Vorlage - VO/08/3176/66  

 
 
Betreff: Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Planungs- und Baureferentin Schimpfermann
Federführend:Amt für Stadtentwicklung   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen Entscheidung
15.04.2008 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen ungeändert beschlossen   
Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen Entscheidung

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

                                                                                                             

 

 

Sachverhalt: 

 

 

 

Der Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr-, Umwelt- und Wohnungsfragen hat am 16.10.2007 die Verwaltung beauftragt, die Potenziale der Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser sowie die für diese Form der Energiegewinnung geeigneten möglichen Standorte in Regensburg zu ermitteln.

Eine erste überschlägige Analyse erbrachte folgende Ergebnisse:

 

Grundlagen

Die Temperatur des Abwassers bewegt sich nach Angaben in der Literatur im Jahresverlauf zwischen 10 °C und 20 °C. Somit weist das Abwasser ein hohes Wärmepotenzial auf, welches im Winter zur Wärmegewinnung und im Sommer zur Kühlung genutzt werden kann. Die Technik zur Energiegewinnung setzt sich aus einem Wärmetauscher, der aus dem Abwasser Energie gewinnt, und einer Wärmepumpe, die die Energie für die Beheizung oder Kühlung von größeren Gebäuden nutzbar macht, zusammen.

 

Generell kann zwischen zwei Nutzungsarten unterschieden werden, der Energiegewinnung durch Rohwasser aus der Kanalisation vor der Kläranlage sowie der Energiegewinnung von gereinigtem Wasser in der Kläranlage. Die Energiegewinnung von gereinigtem Wasser in der Kläranlage bietet für Regensburg keine Potenziale (keine potenziellen Nutzer in der näheren Umgebung). Für die Stadt Regensburg von Interesse und Gegenstand der Untersuchung ist jedoch die Energiegewinnung durch Rohwasser aus der Kanalisation. Hierbei ist eine Energieausbeute von 1,5 kWh auf 1 m³ Abwasser möglich, wenn selbiges nur um ein Kelvin abgekühlt wird. Jedoch ist darauf zu achten, dass eine Veränderung der Abwassertemperatur Auswirkungen auf die Abwasserreinigung haben kann (u.a. vermindert die Temperaturabnahme generell die Nitrifikationsleistung). Die zu beachtenden Einflussgrößen auf die Temperatur im Abwasser der Kanalisation sind die durch den Wärmetauscher entnommene Wärmemenge, die Durchflussmenge und die Gegebenheiten beim Zusammenfluss verschiedener Teilströme. Die Temperaturabnahme durch Wärmeentnahme liegt im Normalfall in der gleichen Größenordnung wie die natürlichen Wärmeverluste in der Kanalisation. Wird die Temperatur in der Kläranlage unter 10 °C und/ oder um mehr als 0,5 K abgekühlt, so muss von Abwasserfachleuten eine detaillierte Prüfung unter Berücksichtigung der Dimensionierungstemperatur (in Deutschland 10°C gemäß ATV-Arbeitsblatt A131) vorgenommen werden. Die Auswirkungen einer Temperaturabsenkung im Zulauf zu einer Kläranlage (z. B. durch Wärmeentnahme) sind umso unbedenklicher, je größer die Dimensionierungsreserve der Kläranlage ist. Bei einer großzügig dimensionierten mittleren Kläranlage ist eine Temperaturabnahme von bis zu 1 K im Zulauf im Normalfall kein Problem. Da die Rahmenbedingungen aber bei jeder Kläranlage sehr unterschiedlich sind (Abwasserzusammensetzung, Betriebsweise, Beckengrößen, Einleitungsbedingungen etc.), muss jede Anlage separat betrachtet werden.

Die Grenzfälle für die Einhaltung der Ammonium- (NH4) und Nitrit- (NO2) Ablaufgrenzwerte treten im Allgemeinen in den Wintermonaten auf, wenn sich die Zulauftemperaturen im Bereich der Dimensionierungstemperatur für die Kläranlage bewegen; vor allem in diesem Zeitraum wird aber die Wärme zu Heizzwecken gebraucht. Im Frühling, Sommer und Herbst liegen die Abwassertemperaturen durchschnittlich zwischen 12 °C und 20 °C und sind damit für die meisten Kläranlagen unproblematisch für eine Wärmeentnahme.

 

Voraussetzungen

Die Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser ist allerdings an bestimmte Restriktionen gebunden, die im Folgenden aufgelistet werden:

§    Mindestdurchmesser der Kanäle von 800 mm,

§    Mindestlänge des Kanals von 20 m bis 150 m,

§    relativ gerade Streckenabschnitte der Kanäle,

§    Begehbarkeit der Kanäle,

§    hohe mittlere Trockenwetterzuflüsse von mehr als 15 l/s,

§    kurze Distanz zwischen Kanal und Wärmenutzer von 100 bis 200 m

§    Mindesttemperatur des Abwassers, um die Reinigungsleistung der Kläranlage etc. zu gewährleisten (Mindesttemperatur Abwasser von 10°C, ansonsten detaillierte Überprüfung),

§    Wärmebedarf des Wasserabnehmers von mind. 150 kW (entspricht etwa 30 bis 50 Wohneinheiten) sowie

§    zusätzlich vorhandene Energieversorgung zur Abdeckung von Spitzenlasten.

 

Einsatzbereiche

Die bevorzugten Einsatzbereiche der Abwasserwärmenutzung sind die Raumheizung und Warmwasserbereitung insbesondere in größeren, öffentlichen Gebäuden wie beispielsweise:

§    Kindergärten, Schulen/ Fachhochschulen/ Universitäten,

§    Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen,

§    Verwaltungsgebäuden sowie

§    Sportstätten und Schwimmbädern.

