Vorlage - VO/21/18186/45  

 
 
Betreff: Abschlussbericht des internationalen EU-Projektes "REDISCOVER: Rediscover, expose and exploit the concealed Jewish heritage of the Danube Region" im Rahmen des Interreg Danube Transnational Programmes
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Kulturreferent Dersch
Federführend:Amt für Archiv- und Denkmalpflege   
Beratungsfolge:
Kulturausschuss
19.10.2021 
Öffentliche Sitzung des Kulturausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt:

 

1. Hintergrund und Projektbeschreibung

 

1.1 Projektüberblick

 

Die heutige jüdische Gemeinschaft in der Donauregion und ihr kulturelles Erbe ist „auseinandergerissen": Während Hauptstädte und große regionale Zentren in der Regel auf eine reichhaltige jüdische Geschichte zurückblicken können und dieses Erbe über ein umfassendes touristisches Angebot vermitteln, haben es mittelgroße oder kleinere Städte bedeutend schwerer. Für diese Orte mit einem kleineren Anteil an erhaltenem jüdischen Kulturerbe ist die Vermittlung hingegen eine erhebliche Aufgabe. Dabei ist es die große Herausforderung, einen Weg zu finden, das jüdische Erbe sowohl materiell als auch immateriell wiederzuentdecken und darauf aufbauend wettbewerbsfähige kulturelle und touristische Produkte zu entwickeln.

 

Das EU-Projekt „REDISCOVER Das jüdische Erbe in der Donauregion wiederentdecken“ hat es geschafft, Antworten auf diese Herausforderungen und Fragen anzubieten. Dies ist durch die sorgfältige Forschung und Identifikation mit dem jüdischen Kulturerbe auf der einen Seite und die Implementierung von touristischen Angeboten in der Praxis auf der anderen Seite erfolgt. Mit der Gründung eines transnationalen Netzwerkes aus Städten mit wiederentdecktem jüdischen Erbe rediscovered jewish heritage" wurde die Basis für weitere transnationale Kooperationen gelegt.

 

1.2 Projektzeitraum

 

Das Projekt hatte eine Laufzeit von 36 Monaten vom 01.06.2018 bis 31.05.2021.

 

1.3 Projektpartner

 

Der Kreis der REDISCOVER-Projektpartner bildete sich aus einem Kern von neun Städten, die in ihrer Größe, ihrem geschichtlichen Hintergrund, ihrem Bestand an jüdischem Erbe sowie ihrer kulturellen und touristischen Zielsetzung vergleichbar sind.

Der Lead-Partner des Projektes war die Stadt Szeged in Ungarn. Weitere Projektpartner waren: Galați (Rumänien), Timișoara (Rumänien), Murska Sobota (Slowenien), Osijek (Kroatien), Subotica (Serbien), Kotor (Montenegro), Banja Luka (Bosnien und Herzegowina) und Regensburg (Deutschland).

 

1.4 Die Beteiligung Regensburgs

 

Die Abteilung Welterbekoordination im Amt für Archiv und Denkmalpflege der Stadt Regensburg beteiligte sich wie alle Projektpartner am internationalen Projektmanagement und übernahm die lokale Projektsteuerung für Regensburg. Sie war verantwortlich für die Leitung des Arbeitspaketes 5 Test und Nachhaltigkeit („Testing and Sustainability“), d. h. die im Vorfeld gemeinsam erarbeiteten kulturellen und touristischen Dienstleistungen bzw. Produkte wurden in Testläufen implementiert und auf ihre Nachhaltigkeit und Kontinuität überprüft. Darüber hinaus wurde ein Valorisierungshandbuch erarbeitet, das fundierte wissenschaftliche Grundlagen mit praxisnahen Lösungsansätzen verknüpft. Die von der Partnerstadt Regensburg organisierte Abschlusskonferenz, bei der die Partner die gesamten Projektergebnisse vorgestellt haben, fand am 27.04.2021 und 28.04.2021 online statt. Durch die begleitende Pressearbeit wurden die Ergebnisse den Medien und der interessierten Öffentlichkeit präsentiert.

 

Finanzierung des Projektes

 

Die Beteiligung Regensburgs im Rahmen des Projektes wurde zu 85 % vom European Regional Development Fund (ERDF) und zu 15 % aus Eigenmitteln der Stadt Regensburg finanziert. Der Abrechnungsperiode entspricht die Projektlaufzeit, d. h. vom 01.06.2018 bis 31.05.2021.

