Vorlage - VO/22/19363/85  

 
 
Betreff: Ansiedlungsbericht 2020/2021
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Wirtschafts-, Wissenschafts- und Finanzreferent Prof. Dr. Barfuß
Federführend:Amt für Wirtschaft und Wissenschaft   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Wirtschaft Entscheidung
22.09.2022 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

Sachverhalt: 

 

In zweijährigem Rhythmus gewährt die Verwaltung einen faktenbasierten Blick auf die aktuelle Ansiedlungssituation am Wirtschaftsstandort Regensburg. Der bislang letzte Bericht wurde am 1. Oktober 2020 im Ausschuss für Wirtschaft vorgestellt.

 

Rückblick und derzeitige Situation

 

Seit der jüngsten Bestandsaufnahme vor zwei Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen weltweit durch Pandemie und kriegerische Konflikte bzw. internationale Spannungen massiv verändert. Schon der Bericht vom Oktober 2020 befasste sich mit den ersten sichtbaren Auswirkungen der Pandemie, die nicht nur das Leben jedes Einzelnen auf eine harte Belastungsprobe, sondern auch die Lieferketten in einer globalisierten Wirtschaft vor enorme Herausforderungen stellte, Defizite und Abhängigkeiten in nie dagewesener Weise offenbarte, und im Ergebnis auch dazu führte, dass von April 2020 bis Juni 2020 die Nachfrage nach gewerblichen Grundstücken fast zum Erliegen gekommen war. Nachdem allerdings die anfängliche Schockstarre überwunden schien, konnte das Amt für Wirtschaft und Wissenschaft wieder einen stetigen Anstieg der Anfragen verzeichnen. Mit insgesamt 63 Anfragen wurde im turbulenten Jahr 2020 dann doch noch ein hohes Nachfrageniveau erreicht, mit dem nach dem deutlichen Einbruch im Frühjahr nicht zu rechnen war.

 

Dabei setzten sich einige Trends der letzten Jahre fort:

 

  • die anhaltende Niedrigzinsphase, die den Bau einer eigenen Immobilie attraktiv macht
  • Übergabe der Firma an die nächste Generation in Kombination mit dem Wunsch, vorher noch Eigentum zu schaffen
  • die immer knapper werdenden Gewerbegrundstücke beflügeln die Nachfrage
  • zunehmende Verdrängung kleinerer Betriebe aus über Jahrzehnte gewachsenen Mischgebieten in integrierten Lagen
  • steigende Mietkosten

 

Flächennachfrage und Ansiedlungsbetreuung 2020/2021

 

In den Jahren 2020/2021 wurden durch die Wirtschaftsförderung 111 Betriebe (ohne Einzelhandel) betreut, die auf der Suche nach einem gewerblichen Grundstück oder einem Bestandsobjekt bei der Stadt vorstellig geworden waren. Dabei verteilten sich die Anfragen auf die beiden Berichtsjahre wie folgt: 2020 wurden 63 Anfragen verzeichnet, im Jahr 2021 waren es 48 Anfragen. Insgesamt wurden ca. 1.000.000 m² städtische Gewerbeflächen nachgefragt, dazu noch ca. 16.800 m² Büroflächen im Bestand sowie ca. 37.400 m² Hallenflächen im Bestand.

 

Die extrem hohe Nachfrage von 1 Million m² Grundstücksfläche beinhaltet rund 640.000 m² aus Anfragen mit jeweils hohem Flächenbedarf, die überregional bzw. bayernweit auch an andere potentiell als Standort in Frage kommende Kommunen gestellt wurden. So handelt es sich dabei um sechs Grundstücksanfragen in der Größenordnung von 40.000 – 250.000 m² aus Bereichen wie z.B. Auslieferungslager, Autohof, Bioraffinerie, denen jedoch aufgrund  der sehr spezifischen Anforderungen aus der Nutzungstypologie, der nur sehr geringen Standortrelevanz oder etwa aufgrund des unausgewogenen Verhältnisses von Flächeninanspruchnahme und Schaffung von Arbeitsplätzen bei gleichzeitig nicht erkennbarer Standortrelevanz kein städtisches Grundstück angeboten werden konnte.

