Sachverhalt: Der Ausschuss für
Stadtplanung, Verkehr-, Umwelt- und Wohnungsfragen hat am 16.10.2007 die
Verwaltung beauftragt, die Potenziale der
Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser sowie die für diese Form der
Energiegewinnung geeigneten möglichen Standorte in Regensburg zu ermitteln.
Eine erste
überschlägige Analyse erbrachte folgende Ergebnisse: Grundlagen Die
Temperatur des Abwassers bewegt sich nach Angaben in der Literatur im
Jahresverlauf zwischen 10 °C und 20 °C. Somit weist das Abwasser ein hohes
Wärmepotenzial auf, welches im Winter zur Wärmegewinnung und im Sommer zur
Kühlung genutzt werden kann. Die Technik zur Energiegewinnung setzt sich aus
einem Wärmetauscher, der aus dem Abwasser Energie gewinnt, und einer Wärmepumpe,
die die Energie für die Beheizung oder Kühlung von größeren Gebäuden nutzbar
macht, zusammen. Generell kann zwischen zwei Nutzungsarten
unterschieden werden, der Energiegewinnung durch Rohwasser aus der Kanalisation
vor der Kläranlage sowie der Energiegewinnung von gereinigtem Wasser in der
Kläranlage. Die Energiegewinnung von gereinigtem Wasser in der Kläranlage
bietet für Regensburg keine Potenziale (keine potenziellen Nutzer in der
näheren Umgebung). Für die Stadt Regensburg von Interesse und Gegenstand der
Untersuchung ist jedoch die Energiegewinnung durch Rohwasser aus der
Kanalisation. Hierbei ist eine Energieausbeute von 1,5 kWh auf 1 m³ Abwasser
möglich, wenn selbiges nur um ein Kelvin abgekühlt wird. Jedoch ist darauf zu
achten, dass eine Veränderung der Abwassertemperatur Auswirkungen auf die
Abwasserreinigung haben kann (u.a. vermindert die Temperaturabnahme generell
die Nitrifikationsleistung). Die zu beachtenden Einflussgrößen auf die
Temperatur im Abwasser der Kanalisation sind die durch den Wärmetauscher
entnommene Wärmemenge, die Durchflussmenge und die Gegebenheiten beim
Zusammenfluss verschiedener Teilströme. Die Temperaturabnahme durch
Wärmeentnahme liegt im Normalfall in der gleichen Größenordnung wie die
natürlichen Wärmeverluste in der Kanalisation. Wird die Temperatur in der
Kläranlage unter 10 °C und/ oder um mehr als 0,5 K abgekühlt, so muss von
Abwasserfachleuten eine detaillierte Prüfung unter Berücksichtigung der
Dimensionierungstemperatur (in Deutschland 10°C gemäß ATV-Arbeitsblatt A131)
vorgenommen werden. Die Auswirkungen einer Temperaturabsenkung im Zulauf zu
einer Kläranlage (z. B. durch Wärmeentnahme) sind umso unbedenklicher, je
größer die Dimensionierungsreserve der Kläranlage ist. Bei einer großzügig
dimensionierten mittleren Kläranlage ist eine Temperaturabnahme von bis zu 1 K
im Zulauf im Normalfall kein Problem. Da die Rahmenbedingungen aber bei jeder
Kläranlage sehr unterschiedlich sind (Abwasserzusammensetzung, Betriebsweise,
Beckengrößen, Einleitungsbedingungen etc.), muss jede Anlage separat betrachtet
werden. Die Grenzfälle für die Einhaltung der Ammonium-
(NH4) und Nitrit- (NO2) Ablaufgrenzwerte treten im Allgemeinen in den
Wintermonaten auf, wenn sich die Zulauftemperaturen im Bereich der
Dimensionierungstemperatur für die Kläranlage bewegen; vor allem in diesem
Zeitraum wird aber die Wärme zu Heizzwecken gebraucht. Im Frühling, Sommer und
Herbst liegen die Abwassertemperaturen durchschnittlich zwischen 12 °C und 20
°C und sind damit für die meisten Kläranlagen unproblematisch für eine
Wärmeentnahme. Voraussetzungen Die
Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser ist allerdings an bestimmte
Restriktionen gebunden, die im Folgenden aufgelistet werden: § Mindestdurchmesser
der Kanäle von 800 mm, §
Mindestlänge des Kanals von 20 m bis 150 m, § relativ gerade
Streckenabschnitte der Kanäle, § Begehbarkeit der
Kanäle, § hohe mittlere
Trockenwetterzuflüsse von mehr als 15 l/s, § kurze Distanz
zwischen Kanal und Wärmenutzer von 100 bis 200 m § Mindesttemperatur
des Abwassers, um die Reinigungsleistung der Kläranlage etc. zu gewährleisten
(Mindesttemperatur Abwasser von 10°C, ansonsten detaillierte Überprüfung), § Wärmebedarf des
Wasserabnehmers von mind. 150 kW (entspricht etwa 30 bis
50 Wohneinheiten) sowie § zusätzlich
vorhandene Energieversorgung zur Abdeckung von Spitzenlasten. Einsatzbereiche Die bevorzugten
Einsatzbereiche der Abwasserwärmenutzung sind die Raumheizung und
Warmwasserbereitung insbesondere in größeren, öffentlichen Gebäuden wie
beispielsweise: § Kindergärten,
Schulen/ Fachhochschulen/ Universitäten, § Krankenhäusern,
Alten- und Pflegeheimen, § Verwaltungsgebäuden
sowie § Sportstätten und
Schwimmbädern. Kosten Die mit der
Realisierung eines derartigen Projekts entstehenden Kosten (reine
Materialkosten) belaufen sich bei einem kleinem Wärmetauscher-Element
(0,5 m bis 1,5 m) auf ungefähr 2.500 € je laufendem Meter und
bei einem großen Wärmetauscher-Element (1,5 m bis 2,0 m) auf ca.