 

Die Gesamtausgaben in der Projektlaufzeit lagen bei 231.420,41 Euro.

Die Rückerstattung des ERDF lag bei 196.707,34 Euro.

Die Selbstbeteiligung der Stadt Regensburg betrug 34.713,07 Euro.

 

Personaleinsatz

 

r die Projektleitung der Partnerstadt Regensburg wurde in der Abteilung Welterbekoordination eine befristete Stelle (Teilzeit 75 %, Entgeltgruppe 9b TVöD) geschaffen. Diese Stelle wurde zunächst vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2021 eingerichtet. Um die aufwendige Abrechnung und kleinere projektbezogene Restarbeiten ordnungsgemäß durchzuführen, wurde die Stelle final bis zum 31.12.2021 verlängert.

 

1.5 Lokales Engagement

 

Das lokale Engagement stand im Zentrum des Projektes. Die vorhandenen Aktivitäten zur Vermittlung des jüdischen Kulturerbes wurden gemeinsam mit lokalen Stakeholdern (Fachleute aus wissenschaftlichen, kulturellen und öffentlichen Bereichen) und stets in enger Abstimmung mit der Jüdische Gemeinde Regensburg und der Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur im Referat für Bildung entwickelt. Während der gesamten Laufzeit war das Projekt in anderen lokalen und bundesweiten Initiativen eingebunden, wie dem kulturellen Jahresthema 2019 der Stadt Regensburg „Stadt und Gesellschaft: Jüdisches Regensburg" und dem diesjährigen bundesweiten Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

 

2. Ergebnisse auf der Projektebene

 

2.1 Valorisierungshandbuch

 

Regensburg war verantwortlich für die Erarbeitung des endgültigen Outputs des Projektes, das gemeinsame Handbuch zur Valorisierung des jüdischen Kulturerbes („Community-sourced JCH Valorisation Handbook“). Das Valorisierungshandbuch gibt einen Überblick über das gesamte Projekt und wertet seine Ergebnisse aus. Es bietet Städten und Einrichtungen Anleitungen und Ratschläge

 

  • r die Entdeckung und Inwertsetzung des regionalen jüdischen Kulturerbes
  • r die Entwicklung neuer kultureller Produkte und Dienstleistungen durch die Einbindung der Gemeinde
  • r die Übertragung dieser Produkte und Dienstleistungen auf andere Orte
  • r die Aufrechterhaltung und Verbesserung des touristischen Angebotes und der internationalen Vernetzung basierend auf dem wiederentdeckten Kulturerbe.

 

Alle Outputs sind auf den Projekt-Homepages verfügbar:

 

  • In Regensburg:

https://www.regensburg.de/welterbe/projekte/aktuelle-projekte/eu-projekt-rediscover-das-juedische-kulturerbe-in-der-donauregion

  • Auf Projektebene:

http://www.interreg-danube.eu/approved-projects/rediscover

 

2.2 Online-Abschlusskonferenz in Regensburg

 

Am 27.04.2021 und 28.04.2021 fand die internationale Abschlusskonferenz des Projektes mit ca. 100 Teilnehmenden im digitalen Raum statt. Die Veranstaltung hat in der Öffentlichkeit großen Anklang gefunden. Ein besonderes Highlight des Konferenzprogrammes war die anregende Diskussionsrunde über die Pluralität des heutigen Judentums mit vier internationalen Gästen aus verschiedenen kulturellen Hintergründen. Außerdem hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, mehr über die gesamten Ergebnisse des Projektes und den Mehrwert von Kulturtourismus zu erfahren.

 

2.3 Gesamtüberblick über die Pilotprojekte

 

Insgesamt wurden im Rahmen des Partnerschaftsprojektes 36 kulturelle und touristische Pilotprojekte implementiert. Diese unterteilen sich in fünf verschiedene thematische Routen: Gastronomie, Führungen, wiederhergestelltes jüdisches Kulturerbe (Gebäude, Denkmäler), jüdische Festveranstaltungen (z. B. Rituale, religiöse Feste) sowie analoge und virtuelle Ausstellungen (unter Einbeziehung von Oral History).

Als Beispiele für durchgeführte Aktivitäten in den anderen Partnerstädten, können folgende Pilotprojekte erwähnt werden: Der Projektpartner in Murska Sobota (Slowenien) hat eine 3D-Visualisierung der ehemaligen Synagoge für touristische Zwecke erstellt. Vom Projektpartner in Osijek (Kroatien) wurde eine kreative virtuelle Ausstellung über den jüdischen Kunstmäzen Dr. Hermann Weissmann realisiert.

