Vorlage - VO/23/20112/61  

 
 
Betreff: Sharingangebote der Mikromobilität in Regensburg
- Einrichtung von Abstellplätzen in der Innenstadt
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Stadtplanungsamt   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen Entscheidung
19.09.2023 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

Sachverhalt: 

 

Einleitung

 

2019 trat die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) in Kraft. Damit hat der Bund die Grundlage für den Betrieb von E-Scootern und anderen Fahrzeugen ähnlicher Bauart geschaffen. In der eKFV sind u. a. geregelt:

 

  • Nutzung der Fahrzeuge ab 14 Jahren ohne Führerschein
  • chstgeschwindigkeit der Fahrzeuge 20 km/h
  • Versicherungspflicht, Kennzeichenpflicht

 

Bereits in 2019 startete in Regensburg der erste Anbieter mit einem E-Scooter-Vermietungs­angebot. 2020 wurde der Betrieb wieder eingestellt, es folgten zwei andere Betreiber (Bird und Zeus). Im November 2022 beendete Bird sein Engagement in Deutschland und damit auch in Regensburg. Es folgte die Betriebsaufnahme von Tier.

 

Seit Anfang 2023 bieten auch die Betreiber Lime und Superpedestrian E-Scooter in Regensburg an. Tier hat angekündigt, neben den Scootern rund 250 E-Bikes anbieten zu wollen. Zuletzt eröffnete im Juni 2023 Yoio seinen Betrieb in der Domstadt. Somit ist zu erwarten, dass die Zahl der E-Scooter auf Regensburgs Straßen von zuvor 450 auf bis zu 1.200 steigen kann und die Zahl der E-Bikes von zuletzt 80 (Bird) auf 250.

 

Der Verwaltung sind keine Planungen für den Betrieb von E-Mopeds im Sharing bekannt. Dennoch erscheint es sinnvoll, vorsorglich die Flächen festzulegen, auf denen auch solche Fahrzeuge abgestellt werden könnten.

 

 

Konfliktlage

 

Bei der Stadtverwaltung gehen immer wieder Beschwerden über den Betrieb der E-Scooter ein. Diese betreffen vor allem das Abstellen der Fahrzeuge. Ein Schwerpunkt der Beschwer­den ist dabei die Altstadt. Es gibt Beschwerden über

 

  • auf zu schmalen Gehwegen und in den Fußngerzonen abgestellte Fahrzeuge,
  • Fahrzeuge vor Haus- und Geschäftseingängen,
  • Fahrzeuge auf Privatgrund,
  • herumliegende Fahrzeuge,
  • nicht angepasste Geschwindigkeiten auf Mischverkehrsflächen und
  • das Fahren in Fußngerzonen und auf Gehwegen.

 

In Regensburg wurden verschiedene Unfälle im Zusammenhang mit E-Scootern registriert. Abgesehen von Unfällen infolge von Trunkenheit, unerlaubtem Fahren zu zweit oder Fahr­fehlern, sind auch Unfälle durch stehende/liegende Fahrzeuge festzustellen.

 

Besonders betroffen von unsachgemäß abgestellten Fahrzeugen sind Menschen mit Seh- oder Gehbeeinträchtigungen. So ereigneten sich in Regensburg Stürze über stehende oder liegende E-Scooter, die auch zu Verletzungen führten. Regelmäßig engen abgestellte Scooter Gehwege so ein, dass Menschen im Rollstuhl, mit Rollator oder Kinderwagen nicht mehr vorbeikommen und auf die Fahrbahn oder den gegenüberliegenden Gehweg aus­weichen müssen. Abgesehen von dem Komfort- und Zeitaspekt ist dies auch immer mit unnötigen Gefährdungen verbunden.

 

Aufgrund der bekanntgewordenen Unfälle und Konflikte sieht die Verwaltung im Hinblick auf die steigende Anzahl an Fahrzeugen Handlungsbedarf.

