Vorlage - VO/22/19127/65  

 
 
Betreff: Klärwerk Regensburg;
Steigerung der Reinigungsleistung
Nachrüstung mit dem S-Selekt®-Verfahren
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Tiefbauamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz Vorberatung
21.07.2022 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
28.07.2022 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

Sachverhalt: 

 

1. Ausgangssituation

 

Aktuelle Anlagenbelastung

 

Die Belastung des Klärwerks mit Abwässern weist seit Jahren eine ständig steigende Tendenz auf, die sich auch in den nächsten Jahren für die Stadt und die Anschlussgemeinden fortsetzen wird. Durch die Zunahme der Abwasserbelastung wird die Grenze der rechnerischen Leistungsfähigkeit des Klärwerks erreicht werden.

Um frühzeitig die Entwicklung der Belastungssituation für das Klärwerk im Vergleich zur Leistungsgrenze der Abwasserreinigungsanlage abschätzen zu können, wurde im Jahr 2014 eine entsprechende Studie beauftragt, die Hinweise hinsichtlich der verfahrenstechnischen Nachweise für die Leistungsfähigkeit und für die Optimierungspotentiale bei der Abwasserreinigung lieferte. In einer Prognosebetrachtung wurde ausgehend von der Belastungssituation des Jahres 2014 das Erreichen der rechnerischen Leistungsfähigkeit unter Ausnutzung der verfahrenstechnischen Optimierungen in der Abwasserreinigung nach 10 Jahren berechnet.

 

Eine aktuelle Auswertung der Betriebsergebnisse aus dem Jahr 2021 zeigt, dass die Anlagenbelastung die rechnerische Ausbaugröße von 400.000 EW nun sogar drei Jahre früher erreicht hat. Beim Parameter Nges (Gesamtstickstoff) liegt die in den vergangenen Jahren stark angestiegene Zulaufbelastung bereits deutlich über der rechnerischen Ausbaugröße. Auf der Grundlage der langjährigen Entwicklung der Zulaufbelastungen ist bei allen Parametern ein weiterer Anstieg zu erwarten. Mit dieser Belastungssituation steigt das Risiko einer Überschreitung der Grenzwerte am Ablauf der Abwasserreinigungsanlage stark an. Das Risiko wird zudem noch durch die erforderliche Außerbetriebnahme von jeweils einer Beckengruppe während der Umbauphase der Nitrifikationsbecken im Zeitraum 2022 bis 2025 erhöht.

 

Sachstand Optimierung der biologischen Reinigungsstufe – Erneuerung Anlagentechnik

 

Auf Grundlage des Maßnahmenbeschlusses vom 12.11.2019 / 21.11.2019 (VO/19/16040/65) wurde mit den Maßnahmen zur Erneuerung der technischen Anlagen für die biologische Reinigungsstufe begonnen. Im Jahr 2021 wurden die Leistungen für die Erneuerung der maschinentechnischen Anlagen zur Erzeugung der Druckluft für die Sauerstoffversorgung der biologischen Reinigungsstufe beauftragt und mit den Arbeiten begonnen. Nach Abschluss der Arbeiten im Bereich der Maschinentechnik im 2. Quartal 2022 wird die gesamte Belüftungstechnik in den Nitrifikationsbecken für die biologische Reinigungsstufe im Zeitraum von September 2022 bis einschließlich 2025 erneuert.

Nachdem die Umbauarbeiten während des laufenden Betriebes ausgeführt werden müssen, kann immer nur eines der sechs Doppelbecken außer Betrieb genommen werden; dabei ist die Reinigungsleistung bei der Abwasserreinigung sicherzustellen und die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an den Ablauf zu gewährleisten.

 

Bei einer Außerbetriebnahme eines Doppelbeckens mit einem Volumen von ca. 5.200 m³, (ca. 17 % des Gesamtvolumens), muss dieses Defizit zusätzlich durch entsprechende Verfahrensoptimierungen kompensiert werden. Unter Berücksichtigung der aktuellen Belastungssituation des Klärwerks ist die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Ablaufparameter während der langen Umbauphase trotz aller verfügbaren verfahrenstechnischen Betriebsoptimierungen mit erheblichen Risiken verbunden, die ausgeglichen werden müssen, da sonst verschiedene Konsequenzen drohen:

 

-          wasserrechtliche Konsequenzen: Die Überschreitung eines Grenzwertes für einen Ablaufparameter würde grundsätzlich den Tatbestand einer Gewässerverunreinigung erfüllen mit entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen (Freiheitsstrafe bzw. Geldstrafe)

-          Konsequenzen für die Schmutzwasserabgabe: Die Einleitung von gereinigtem Abwasser in ein Gewässer ist gemäß Abwasserabgaben-Gesetzen abgabepflichtig. Die Abgabe wird auf Grundlage der eingeleiteten Abwassermenge und der Grenzwerte der verschiedenen Parameter ermittelt. Bei einer mehrfachen Überschreitung der Grenzwerte im Zuge der amtlichen Überwachung erfolgt eine Erhöhung der Abwasserabgabe, die je nach Überschreitung der Parameter zu einer Erhöhung der jährlichen Abgabe von mehreren 100.000 € führen kann.