Detailliertere Informationen über die Pilotprojekte und die thematischen Routen des Partnerschaftsprojektes sind im Valorisierungshandbuch (Kapitel 7) aufgeführt.

 

3. Ergebnisse auf der lokale Ebene

 

Auf lokaler Ebene wurden zahlreiche kulturelle und touristische Angebote und Aktivitäten, von der Entwicklung von Pilotprojekten (Produkte und Dienstleistungen) bis hin zu Kommunikationsmaßnahmen, durchgeführt.

 

3.1 Festival „European Day of Jewish Culture“

 

Regensburg nahm im September 2020 zum ersten Mal am Tag der jüdischen Kultur („European Day of Jewish Culture“) teil, den es bereits seit 1999 europaweit gibt. 2019 haben insgesamt 400 Städte aus 29 europäischen Ländern teilgenommen. Koordiniert werden die „European Days of Jewish Culture” von der AEPJ (European Association for the Preservation and Promotion of Jewish Culture and Heritage) in Zusammenarbeit mit der Nationalbibliothek Israel. Mit Informationsständen zu den Themen Architektur, Essen, Sprache und Literatur, einer kleinen Ausstellung, Mitmachaktionen für Kinder, Ansprechpartnern/-innen vor Ort, Führungen und einer Lesung, haben sich die Besucher/-innen über verschiedene Aspekte der jüdischen Kultur, Geschichte und Tradition informiert und ausgetauscht. Die Stadt Regensburg plant auch künftig am europaweiten Tag der jüdischen Kultur teilzunehmen. Die Koordination würde dabei die Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur übernehmen.

 

3.2 Stadtplan

 

Im September 2020 wurde der Stadtplan „Das jüdische Erbe wiederentdecken: Ein Rundgang in Regensburg“ in deutscher Sprache sowie die englischsprachige Version „Jewish heritage uncovered: A tour of Regensburg“ erstellt. Der Stadtplan will markante Orte der jüdischen Geschichte in Regensburg zeigen und ihre historische und aktuelle Relevanz vermitteln. Zur jeder Station gibt es eine kurze Erklärung. Zusätzliche interessante digitale Informationen (Fotos, Audios, Texte, etc.) sind über einen QR-Code von der städtischen Website der Abteilung Welterbekoordination abrufbar. 4000 Exemplare wurden gedruckt und über 2000 wurden bereits in öffentlichen und touristischen Einrichtungen verteilt. Dank des digitalen Stadtplanes hat die Homepage der Abteilung Welterbekoordination nochmals deutlich an Sichtbarkeit gewonnen.

 

3.3 Drehbuch des Theaterstückes „Kamemereyt“

 

Das Konzept und Drehbuch des Theaterstückes „Kamemereyt“ (jiddisch „Gedenken“) wurde für das Projekt von einem jungen und lokalen Dramaturgie-Team verfasst. Die Abteilung Welterbekoordination besitzt die Nutzungsrechte und plant ab Januar 2022 Aufführungen innerhalb von Schulprojekten. Die Dauer der Inszenierung soll ca. 45-60 Minuten betragen. Das Stück beschäftigt sich mit der (lokalen) jüdischen Geschichte, es fokussiert auf den Lebenswillen und behandelt wichtige Themenfelder wie Identität und Schuld bezogen auf die Gegenwart.

 

3.4 Kochbuch „dische Küche erzählt“

 

Im Mai 2021 wurde das Kochbuch „dische Küche erzählt“ fertiggestellt (Inhalt, Layout, Druckdaten) und an den lokalen Verlag Roderer vergeben. Der Verlag ist Herausgeber und plant den Vertrieb des Kochbuches mit einer ersten Auflage von 500 Stück im Herbst 2021. Das von Prof. Dr. Gerhard Waldherr verfasste Buch bietet eine Zusammenstellung von Kochrezepten und persönlichen Geschichten, welche die Vielfalt des heutigen Judentums in Regensburg widerspiegeln. Das Kochbuch spannt einen Bogen von der schlesischen Küche der Oma über ukrainische, rumänisch-moldauische, aserbaidschanische bis hin zu tadschikisch-zentralasiatischen Speisen. Mit der Aufnahme mehrerer Rezepte aus der Zeit um 1920 sowie aus der handschriftlichen Rezeptsammlung eines Gemeindemitgliedes, das aufgrund der nationalsozialistischen Gräuel emigrieren musste, wurde der zeitliche Horizont auch in die jüngere Vergangenheit erweitert. Die Leser/-innen des Buches erfahren Spannendes über persönliche Familienessgewohnheiten oder ganz Praktisch-Alltägliches zur Einhaltung jüdischer Speisevorschriften.

