Vorlage - VO/22/19666/31  

 
 
Betreff: Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutze des Baumbestandes in der Stadt Regensburg
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeister Artinger
Federführend:Umweltamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz Vorberatung
08.12.2022 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz geändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
15.12.2022 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg geändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt: 

 

1. Vorbemerkung

 

Die letzte Änderung der Regensburger Baumschutzverordnung erfolgte 2004. Seit dieser Zeit ist die Baumschutzverordnung unverändert in Anwendung und hat in diesen Jahren unbestritten dazu beigetragen das Grün im Stadtgebiet Regensburg weitgehend zu erhalten.

In den letzten Jahren und vor allem, seitdem die Auswirkungen des Klimawandels mit den Hitzeperioden im Sommer und den ganzhrigen Trockenperioden zugenommen haben, hat sich gezeigt, dass eine Erweiterung des Schutzes der Regensburger Bäume im Hinblick auf ihre vielfältigen Wohlfahrtswirkungen notwendig ist.

 

Ausgewachsene Stadtbäume speichern Kohlendioxid, produzieren Sauerstoff, spenden Schatten und kühlen die Umgebungstemperatur. Aus zahlreichen Messkampagnen, u. a. aus dem ExWoSt-Projekt „Urbane Strategien zum Klimawandel Kommunale Strategien und Potenziale“ (2013) wissen wir, dass der Temperaturunterschied zwischen baumbestandenen Grünflächen und versiegelten Plätzen sowie zwischen begrünten und nicht begrünten Straßen mehrere Grad betragen kann. Die größte Kühlungswirkung zeigen dabei Bäume mit großen Baumkronen. Bäume schaffen Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze. Die Artenvielfalt in unseren Parks mit altem Baumbestand ist höher und der Anteil seltener Arten größer, als in den Wirtschaftswäldern außerhalb der Stadt. Stadtbäume binden Staub und verschönern nicht zuletzt das Stadtbild. Stadtbegrünung hat nachweislich positive Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit der Menschen. Bis sie diese Leistungen erbringen können, müssen Bäume eine gewisse Größe und ein gewisses Alter erreichen. Daher ist der Bestandsschutz bei Bäumen essentiell.

Aus diesem Grund hat das Umweltamt, als für den Vollzug der Baumschutzverordnung zuständiges Fachamt, den in der Anlage beigefügten Entwurf einer Änderungsverordnung erarbeitet.

 

Art. 52 des Bayerischen Naturschutzgesetzes sieht hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens vor, dass der Entwurf der Änderungsverordnung den beteiligten Stellen, öffentlichen Stellen und Verbänden, zur Stellungnahme zuzuleiten und für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen ist. Die Beteiligung der externen Stellen erfolgte am 08.08.2022. Der Entwurf der Änderungsverordnung wurde vom 01.09.2022 bis 01.10.2022 öffentlich ausgelegt.

Zusätzlich hat das Umweltamt mit Schreiben vom 05.05.2022 betroffene Stellen innerhalb der Stadtverwaltung vorab beteiligt.

 

Aus den in der Anlage beigefügten Listen können die jeweils vorgebrachten Einwendungen, deren Würdigung und die Auswirkung auf eine eventuelle Änderung des Verordnungsentwurfs ersehen werden.

 

Als weiterer Verfahrensschritt war gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Naturschutzbeiräte der Naturschutzbeirat zu beteiligen. In der Sitzung vom 23.11.2022 stimmte dieser dem Entwurf der Änderungsverordnung mehrheitlich zu.

Der Naturschutzbeirat hat als Gremium die Aufgabe, die Stadt als Naturschutzbehörde zu beraten. Nach intensiver Diskussion mit dem Umweltdezernat hat der Naturschutzbeirat den vorliegenden Entwurf beschlossen. Die Verwaltung rät daher dazu, die Änderungen der Baumschutzverordnung so zu beschließen, wie sie auch vom Naturschutzbeirat mitgetragen werden.

Ein Abweichen vom Beschluss des Naturschutzbeirats würde zu einer Verzögerung des Verfahrens führen, da in diesem Fall die nächsthöhere Behörde, die Regierung der Oberpfalz, beteiligt werden müsste.

 

 

2. Die wesentlichen Änderungen im Einzelnen

 

2.1) § 1:

- Der in der bisher geltenden Fassung maßgebliche Geltungsbereich der Verordnung wurde durch eine Karte definiert. Diese Karte stammt aus dem Jahr 1993. Viele der zwischenzeitlich durch die Ausweisung von Bebauungsplänen entstandenen Baugebiete sind vom Geltungsbereich der Baumschutzverordnung nicht erfasst.