Daten / Erkenntnisse

 

2020/21 wurde in Regensburg eine Forschungsstudie zur Mikromobilität durchgeführt (PaMiMob - Datenbasierte Potentialanalyse zur Integration von Mikromobilität in städtische Verkehrssysteme). Teil der Studie war eine Bürgerumfrage. 450 Personen haben an der Umfrage teilgenommen. Rund 40 % der Befragten gaben an, das E-Scooter-Sharing abzulehnen oder stark abzulehnen. Besonders stark war die Ablehnung in der Gruppe der älteren Menschen.

 

Im Oktober 2022 hat das Deutsche Institut für Urbanistik (DIfU) eine Untersuchung zu E-Tretrollern in Städten veröffentlicht. Teil der Studie war eine Befragung von knapp 4.000 Personen. 84 % der Nicht-Nutzenden gaben an, dass es feste Abstellplätze geben sollte.

 

Vor allem Blinde/Sehbehinderte, aber auch zu Fuß gehende und Fahrrad fahrende gaben an, sich in hohem Maße dadurch gestört zu fühlen, dass E-Scooter falsch abgestellt werden, E-Scooter-Nutzende auf dem Gehweg fahren und E-Scooter-Nutzende unvorsichtig fahren. Bei den Blinden/Sehbehinderten reichten die Zustimmungswerte zu diesen Aussagen von 78 bis 97 %. Unter den Blinden/Sehbehinderten gaben lediglich 3 % an, noch keine Konflikt­erfahrungen mit parkenden oder fahrenden E-Scootern gemacht zu haben.

 

 

Shared Mobility als Teil der Verkehrswende

 

Das Teilen von Fahrzeugen wird bundesweit bereits seit vielen Jahren praktiziert, insbeson­dere in Form des Car-Sharing. Unter den Experten herrscht Einigkeit darüber, dass die Shared Mobility ein wichtiger Baustein für die notwendige Mobilitätswende sein kann und sein muss. So ist festzustellen, dass die Zahl der regelmäßigen Scooter-Nutzer (>2 Fahrten pro Tag) durch Abo-Angebote beständig gestiegen ist.

 

Den Blick dabei allein auf die E-Scooter zu verengen wäre jedoch ein Fehler. Vielmehr gilt es, die ganze Palette an Angeboten konsequent auszubauen und zu vernetzen. Regensburg bietet daher neben dem Car-Sharing des EARL auch das Lastenradsharing Donau-Donkeys an. Noch in 2023 soll auf dem Unteren Wöhrd eine Mobi­litätsstation mit diversen Sharing-Komponenten ausgebaut werden. Gemeinsam mit Zeus ist die Stadt Partner im Rahmen eines weiteren Forschungsprojekts für die Potenziale von Mikromobilität.

 

Insofern sollte es das Ziel der Stadt Regensburg sein, die eigenwirtschaftlichen Angebote mit den Unternehmen so zu steuern und weiterzuentwickeln, dass sich ein nachhaltiger verkehr­licher Nutzen ergibt, Konflikte mit Dritten aber minimiert werden.

 

 

Handlungsbedarf

 

In der Altstadt gibt es bislang nur wenige wirksame Restriktionen hinsichtlich des Abstellens und Fahrens der Fahrzeuge. Somit werden nicht nur die Fahrzeuge in Teilen behindernd abgestellt, dies führt auch zum nichterlaubten Befahren der Fußngerzonen und Gehwege.

 

Andererseits besteht ein großer Teil der Attraktivität des Verkehrsmittels in der spontanen Verfügbarkeit. Lange Fußwege zu den Standorten der Fahrzeuge werden selten akzeptiert.

 

Die Einrichtung von einem dichten Netz an Abstellflächen in Innenstädten hat sich andern­orts als probates Mittel etabliert (z. B. München, Düsseldorf, Köln, Frankfurt). Das behindern­de Abstellen sowie das verbotswidrige Befahren von Fußngerbereichen gehen dort spür­bar zurück, die Verfügbarkeit der Fahrzeuge steigt durch die Bündelung. In Bayern arbeiten u. a. die Städte Nürnberg, Ulm und Ingolstadt an entsprechenden Konzepten.