3.500 € pro laufendem Meter. Die Größen der Wärmetauscher-Elemente ergeben
sich aus der vorliegenden Wärmeübertragungsleistung (Einfluss auf die
Wärmeübertragungsleistung hat bspw. das Kanalgefälle: eine höhere
Fließgeschwindigkeit des Abwassers hat eine geringere Kontaktzeit mit der
Wärmetauscheroberfläche zur Folge, so dass größere Wärmetauscher-Elemente
notwendig sind). Die Lebensdauer
einer Wärmepumpe beträgt zwischen 15 und 25 Jahren, die eines Wärmetauschers
zwischen 30 und 50 Jahren. Die
Investitionskosten sind insgesamt als beträchtlich einzustufen. Ob das
Verfahren wirtschaftlich ist, hängt stark von den jeweiligen Umständen ab. Die
besten Voraussetzungen bieten - wie dargelegt - große Bauten mit hohem
Wärmeverbrauch wie Mehrfamilienhäuser, Gewerbebauten und Schulen in der Nähe
großer Abwasserkanäle oder Kläranlagen. Für Einfamilienhäuser ist Abwasserwärme
nicht geeignet. Um die Investitionen besser auszunutzen, ist darüber hinaus
auch ein ganzjähriger Betrieb von Vorteil, wie u.a. in Hallenbädern, die auch
im Sommer geheizt werden müssen. Auch die sommerliche Nutzung der Energie zur
Raumkühlung mit „umgekehrt“ laufender Wärmepumpe trägt zur Wirtschaftlichkeit
bei. __________________________________________________________________________ Potenzielle
Einsatzbereiche in Regensburg Unter Berücksichtigung
der Voraussetzungen an die Kanäle (ohne Prüfung der Voraussetzung der
Begehbarkeit), der Trockenwetterzuflüsse von mehr als 15l/s sowie der
Voraussetzung der Entfernungen der Objekte/ Bereiche wurde für die Wärmeenergiegewinnung
aus Abwasser in einem ersten Schritt eine Reihe potenzieller Einsatzbereiche im
Stadtgebiet ermittelt (siehe Auflistung im Anhang). Weiteres Vorgehen Auch wenn der
Technologie aufgrund der Restriktionen bisher lediglich ein Nischen-Potenzial
zukommt und derzeit noch eine Art Pilotprojekt-Charakter einnimmt, könnte sie
in Zeiten knapper werdender fossiler Energie und zunehmender Kosten als
zukunftsträchtig im Rahmen von Sanierungen und Neubauten angesehen werden. Die
Energienutzung aus Abwasser kann einen namhaften Beitrag für die kommunalen
Ziele im Umwelt- und Energiebereich leisten. Es wird als
sinnvoll erachtet, den möglichen Einsatz der Wärmeenergiegewinnung aus Abwasser
analog der Vorgehensweise der Städte Nürnberg, Berlin und München vor dem
Hintergrund konkreter Objektplanungen (Umrüstbarkeit von als
sanierungsbedürftig eingestuften Gebäuden oder Neubau-Vorhaben) oder konkreter
Kanalsanierungen eingehend zu prüfen. Die Karte im Anhang
zeigt die möglichen potenziellen Einsatzbereiche der Wärmeenergiegewinnung aus
Kanalabwässern sowohl für einzelne Gebäude als auch Gebiete (Gebiete, in denen
Neuordnungen durchgeführt werden sowie Gebiete der Bauleitplanung). Diese
Auflistung ist bei allen zukünftigen Planungen und Maßnahmen zu
berücksichtigen, so dass bei der Planung und Umsetzung konkreter Projekte eine
detaillierte/ einzelfallbezogene Prüfung zum Einsatz dieses Energiekonzeptes
von externen Fachkräften erfolgen kann (u. a. Untersuchungen zum möglichen
Einsatz der Technologie, Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit, Untersuchungen
zu den Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Kläranlage). Als eine erste
konkrete Maßnahme ist die Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser am Donaumarkt
im Rahmen eines EU-Projekts vorgesehen. Im Rahmen der Sanierung von städtischen
Gebäuden steht an erster Stelle der Dringlichkeit das Albertus-Magnus-Gymnasium
mit der geplanten städtischen Sporthalle, die für den Einsatz der
Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwässern von Fachleuten näher untersucht werden
sollte. Auch im Zuge der Neuordnungen der ehemaligen Kasernenareale und des
Hafenareals bzw. des Marinaquartiers kann diese Form der Energiegewinnung nach
der vorliegenden Potenzialanalyse genutzt werden und sollte vor diesen
Hintergrund einer genauen Prüfung unterzogen werden. Bei der Neuplanung
des OBI-Baumarktes an der Ecke Frankenstraße/ Nordgaustraße ist der/ die
Bauherr/ in auf die Möglichkeit der Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwässern
hinzuweisen, so dass dieses Energiekonzept ggf. zum Tragen kommt. 1.
Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen. 2.
Bei Neuplanungen und Sanierungen ist im Vorfeld zu prüfen,
ob die Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser eine energetisch sinnvolle und
wirtschaftlich vertretbare Alternative darstellt.
Anlagen:
1 Karte „Potenzielle Gebäude / zukünftige Baugebiete für die Nutzung von Abwasserwärme
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