Hier war eine Anpassung dergestalt notwendig, dass der Schutz der Bäume gleichlautend auf den gesamten bebauten Stadtbereich ausgedehnt wird und der Geltungsbereich der Verordnung damit mit der Ausweisung neuer Baugebiete „mitwachsen“ kann. Die gewählte Formulierung folgt auch aus Art. 51 Abs. 1 Nr. 5 a BayNatSchG. Deren Zulässigkeit und Rechtssicherheit wurde bereits durch die Rechtsprechung bestätigt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 08.03.2016 14 ZB 15.1373). Die Baumschutzverordnungen nahezu aller vergleichbaren Gemeinden enthalten dazu identische Regelungen.

 

 

- In der bisher geltenden Fassung der Baumschutzverordnung waren Obstbäume, bis auf Walnussbäume, vom Schutz ausgenommen.

Vor allem sehr alte Obstbäume sind von sehr hohem ökologischen Wert. Zum einen findet sich in den Gärten noch eine Vielfalt an alten Obstsorten, zum anderen beherbergen alte Obstbäume eine Vielzahl von Lebewesen, wie beispielsweise Spechte, Meisen, Kleiber, Fledermäuse, Siebenschläfer, Wildbienen und eine Vielzahl an Käferarten. Sie tragen also sowohl als Obstbaum an sich, als auch als Lebensraum zur ökologischen Vielfalt bei. Angesichts der klimatischen Veränderungen ist der Erhalt der Vielfalt eine Überlebensstrategie in Hinblick auf Artenschutz und die drohende Verarmung der Sortenvielfalt bei unseren Lebensmitteln.

 

 

2.2) § 3 Abs. 4:

Über die Jahre verstärkt zu beobachtender unfachgerechter Umgang mit Bäumen machte eine genauere Definition verbotener Veränderungen und den Hinweis auf die anerkannten Regeln der Technik notwendig.

 

 

2.3) § 4:

Der Verordnungsentwurf sieht vor, Grundstücke mit weniger als 350 m² nicht mehr von den Verboten der Baumschutzverordnung auszunehmen (§ 4 Nr. 5 a. F.), da aufgrund der bisherigen Regelung häufig eine (genehmigungsfreie) Teilung von großen Grundstücken vorgenommen wurde, um dadurch Grundstücksteile, welche mit grundsätzlich geschützten Bäumen bestückt waren, auf diese Weise aus dem Schutzbereich der Baumschutzverordnung zu nehmen. Dadurch sind einige wertvolle Bäume im Stadtgebiet verloren gegangen, ohne dass ein Einschreiten der Stadt rechtlich möglich war.

 

 

 

2.4) § 5:

Bisher gab es eine Unterteilung der Genehmigungsvoraussetzungen in Anspruchs- und Ermessenstatbestände. Diese Unterteilung wurde nunmehr aufgegeben; die Genehmigung steht nun im Ermessen, soweit nicht eine Ermessensreduzierung auf Null mit Blick auf Art. 14 GG vorliegt.

 

Gemäß Art. 14 Grundgesetz ist die Baufreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Baumschutzverordnungen stellen sog. Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz dar, die nur in Ausnahmefällen eine sonst zulässige baurechtliche Nutzung ausschließen oder einschränken können.

Besteht ein Anspruch auf eine Baugenehmigung, muss die Erlaubnis zur Baumfällung oder Baumveränderung regelmäßig im Rahmen der Prüfung des Bauantrags mit der Baugenehmigung erteilt werden. Gesichtspunkte des Baumschutzes haben nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich hinter einem gegebenen Baurecht zuckzutreten, d. h. „Baurecht bricht Baumschutz“ (vgl. BayVGH, Urteil vom 10.07.1998, 2 B 96.2819;

BayVGH, Beschluss vom 23.10.2018, 2 ZB 16.936). In der Praxis bedeutete dies bisher, dass z. B. bei Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung auch Anspruch auf Erteilung einer Baumentfernungsgenehmigung für „hinderliche“ume bestand. Mit geringen Umplanungen haltbare Bäume gingen dadurch oftmals verloren.

Derzeit geht die Rechtsprechung nur in Einzelfällen von einem Vorrang des Baumschutzes gegenüber dem Baurecht aus. Im Interesse der Erhaltung von sehr erhaltenswerten Bäumen ist dann eine Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers geboten.

Diese neue Entwicklung soll nun auch in der Baumschutzverordnung abgebildet werden, sodass neben dem Ermessen auch eine Alternativenprüfung eingefügt wurde. Nunmehr soll jede Baumentfernung im Wege des Ermessens geprüft werden und die Möglichkeit bestehen, zumutbare Alternativen zu fordern, soweit nicht eine Ermessensreduzierung auf Null mit Blick auf Art. 14 GG vorliegt.