 

Somit verblieb eine, mit den vergangenen Jahren durchaus vergleichbare Nachfrage von ca. 360.000 m² in den üblichen Größenordnungen im Bereich zwischen ca. 1.000 bis 10.000 m² Grundstücksfläche.

 

 

 

 

 

Zum Vergleich:

 

Jahr

Anzahl der Anfragen

Angefragte Fläche in m²

2011/2012

90

250.000

2014/2015

100

230.000

2016/2017

114

265.000

2018/2019

146

300.000

2020/2021

111

360.000

 

Das bedeutet gegenüber den letzten Jahren eine quantitative Verringerung der Anfragen bei gleichzeitiger Zunahme der jeweils nachgefragten Flächendimensionen. Bei vielen Betrieben v.a. aus dem Produktions-, Handwerks- und Großhandelsbereich spielt erkennbar das Thema Lagerhaltung wieder eine wichtigere Rolle. Die Lieferzeiten für Material und Rohstoffe betragen teilweise bis zu 10 Monate. Um Aufträge überhaupt bzw. fristgerecht abwickeln zu können, sind bei der Grundstücks-/Objektsuche größere Lagerkapazitäten für die Schaffung von Puffern wieder unabdingbar.

 

Eine sektorale Aufschlüsselung der Anfragen ergab folgende Verteilung auf die einzelnen Jahre:

 

Sektor/Jahr

2016/2017

2018

2019

2020

2021

Dienstleistung

41%

48%

70%

44%

35%

Produktion

16%

11%

8%

21%

21%

Handwerk

13%

21%

4%

11%

9%

Spedition/Lager

12%

8%

16%

11%

9%

Großhandel

10%

10%

2%

5%

5%

Autocluster

0%

0%

0%

3%

0%

Sonstige

8%

2%

0%

5%

21%

 

Der Rückgang im Dienstleistungsbereich, sprich in diesen Fällen der Rückgang der Nachfrage nach Büroflächen, ist v.a. der Corona-Pandemie geschuldet. Bei etlichen Firmen wurden bereits bestehende Erweiterungsplanungen/Ansiedlungsabsichten verschoben, um die geschäftlichen Entwicklungen nach dem ersten Lockdown im Jahr 2020 abzuwarten. Diese Strategie setzte sich im zweiten Lockdown 2021 fort.

 

Nachdem bei vielen Firmen auch künftig ein gewisser Prozentsatz von Mitarbeiter*innen – zumindest teilweise – im Homeoffice arbeiten wird, ist davon auszugehen, dass einige Anfragen nach Büroflächen aus den Jahren 2020/2021 nicht aufrechterhalten werden, da ein Mehrbedarf an Personal nicht mehr durch die Bereitstellung zusätzlicher Räumlichkeiten abgebildet werden muss, sondern über Regelungen der anteiligen Arbeitszeit im Homeoffice aufgefangen wird.

 

Da gerade im Jahr 2022 ff. neue Dienstleistungsflächen (z.B. im Dörnberg etc.) auf den Markt kommen oder aber für die nächsten Jahre geplant sind (z.B. im Bereich der ehem. Prinz-Leopold-Kaserne), gilt es abzuwarten, ob für sämtliche dieser Vorhaben auch eine entsprechende Nachfrage besteht bzw. ob aufgrund der zuvor beschriebenen Entwicklungen einige dieser Projekte wirtschaftlich überhaupt dargestellt und realisiert werden können.