 

3.5 Kulturführer „dische Spuren in Regensburg“

 

Im Herbst 2021 wird der Kulturführer „dische Spuren in Regensburg“ mit einer Auflage von 5000 Stück erscheinen. Die von sechs Fachautoren/-innen verfasste Publikation ergänzt den in 2020 veröffentlichten Stadtplan mit einem Fokus auf das materielle und immaterielle jüdische Erbe Regensburgs. Die verschiedenen Themen, welche chronologisch dargestellt sind, ermöglichen es, die Spuren der Vergangenheit zu entdecken und die Gegenwart mit neuen Augen wahrzunehmen. Zutzliche digitale Audio-Aufnahmen (Lesungen in Deutsch und Jiddisch) sind über einen QR-Code zur Homepage der Abteilung Welterbekoordination abrufbar.

 

3.6 Installation zur Erinnerung an die Bücherverbrennung

 

Im Hinblick auf die Bedeutung des Neupfarrplatzes, vor allem für die jüdische Geschichte in Regensburg, wurde im Juni 2021 eine temporäre Installation an der langen Bank am Dani Karavan-Kunstwerk „Misrach“ angebracht, die voraussichtlich bis Ende September 2021 stehen wird: Fünf Acrylglasscheiben geben Informationen zum EU-Projekt REDISCOVER, zur Geschichte des Neupfarrplatzes und erinnern an die Bücherverbrennung, welche 1933 an der Südseite der Neupfarrkirche stattgefunden hat. Ein QR-Code führt zudem auf die Homepage der Abteilung Welterbekoordination mit weiterführenden Links und Informationen. Die Installation wurde von der Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur der Stadt Regensburg koordiniert.

 

4. Bilanz der dreijährigen Projektarbeit

 

Mit der Teilnahme als Partnerstadt am EU-Projekt REDISCOVER hat sich die Stadt Regensburg in den vergangenen drei Jahren aktiv mit dem jüdischen Erbe des Donauraumes auseinandergesetzt. Ein breites internationales Kooperationsnetzwerk von städtischen und jüdischen Einrichtungen wurde aufgebaut und im Laufe des Projektes weiter verstärkt (siehe Valorisierungshandbuch, Kapitel 8).

 

Die Stadt Regensburg hat erfolgreich ihr jüdisches materielles und immaterielles Kulturerbe wiederentdeckt. Dabei ist ein wichtiger Dialog zwischen der Jüdischen Gemeinde Regensburg, der Öffentlichkeit und der Stadt Regensburg entstanden. Durch das EU-Projekt REDISCOVER wurden konkrete Angebote entwickelt, die das jüdische Erbe sichtbarer und zugänglicher gemacht haben. Damit wurde es nicht nur den Touristen/-innen, sondern auch den Regensburgern/-innen ermöglicht, die Vielfalt des modernen jüdischen Lebens in Regensburg besser zu verstehen.

 

Darüber hinaus war die Nachhaltigkeit aller entwickelten kulturellen und touristischen Aktivitäten ein wesentliches Thema des Projektes. Die durchgeführten Pilotaktivitäten wurden so konzipiert, dass sie sich gut in die lokalen Angebote integrieren (siehe Punkt 3. Ergebnisse auf der lokale Ebene). Mit der gemeinsamen Entwicklung von touristischen Themenrouten über Länder hinweg (siehe Punkt 2.3 Gesamtüberblick über die Pilotprojekte), sind die Pilotaktivitäten außerdem europaweit positioniert und verfügen über internationale Sichtbarkeit in den Partnerländern.


Der Kulturausschuss nimmt den Abschlussbericht des internationalen EU-Projektes „REDISCOVER: Rediscover, expose and exploit the concealed Jewish heritage of the Danube Region" im Rahmen des Interreg Danube Transnational Programms zur Kenntnis.


Anlagen:

  • Formular Prüfschema Klimavorbehalt
Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Prüfschema_Klimavorbehalt_Stufe_3_Abschlussbericht_REDISCOVER (152 KB)