 

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers vertretbar, also zumutbar ist. Wann eine Umplanung noch zumutbar ist und in welchem Umfang lässt sich nur im Einzelfall beantworten und hängt u. a. von der Dimension des Vorhabens, den konkreten Grundstücksverhältnissen und der Schutzwürdigkeit des betroffenen Baumes ab. Die Linie der Verwaltungsgerichtsbarkeit hierzu ist aktuell eher zurückhaltend (vgl. u.a. VG München, Urteil vom 16,09.2018, M 29 K 17.4925; VG nchen, Urteil vom 07.12.2015, M 8 K 14.3167; VG München, Urteil von 18.03.2013, M 8 K 12.3075). Die Schwelle für die Unzumutbarkeit von Umplanungen wird äerst niedrig angesetzt. Nur ausnahmsweise wird eine Umplanung zum Erhalt schützenswerter Bäume als zumutbar anerkannt. Zumutbar sind allenfalls geringfügige Beschränkungen eines bestehenden Baurechts.

Die gerade dargestellte Rechtsprechung nimmt in Baumschutzfragen im Zusammenhang mit Bauvorhaben erheblichen Einfluss auf das Verwaltungshandeln. Der Vollzug der Baumschutzverordnung hat aber natürlich das Ziel im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten möglichst viele Bäume langfristig zu erhalten.

 

 

2.5) § 7:

- Umfang

Nach der bisherigen Regelung konnte der Baumschutzverordnung nicht entnommen werden, mit welcher Ersatzverpflichtung bei einer Genehmigung zur Baumentfernung zu rechnen ist.

Im Sinne der Klarheit, der Bestimmtheit und der Vorhersehbarkeit der Ersatzerfordernisse für den Bürger war eine detaillierte Aufstellung des notwendigen Ersatzes in der Verordnung festzulegen.

 

- Qualität und Baumquartiere

Ein 1:1-Ersatz wäre bei vielen alten Bäumen, die gefällt werden müssen, kein angemessener Ausgleich für das verlorene Grünvolumen. Daher wurde eine Formel entwickelt, anhand derer der Ersatz abhängig vom zu ersetzenden Grünvolumen repräsentiert durch den Stammumfang des Baumes in 100 cm Höhe errechnet wird.

Die daraus resultierenden Ersatzpflanzungen sollen wachsen und gedeihen, damit sie nach einiger Zeit die oben genannten Funktionen erfüllen können. Das ist aber nur möglich, wenn der Baum so gepflanzt wird, dass er genügend Platz hat, um sich zu entwickeln. Da es leider viele Fälle gibt, die diese Voraussetzung aus Unwissen oder wegen Maximierung von Baugrund vernachlässigen, ist eine Definition in der Baumschutzverordnung geboten.

Die Größe des notwendigen Wurzelraums entspricht dem allgemein anerkannten Mindeststandard bei Baumpflanzungen (z. B. FLL-Empfehlungen für Baumpflanzungen (Forschungsgemeinschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.)).

 

- Ausgleichszahlung

Wenn eine Pflanzung aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist, können die Ersatzpflanzungen durch eine Geldzahlung abgelöst werden. Da die Höhe der Ersatzzahlung seit über 15 Jahren nicht erhöht wurde, aber die Kosten für Bäume und die Pflanzungen seitdem deutlich gestiegen sind, war eine Erhöhung geboten. Die Höhe der Ersatzzahlung bemisst sich aus den mittleren Kosten für eine fachgerechte Baumpflanzung mit Anwuchspflege und wurde abgeglichen mit den Ersatzzahlungen, die in anderen bayerischen Städten mit Baumschutzverordnung erhoben werden.

 

 

Die darüberhinausgehenden Änderungen sind redaktioneller Art.

 


 

Der Ausschuss für Umweltfragen, Natur- und Klimaschutz empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:
 

1. Der Würdigung der im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nach Art. 52 BayNatSchG vorgebrachten Bedenken und Anregungen zum Entwurf der Baumschutzverordnung wird gemäß dem Vorschlag der Verwaltung „Anlage 1 Stellungnahmen“, die insoweit Bestandteil dieses Beschlusses ist, zugestimmt.

 

2. Die Stadt Regensburg erlässt eine Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutze des Baumbestandes in der Stadt Regensburg (Baumschutzverordnung - BSchV) laut beiliegendem Entwurf vom 14.11.2022 (Anlage 2), der wesentlicher Bestandteil dieses Beschlusses ist.

 


Anlagen:

 

Anlage 1: Stellungnahmen (3 Listen Auflistung der Bedenken und Anregungen im

Beteiligungsverfahren)

Anlage 2: Entwurf der Änderungsverordnung vom 14.11.2022

Anlage 3: Lesefassung der geänderten Baumschutzverordnung

Anlage 4: Prüfschema Klimavorbehalt

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 7 1 Anlage 1 Stellungnahmen (3 Listen der Bedenken und Anregungen im Beteiligungsverfahren) (137 KB)    
Anlage 1 2 Anlage 2 Entwurf der Änderungsverordnung Baumschutzverordnung (215 KB)    
Anlage 2 3 Anlage 3 Verordnungsentwurf Baumschutzverordnung Lesefassung Stand 14.11.2022 (395 KB)    
Anlage 6 4 Anlage 4_VO_22_19666_31 formular-stufe-3-pruefschema-klimavorbehalt (1994 KB)