 

 

Handlungsoptionen

 

Bedauerlicherweise hat der Bund mit Einführung der eKFV keine Regelungen hinsichtlich des Straßenrechts getroffen. Die Scooter sind zwar als Kraftfahrzeuge eingestuft, sollen aber weitgehend wie Fahrräder behandelt werden:

 

  • E-Scooter müssen Radwege benutzen, soweit vorhanden, und dürfen nicht auf Gehwegen fahren.
  • Analog zu Fahrrädern dürfen die E-Scooter auf Gehwegen abgestellt werden.

 

Alle bisher in Regensburg aktiven Unternehmen haben eine einseitige freiwillige Selbstver­pflichtungserklärung unterzeichnet. In der Erklärung wurden u. a. die Flottengrößen, Fahr­verbotsbereiche und Abstellverbotsflächen geregelt. Da die Rechtsgrundlagen unklar sind, ist eine Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Regelungen kaum durch­setz­bar, so dass das Vollzugsrisiko auf Seiten der Stadt bleibt. Zudem können keine Gebühren erhoben werden, und eine Beschränkung der Zahl der Anbieter ist ausgeschlossen.

 

Anfangs haben die Selbstverpflichtungserklärungen ausreichend funktioniert. Doch mit den zunehmenden Flottengrößen stieg auch die Zahl der Beschwerden und Konflikte.

 

 

Vorgehen

 

Im gesamten Altstadtbereich inklusive Bahnhofsvorplatz, Stadtamhof und den Wöhrden dürfen E-Scooter von Sharinganbietern zukünftig nicht mehr frei abgestellt werden. Das betrifft sowohl die Betreiber als auch die Nutzerinnen und Nutzer. Davon ausgenommen ist das kurzzeitige Abstellen, um z. B. Erledigungen/Einkäufen nachzugehen („Pausefunktion“), ohne die Miete zu beenden.

 

Zur Ordnung des Verkehrs werden stattdessen Abstellflächen eingerichtet, auf denen nur Sharingfahrzeuge in Form von E-Scootern, E-Bikes, Fahrrädern, (E-)Lastenrädern und E-Mopeds abgestellt werden dürfen. Bereits erteilte Sondernutzungserlaubnisse für die Donau-Donkeys (Lastenradsharing) sind davon unberührt.

 

In Anlage A ist der Bereich dargestellt, in dem das Abstellverbot gilt. Die Anlage A enthält zudem eine Übersicht, wo die geplanten Abstellflächen eingerichtet werden sollen. Insge­samt sind 37 Flächen geplant. Eine Fläche entspricht in der Regel der Größe eines Kfz-Stellplatzes, also rund 5-6 m Länge und 2-2,5 m Breite. Auf einer solchen Fläche können im Schnitt ca. 10-12 E-Scooter abgestellt werden. Es müssen 17 Kfz-Stellplätze, davon 5 Bewohnerparkmöglichkeiten entfallen. Alle anderen Flächen können auf Gehwegen, auf der Fahrbahn oder sonstigen (Rest-)Flächen eingerichtet werden.

 

Die Kennzeichnung solcher Flächen als „exklusive“ Anlage für Sharinganbieter ist bislang straßenverkehrsrechtlich nicht geregelt. Eine solche Regelung existiert lediglich für das Car-Sharing. Es ist beabsichtigt, die Flächen mittels Hinweisschildern und Bodenmarkierungen als Abstell­fläche für Sharingfahrzeuge der Mikromobilität zu kennzeichnen.

 

Aufgrund von Unwägbarkeiten hinsichtlich der Akzeptanz der Abstellflächen geht die Verwal­tung davon aus, dass in einem gewissen Umfang Anpassungen hinsichtlich Lage und Um­fang der Flächen erforderlich sein können. Nach Sammlung erster Erfahrungen soll ein Aus­tausch mit den Betreibern erfolgen. Ggf. können Standorte mangels Nachfrage entfallen oder es stellt sich heraus, dass noch Lücken im Stationsnetz geschlossen werden müssen.