 

Hinter dem verhältnismäßig hohen Anteil an Anfragen unter „Sonstige“ mit 21 % im Jahr 2021 verbergen sich überwiegend Grundstücksgesuche aus den Bereichen Tankstellen/E-Ladestationen, die vorläufig beim fachstellenübergreifenden Lenkungskreis Ladeinfrastruktur Regensburg gebündelt werden

 

 

 

 

Veräußerung städtischer Gewerbeflächen

 

Eine wachsende Flächenknappheit sowie – daraus unmittelbar abgeleitet – ein deutlich restriktiverer Umgang mit der knappen Ressource „Gewerbefläche“ spiegelt sich auch in den Jahren 2020/2021 an der abnehmenden Anzahl der verkauften Gewerbegrundstücke wider. Dazu kommen die in den letzten Jahren enorm gestiegenen Baukosten und z.T. die eingeschränkte Verfügbarkeit entsprechender Bauleistungen/Baufirmen, weshalb es vermehrt zu zeitlichen Verzögerungen bei der Umsetzung geplanter Bauvorhaben kommt.

 

Jahr

Anzahl Unternehmen

Fläche in m²

2014/2015

11

60.000

2016/2017

19

160.000

2018/2019

8

27.000

2020/2021

5

30.800

 

Bestandsobjekte

 

Angesichts der beschriebenen Flächenverknappung bemüht sich die Wirtschaftsförderung schon seit einiger Zeit bevorzugt um die Vermittlung sogenannter Bestandsobjekte an die nachfragenden Betriebe. Allerdings sind bestehende Lager- oder Produktionsflächen zur Miete derzeit kaum am Markt verfügbar. Erschwerend hinzu kommen die zumeist mangelnde Kompatibilität der Objekte mit den Erfordernissen der nachfragenden Betriebe sowie gestiegene Mietkonditionen, die eine Anmietung für die Betriebe unattraktiv machen. Gewerbliche Kaufobjekte wiederum werden derzeit am Markt fast gar nicht mehr angeboten, und wenn, dann zu deutlich überteuerten Bedingungen.

Der Büroflächenmarkt in Regensburg hat sich im Zuge der Pandemie zwar wieder etwas entspannt, doch ist auch hier zu beobachten, dass aufgrund der gestiegenen Mietkonditionen von bis zu ca. 19,00 €/m² Nettokaltmiete für eine Neubauimmobilie der Trend dahingeht, dass auch im Dienstleistungsbereich vermehrt Grundstücke bzw. Bestandsobjekte von den Unternehmen zum Kauf nachgefragt werden.

Die für Ende 2022 geplante Fortschreibung des gewerblichen Mietpreisspiegels wird evtl. schon eine erste Tendenz aufzeigen, ob v.a. in den Bereichen Einzelhandel und Büroflächen die hohen Mietkonditionen der letzten Jahre aufrechterhalten werden können.

 

Mit Sorge beobachtet die Wirtschaftsförderung die mit den Jahren zunehmende Tendenz, dass Unternehmen aus integrierten Lagen in klassischen Mischgebieten unter Druck geraten, wenn die hohe Nachfrage auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt dazu führt, dass beispielsweise gewerbliche Leerstände statt für eine gewerbliche Nachnutzung eher für die Umwandlung in Wohnraum in Aussicht genommen werden. Leidtragende dieser Entwicklung sind in der Regel die sonstigen in der näheren Umgebung des Leerstandes ansässigen Betriebe, und zwar besonders dann, wenn aus der neuen Wohnnutzung heraus Beschwerden etwa über Lieferverkehre oder andere ruhestörende Aktivitäten laut werden. Immer wieder treten deshalb betroffene Unternehmen an die Wirtschaftsförderung mit der Bitte heran, bei der Suche nach einem neuen Standort behilflich zu sein. Und das vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Knappheit an Flächen und passenden Bestandsobjekten. Nicht selten handelt es sich dabei um Betriebe, die über viele Jahre am gewachsenen Standort ihren Sitz hatten und deren Kunden die integrierte Lage im Stadtgebiet wegen der kurzen Wege zu schätzen wussten.

 

Pandemie und Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

 

Erfreulich ist, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten trotz Pandemie bis zum aktuellen Stichtag 30.06.2021 kontinuierlich gestiegen ist. Der Beschäftigungsaufbau ist im Berichtszeitraum jedenfalls ungebrochen. Allerdings zeichnet sich in einigen Branchen zusehends der Fachkräftemangel als Hindernis bei der Abarbeitung der vollen Auftragsbücher und der Annahme neuer Aufträge ab:

 

Jahr (Stichtag jeweils 30.06.)

Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten

2017

121.773

2018

125.114

2019

125.582

2020

125.778

2021

126.138

 

Exkurs

Krieg in der Ukraine, Energieversorgung, Verdrängung von Gewerbe aus integrierten Lagen

 

Nicht absehbar ist derzeit, welche mittel- und langfristigen Folgen der Ukraine-Krieg für die Regensburger Unternehmen haben wird, v.a. bei denjenigen Betrieben, deren Versorgung mit Rohstoffen und/oder Vorprodukten aus der Ukraine und aus dem mit weitreichenden Sanktionen belegten russischen Markt derzeit nicht mehr gewährleistet ist bzw. deren wirtschaftliche Beziehungen zur Ukraine und zu Russland angesichts des Krieges stark eingeschränkt sind. Die Verwaltung steht diesbezüglich in engem Austausch mit den betroffenen Unternehmen.

 

Auf die unsichere Situation insbesondere bei der Erdgasversorgung in den kommenden Monaten haben einige Unternehmen bereits vorausschauend agiert. So wird etwa bei einigen produktionsintensiven Unternehmen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit v.a. im Bereich der Prozesswärme verstärkt auf den Einsatz von Heizöl zurückgegriffen. Die Verwaltung begleitet entsprechende Bemühungen der Unternehmen engmaschig, insbesondere im Antragsverfahren, und macht sich für eine möglichst rasche Genehmigung der Vorhaben stark, damit die Produktion ohne größere Einschränkungen und Unterbrechungen aufrechterhalten werden kann.

 

Ebenso ist aktuell noch nicht absehbar, wie sich die politischen Entwicklungen und Entscheidungen konkret auf den Wirtschaftsstandort Regensburg und v.a. auf die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auswirken werden.

 

Fazit

 

Die Flächennachfrage aus der gewerblichen Wirtschaft ist unter dem Eindruck der Pandemie nur kurzzeitig eingebrochen und hat inzwischen wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen können bzw. dieses sogar übertroffen. Aufgrund von Mietsteigerungen werden Kaufobjekte bevorzugt, sind aber am Markt nach wie vor kaum verfügbar. Die wenigen vorhandenen Objekte decken sich meist nicht mit den oftmals sehr spezifischen Anforderungen der nachfragenden Unternehmen. Erfreulich ist das ungebrochene Wachstum im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Mit der in der Pandemie begründeten Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Homeoffice einher geht ein allmählicher Rückgang in der Nachfrage nach Büroflächen, da viele Unternehmen dauerhaft auf tägliche Präsenz von ausgewählten Mitarbeitern im Unternehmen verzichten und stattdessen auf Desk-Sharing-Modelle in Präsenzphasen setzen. Eine große Herausforderung für die Regensburger Wirtschaft bildet die sich abzeichnende Verknappung von fossilen Energieträgern. Der Ausbau erneuerbarer Energieträger kann mit dem schnell wachsenden Bedarf derzeit noch nicht Schritt halten. Hier werden viele Betriebe zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung auf alternative Energieträger zurückgreifen, wie sich heute bereits in Vorbereitung auf den Winter abzeichnet. Nach wie vor verdient Beachtung, dass die Handlungsfähigkeit der Wirtschaftsförderung nur durch eine vorausschauende Flächenbevorratung gewährleistet ist. Die knappe Ressource Gewerbefläche in Kombination mit der geringen Verfügbarkeit passender Bestandsobjekte entfaltet absehbar eine bremsende Wirkung auf die Entwicklung vor allem der heimischen Wirtschaft. Denn, und das gilt es hier zu betonen, die überwiegende Zahl der auf der Suche nach Grundstücken und/oder Bestandsobjekten bei der Wirtschaftsförderung vorstellig gewordenen Betriebe ist heute bereits ortsansässig.

 


 

Der Ausschuss nimmt vom vorliegenden Bericht der Verwaltung Kenntnis.

 

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 öTOP 2 Klimavorbehalt Ansiedlungsbericht 2019-2020 (1952 KB)