 

Kosten

Die mit der Realisierung eines derartigen Projekts entstehenden Kosten (reine Materialkosten) belaufen sich bei einem kleinem Wärmetauscher-Element (0,5 m bis 1,5 m) auf ungefähr 2.500 € je laufendem Meter und bei einem großen Wärmetauscher-Element (1,5 m bis 2,0 m) auf ca. 3.500 € pro laufendem Meter. Die Größen der Wärmetauscher-Elemente ergeben sich aus der vorliegenden Wärmeübertragungsleistung (Einfluss auf die Wärmeübertragungsleistung hat bspw. das Kanalgefälle: eine höhere Fließgeschwindigkeit des Abwassers hat eine geringere Kontaktzeit mit der Wärmetauscheroberfläche zur Folge, so dass größere Wärmetauscher-Elemente notwendig sind).

Die Lebensdauer einer Wärmepumpe beträgt zwischen 15 und 25 Jahren, die eines Wärmetauschers zwischen 30 und 50 Jahren.

 

Die Investitionskosten sind insgesamt als beträchtlich einzustufen. Ob das Verfahren wirtschaftlich ist, hängt stark von den jeweiligen Umständen ab. Die besten Voraussetzungen bieten - wie dargelegt - große Bauten mit hohem Wärmeverbrauch wie Mehrfamilienhäuser, Gewerbebauten und Schulen in der Nähe großer Abwasserkanäle oder Kläranlagen. Für Einfamilienhäuser ist Abwasserwärme nicht geeignet. Um die Investitionen besser auszunutzen, ist darüber hinaus auch ein ganzjähriger Betrieb von Vorteil, wie u.a. in Hallenbädern, die auch im Sommer geheizt werden müssen. Auch die sommerliche Nutzung der Energie zur Raumkühlung mit „umgekehrt“ laufender Wärmepumpe trägt zur Wirtschaftlichkeit bei.

__________________________________________________________________________

 

Potenzielle Einsatzbereiche in Regensburg

Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen an die Kanäle (ohne Prüfung der Voraussetzung der Begehbarkeit), der Trockenwetterzuflüsse von mehr als 15l/s sowie der Voraussetzung der Entfernungen der Objekte/ Bereiche wurde für die Wärme­energie­gewinnung aus Abwasser in einem ersten Schritt eine Reihe potenzieller Einsatzbereiche im Stadtgebiet ermittelt (siehe Auflistung im Anhang).

 

Weiteres Vorgehen

Auch wenn der Technologie aufgrund der Restriktionen bisher lediglich ein Nischen-Potenzial zukommt und derzeit noch eine Art Pilotprojekt-Charakter einnimmt, könnte sie in Zeiten knapper werdender fossiler Energie und zunehmender Kosten als zukunftsträchtig im Rahmen von Sanierungen und Neubauten angesehen werden. Die Energienutzung aus Abwasser kann einen namhaften Beitrag für die kommunalen Ziele im Umwelt- und Energiebereich leisten.

 

Es wird als sinnvoll erachtet, den möglichen Einsatz der Wärmeenergiegewinnung aus Abwasser analog der Vorgehensweise der Städte Nürnberg, Berlin und München vor dem Hintergrund konkreter Objektplanungen (Umrüstbarkeit von als sanierungsbedürftig eingestuften Gebäuden oder Neubau-Vorhaben) oder konkreter Kanalsanierungen eingehend zu prüfen.

Die Karte im Anhang zeigt die möglichen potenziellen Einsatzbereiche der Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwässern sowohl für einzelne Gebäude als auch Gebiete (Gebiete, in denen Neuordnungen durchgeführt werden sowie Gebiete der Bauleitplanung). Diese Auflistung ist bei allen zukünftigen Planungen und Maßnahmen zu berücksichtigen, so dass bei der Planung und Umsetzung konkreter Projekte eine detaillierte/ einzelfallbezogene Prüfung zum Einsatz dieses Energiekonzeptes von externen Fachkräften erfolgen kann (u. a. Untersuchungen zum möglichen Einsatz der Technologie, Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit, Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Kläranlage).

 

Als eine erste konkrete Maßnahme ist die Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser am Donaumarkt im Rahmen eines EU-Projekts vorgesehen. Im Rahmen der Sanierung von städtischen Gebäuden steht an erster Stelle der Dringlichkeit das Albertus-Magnus-Gymnasium mit der geplanten städtischen Sporthalle, die für den Einsatz der Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwässern von Fachleuten näher untersucht werden sollte. Auch im Zuge der Neuordnungen der ehemaligen Kasernenareale und des Hafenareals bzw. des Marinaquartiers kann diese Form der Energiegewinnung nach der vorliegenden Potenzialanalyse genutzt werden und sollte vor diesen Hintergrund einer genauen Prüfung unterzogen werden.

Bei der Neuplanung des OBI-Baumarktes an der Ecke Frankenstraße/ Nordgaustraße ist der/ die Bauherr/ in auf die Möglichkeit der Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwässern hinzuweisen, so dass dieses Energiekonzept ggf. zum Tragen kommt.

 

Beschluss:

 

1.      Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen.

2.      Bei Neuplanungen und Sanierungen ist im Vorfeld zu prüfen, ob die Wärmeenergiegewinnung aus Kanalabwasser eine energetisch sinnvolle und wirtschaftlich vertretbare Alternative darstellt.

 

Anlagen:

 

Anlagen:

 

1 Karte „Potenzielle Gebäude / zukünftige Baugebiete für die Nutzung von Abwasserwärme

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Potenzielle Gebäude / Zukünftige Baugebiete für die Nutzung von Abwasserwärme (6674 KB)