-          Konsequenzen für die Niederschlagswasserabgabe: Für die Befreiung von der jährlichen Niederschlagswasserabgabe müssen u.a. auch die Anforderungen an die Grenzwerte bei der Abwasserreinigung am Klärwerk eingehalten sein, da sonst die gesamte Niederschlagswasserabgabe (in einer Höhe von jährlich derzeit ca. 1,3 Mio. €) fällig werden kann.

 

Sachstand Planungen zur Kapazitätserhöhung – Erhöhung der Ausbaugröße

 

Im Grundsatzbeschluss für das Klärwerk Regensburg zur Erhöhung der Ausbaugröße von 400.000 EW auf 500.000 EW vom 06.07.2021 / 28.07.2021 (VO/21/18054/65) wurden die Planungsergebnisse für einen notwendigen Ausbau ausführlich dargestellt. In der Vorzugsvariante zur Erhöhung der Ausbaugröße sind demnach drei Teilmaßnahmen vorgesehen, um die Reinigungsleistung von 500.000 EW nachzuweisen.

Unter der Ziffer 3.1.3 wurde als Teilmaßnahme 3 für eine Optimierung der biologischen Reinigungsstufe ein Verfahren mit einem „aeroben granularen Belebt-Schlamm“ („S-Selekt®-Verfahren“) dargestellt. Mit dieser Teilmaßnahme ist eine signifikante Verbesserung der Schlammeigenschaften möglich.

 

2. Abgestimmte Planungen für die Erneuerung der Anlagentechnik für die biologische Reinigungsstufe und für die Erhöhung der Ausbaugröße von 400.000 EW auf 500.000 EW und Umsetzungsphase

 

Die beiden Planungen für die Erneuerung der Anlagentechnik der biologischen

Reinigungsstufe („Optimierung der biologischen Reinigungsstufe“) und für die Erhöhung der Ausbaugröße von 400.000 EW auf 500.000 EW („Kapazitätserhöhung“) wurden vom planenden Ing.-Büro Miller inhaltlich und konzeptionell aufeinander abgestimmt, sodass

sich die jeweiligen Einzelmaßnahmen verfahrenstechnisch ergänzen und in der Summe aller Maßnahmen letztlich eine Ausbaugröße von 500.000 EW ergeben.

Dabei ist es auch möglich, jede Teilmaßnahme als Einzelmaßnahme umzusetzen, da jede Maßnahme als funktioneller Baustein in den Anlagenbestand integriert werden kann.

 

Wie oben aufgezeigt, besteht während des Umbaus der Nitrifikationsbecken ein Defizit beim belüfteten Volumen. Mit der vorhandenen Anlagentechnik kann dieses Defizit nur bedingt ausgeglichen werden, da für den Abbau der Schmutzfrachten die dazu notwendige aktive Biomasse zur Verfügung stehen muss.

 

Damit die Einhaltung der Ablaufwerte während der Umbauphase sicher gewährleistet werden kann, muss im Bereich der Biologie eine entsprechende Leistungssteigerung erfolgen. Dazu bietet sich der Einsatz des oben dargestellten Einsatzes von aeroben granularen Belebtschlamm an. Bei dem S-Selekt®-Verfahren werden gezielt aerobe Granule erzeugt und damit optimale Schlammeigenschaften dauerhaft erhalten. Der Reinigungsprozess wird dadurch nachhaltig stabilisiert und die Nitrifikationsleistung deutlich erhöht und dabei gleichzeitig ein hohes Denitrifikationspotential bewahrt. Damit kann dann auch das Volumendefizit bereits während der Umbauphase zur Optimierung der Biologie ausgeglichen werden.

