Sportartikeln, insbesondere Bällen).

 

Die veränderten Rahmenbedingungen und die bessere Marktabdeckung machen es nunmehr glich, die nachhaltige und insbesondere faire Beschaffung strukturierter und systematischer als bisher umzusetzen. Auch im Hinblick auf die Vorbildfunktion, die die Stadtverwaltung innehat, sollten daher künftig bei gegebener Marktabdeckung Aufträge an Unternehmen vergeben werden, die dafür Sorge tragen, dass die im konkreten Auftrag zu beschaffenden Waren und Produkte unter Einhaltung der Mindeststandards der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation gewonnen oder hergestellt worden sind.

Aufgrund der guten Marktabdeckung ist in den genannten drei Produktbereichen auch bei Einhaltung der Kernarbeitsnormen nicht von einer besonderen Kostensteigerung auszugehen. So lagen die Mehrkosten bei Vergaben mit Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien in Vergleichskommunen im einstelligen Prozentbereich, im Bereich Arbeitskleidung z.B. bei rund drei Prozent. Zudem haben erste Tests gezeigt, dass fair produzierte bzw. fair gehandelte Produkte oftmals eine bessere Qualität aufweisen.

1.2 Netzwerkarbeit und Information/Sensibilisierung extern

Zu den Aufgaben des Koordinators für kommunale Entwicklungspolitik gehört auch, die Stadtgesellschaft über kommunalpolitische Zusammenhänge zu informieren. Vom 31.05.2021 bis 06.06.2021 fand z.B. die erste Regensburger Nachhaltigkeitswoche statt, die vom Koordinator gemeinsam mit dem Netzwerk Nachhaltigkeit und mit Unterstützung der Universität Regensburg sowie der OTH Regensburg organisiert wurde. Das Themenspektrum reichte von Kultur, Bildung und Wissenschaft über Mobilität und Wirtschaft bis hin zu Umwelt und Sozialem. Etwa 40 regionale Institutionen, Vereine und Verbände sowie mehr als 20 städtische Ämter, Referate und Töchter trugen zu dem umfangreichen und vielseitigen Programm bei.

Neben hochkarätigen Wissenschaftler*innen wie Harald Lesch oder Claudia Kemfert standen auch Vertreter*innen namhafter Wirtschaftsunternehmen wie BMW und Continental, eine Vertreterin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Vertreter der IHK und HWK auf einer der zahlreichen, wegen der Corona-Pandemie  zum Großteil virtuellen Bühnen.

Mehr als 8.500 Teilnehmer*innen nahmen an den rund 150 Veranstaltungen und Aktionen rund um die Agenda 2030 in Regensburg teil. Mehr als 14.000 Besucher*innen aus 52 Ländern informierten sich auf der Webseite über die Themenwoche sowie die Hintergründe der Agenda 2030 und riefen diese im Veranstaltungszeitraum mehr als 80.000 Mal auf.

1.3. Information/ Sensibilisierung der städtischen Mitarbeiter*innen

Seit dem Sachstandsbericht am 21.01.2021 wurden mehrere Praxisworkshops, zum Teil mit externen Expert*innen, zur Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien bei Beschaffungsvorgängen durchgeführt. Genauer behandelt wurden u.a. die Produktgruppen Arbeitskleidung, Sicherheitsschuhe und Lebensmittel. Darüber hinaus fanden ein produktübergreifender Workshop zu sensiblen Produktgruppen sowie eine Einführung in den Kompass Nachhaltigkeit, einem Webportal mit umfangreichen Informationen zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, statt. Eine Schulung der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung des Bundesministeriums des Innern zu den Schwerpunkten Lebenszykluskosten, Mobilitätsmanagement, Elektromobilität und IT wird noch im Juli durchgeführt. An den einzelnen Workshops und Schulungen nahmen teilweise mehr als 30 Mitarbeiter*innen teil. Im Rahmen der jährlichen Führungskräftetagung gab es ebenfalls einen zweistündigen Workshop.

 

Darüber hinaus werden die Mitarbeiter*innen regelmäßig über das Intranet und hier insbesondere über die Kategorie „Nachhaltig im Arbeitsalltag“ informiert. Aktuell stehen 14 Artikel online zur Verfügung, die über globale und entwicklungspolitische Zusammenhänge und Hintergründe informieren und zeigen, welche Maßnahmen die Stadt Regensburg bereits zur lokalen Umsetzung der Agenda 2030 durchführt.

 

2. Antrag auf Verlängerung der Projektförderung

Wie dem Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen am 21.01.2021 (VO21/17527/10) u.a. berichtet wurde, endet die Förderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für die Personalstelle des Koordinators für Kommunale Entwicklungspolitik am 31.12.2021. Der Ausschuss hat daraufhin beschlossen, dass sich die Stadt Regensburg um eine Folgefinanzierung des Projektes bis 31.12.2023 bewerben soll, um die bisher angestoßenen bzw. umgesetzten Maßnahmen weiterführen zu können. Die Verwaltung schlägt vor, in den Ziel- und Aktivitätenkatalog, der dem Förderantrag beizufügen ist, folgende Maßnahmen aufzunehmen:

  • Prüfung und Festlegung weiterer „sensibler Produktgruppen“, die zukünftig aus fairem Handel beschafft werden können. Hierzu zählen insbesondere Informations- oder Kommunikationstechnik (Hardware), Holz, Agrarprodukte (u.a. Kaffee, Kakao, Orangensaft, Reis und Südfrüchte wie Bananen und Ananas für die Bereiche Catering und Kantine sowie Schnittblumen) und Lederwaren (Schuhe). 
  • Festlegung von Indikatoren zur Messung und langfristig zur strategischen Steuerung kommunaler Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 2030. In einem Nachhaltigkeitsbericht soll der Status Quo der Stadtverwaltung beschrieben und Stärken und Schwächen des Nachhaltigkeitsmanagements aufgezeigt werden. Auf Basis dieses Nachhaltigkeitsberichts können langfristig Ziele zur Umsetzung der Agenda 2030 formuliert und Maßnahmen zur Erreichung der Ziele benannt und terminiert werden.
  • Fortsetzung der Information über und Sensibilisierung der Regensburger Bürger*innen (Stadtgesellschaft) für kommunale Entwicklungspolitik. Mit der Regensburger Nachhaltigkeitswoche wurden erste Erfolge erzielt, die Anlass dazu geben, diese Aufgabe verstärkt wahrzunehmen. Insbesondere sollen Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus, Vereine und Wirtschaft auf verschiedensten Feldern verstärkt für den fairen Handel und die Agenda 2030 sensibilisiert werden.

 

 

 

Anlage:

Klimavorbehalt


Der Ausschuss beschließt:

 

1. Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen; der Ausschuss begrüßt die im Sachverhalt dargestellten Maßnahmen zur Umsetzung der Agenda 2030.

2. Mit den Vorschlägen der Verwaltung hinsichtlich des dem Antrag auf Verlängerung der Projektförderung beizufügenden Ziel- und Aktivitätenkatalogs besteht Einverständnis.

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Klimavorbehalt Kommunale Klimavorbehalt (223 KB)