 

 

Sondernutzungsgebühren

 

Die auf öffentlich gewidmeten Flächen geplanten Abstellflächen stellen eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung öffentlichen Straßengrundes dar. Diese ist gem. §§ 2, 8 und 10 der Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen und Plätzen der Stadt Regensburg (Sondernutzungssatzung SNS) erlaubnis- und gebührenpflichtig.

 

 

Überwachung

 

Wenngleich die Abstellflächen gekennzeichnet werden, ist eine missbräuchliche Nutzung nicht auszuschließen. Sollte sich herausstellen, dass bestimmte Flächen regelmäßig von Kfz belegt sind, werden Gegenmaßnahmen etwa das Aufstellen von Pollern o. ä. zu prüfen sein. Kaum zu verhindern sein wird jedoch das Abstellen von privaten Fahrrädern, Scootern oder Mopeds. Eine Kontrolle durch den Verkehrsüberwachungsdienst kann nur sporadisch und nur bezogen auf Fahrzeuge mit Kennzeichen erfolgen. Hier gilt es also, Erfahrungswerte zu sammeln und dann ggf. zu reagieren.

 

 

Kosten / Finanzierung

 

Pro Abstellplatz ist im Durchschnitt mit Materialkosten (Rohrpfosten, Schilder, Bodenmarkie­rungen) in Höhe von 500 € zu rechnen. Hinzu kommen Kosten für die Einrichtung von Halte­verboten vor Beginn der Maßnahmen, Kosten für das Aufstellen der Rohrpfosten (Aufgra­bung, Betonfundament), ggf. Kosten für Baustellensicherungen und Personal.

 

Es ist mit Gesamtkosten in Höhe von 30.000 bis 50.000 € zu rechnen. Die Kosten sind nicht explizit im Haushaltsplan veranschlagt. Die Finanzierung erfolgt aus laufenden verfügbaren Haushaltsmitteln.

 

Realisierung

 

Vorausgesetzt, die erforderlichen Mittel und Personalkapazitäten stehen zur Verfügung und die Betreiber stellen zeitgerecht die Anträge auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die auf öffentlich gewidmeten Flächen geplanten Abstellfchen, soll die Umset­zung des Abstellkonzepts noch in 2023 beginnen. Für die nicht-gewidmeten Flächen werden Verträge mit gleichen Inhalten und zu gleichen Konditionen geschlossen.

 


 

Der Ausschuss beschließt:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, für den in der Anlage A rot gekennzeichneten Bereich (1. Ordnung) eine Abstell-/Parkverbotszone für eigenwirtschaftlich betriebene E-Scooter-, E-Moped- und E-Bike-Sharingfahrzeuge von gewerblichen Anbietern einzurichten. Im Gegen­zug werden auf der Grundlage der Anlagen A und B verbindliche Abstellpunkte eingerichtet. Die Abstell-/Parkverbotszone wird aktiviert, sobald mindestens zwei Drittel der Abstellpunkte zur Verfügung stehen.

 

In den Fällen, in denen es sich bei den Abstellplätzen um öffentlich gewidmete Flächen handelt, ist für die Nutzung dieser Flächen ein Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungs­erlaubnis zu stellen.

 

In den Fällen, in denen es sich bei den Abstellplätzen nicht um öffentlich gewidmete Flächen handelt, ist für die Nutzung dieser Flächen ein Vertrag zwischen Betreibern und Verwaltung abzuschließen.

 

 


Anlagen:

 

Anlage A Übersichtskarte Abstellverbotszone mit Abstellplätzen

Anlage B Liste über geplante Abstellplätze

Anlage C Beispielfotos Abstellplätze in Düsseldorf

Anlage Klimavorbehalt

 

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 VO_20112_Anlage_A (1907 KB)    
Anlage 2 2 VO_20112_Anlage_B (22 KB)    
Anlage 3 3 VO_20112_Anlage_C (410 KB)    
Anlage 4 4 VO_20112_Klimavorbehalt (1948 KB)