 

3. Maßnahme eines aeroben granularen Belebtschlamms (S-Select®-Verfahren)

 

Auf Basis von Ergebnissen von bereits ausgeführten Anlagen und deren positiven Betriebserfahrungen wurde vom Ing.-Büro-Miller die Umsetzung des S-Select® -Verfahrens bei den Planungen für eine Kapazitätserhöhung als die vorteilhafteste Lösung für eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der biologischen Reinigungsstufe in einer Variantenbetrachtung miteinbezogen. Das S-Select®-Verfahren ist ein neuartiges biologisches Abwasserreinigungsverfahren, in dem die Bakterien durch eine spezielle Reaktorgestaltung in einem Hydrozyklon und durch eine gezielte Betriebsführung anstelle von Flocken kompakte „Granulen“ ausbilden. In diesen Granulen laufen die verschiedenen biologischen Prozesse der Abwasserbehandlung in den inneren anaeroben Bereichen und den äußeren aeroben Bereichen gleichzeitig ab. Nach den vorliegenden Erfahrungen von Anlagenbetreibern kann mit dem granularen Belebtschlamm eine deutliche Steigerung der Abbauleistung bei den Stickstoffverbindungen nachgewiesen werden. Bei den begleitenden Analysen des Herstellers wurde zudem festgestellt, dass der granulare Belebtschlamm in der Lage ist, den bisher nicht biologisch abbaubaren CSB (Chemischer Sauerstoff Bedarf) weiter abzubauen.

 

Im Vergleich zu konventionellen biologischen Reinigungsverfahren nach dem Stand der Technik ergeben sich beim S-Select®-Verfahren deutliche betriebliche und wirtschaftliche Vorteile, da durch den höheren Feststoffanteil in der Biologie das notwendige Beckenvolumen reduziert werden kann. Insgesamt kann mit der neuen Technologie eine deutliche Verbesserung der Ablaufwerte erreicht werden. Zusätzlich wird im Vergleich zum Ist-Zustand für das Klärwerk mit der Nachrüstung des S-Select®-Verfahrens eine Verringerung des Energiebedarfs für die biologische Reinigungsstufe um ca. 10 bis 20 Prozent erwartet.

 

4. Kostenberechnung

 

Im Rahmen der Entwurfsplanung für die Erhöhung die Ausbaugröße auf 500.000 EW wurde von Ing.-Büro Miller eine entsprechende Entwurfsplanung erarbeitet. Die Kostenberechnung beinhaltet als Teilmaßnahme die Installation des S-Selekt®-Verfahrens.

Die Anlagentechnik des S-Selekt®-Verfahrens ist patentrechtlich geschützt und wird nur von einer Firma angeboten. Nach der Kostenberechnung des Ing.-Büros betragen die Investitionskosten für die patentrechtlich geschützte Verfahrenstechnik, die anlagentechnische Einbindung, für die Integration in die Zentrale Leittechnik und den Baunebenkosten ca. 5.800.000 €

 

 

5. Kosten, Beteiligung der Anschlussgemeinden

 

Entsprechend den vertraglichen Regelungen der Zweckvereinbarungen werden die Anschlussgemeinden an Investitionskosten grundsätzlich entsprechend ihrer jeweiligen Abwasserkontingente beteiligt.

 

Die Investitionskosten werden demnach wie folgt aufgeteilt:

 

Anschlussgemeinden (32,25 %) =         1.870.500 €

Stadt Regensburg  (67,75 %) =         3.929.500 €

                                             ___________

     Summe:  5.800.000 €

 

 

6. Zeitplan

 

Für die Umsetzung der Maßnahmen für den Einsatz von granularen Belebschlamm ist aufgrund der oben dargestellten Dinglichkeit und Notwendigkeit folgender Bauablauf geplant:

 

- Ausführungsplanung und Erstellung der Ausschreibungsunterlagen bis Ende 2022

- Durchführung der Vergabeverfahren 1. Quartal 2023

- Auftragserteilung April 2023

- Ausführung der Leistungen bis Ende 2023

 

7. Haushalt, Finanzierung

 

Die erforderlichen Haushaltsmittel werden im Entwurf des Investitionsprogramms 2022 – 2026 im UA 7103/05 auf der Haushaltsstelle 1.7103.9685 berücksichtigt; im gültigen Investitionsprogramm 2021 – 2025 ist die Maßnahme grundsätzlich veranschlagt.

 

 


Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:

 

Für das Klärwerk wird zur Ertüchtigung der biologischen Reinigungsstufe das S-Selekt®-Verfahren nach Maßgabe des Sachverhalts und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nachgerüstet.

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 VO_22_19127_65_220519 formular-stufe-3-pruefschema-klimavorbehalt_HHW_Klärwerk_ (1948 KB)