Sachverhalt: Ausgangslage Viele öffentliche Auftraggeber wünschen
sich schon seit einigen Jahren bessere Möglichkeiten, um auch soziale Kriterien
in Vergabeverfahren einbeziehen zu können. Wie zahlreiche andere Städte möchte sich
auch die Stadt Regensburg gegen ausbeuterische Kinderarbeit engagieren. Am 19.08.2005 wurde ein Antrag der
SPD-Stadtratsfraktion, keine Produkte aus ausbeute-rischer Kinderarbeit zu
kaufen, im Stadtratsplenum behandelt. Quer durch alle Parteien wurde ein großes
Interesse erkennbar, alle Möglichkeiten zu ergreifen, um ausbeuterischer Kinderarbeit
entgegen zu treten. Der Stadtrat beauftragte die Verwaltung zu prüfen, ob dem
Anliegen Rechnung getragen werden könne und entsprechend zu berichten. Bisher ließ es allerdings die Rechtslage
nicht zu, „vergabefremde“ Aspekte bei einer Ausschreibung zu
berücksichtigen: „ das Vergaberecht habe nicht politischen Zwecken zu dienen,
sondern lediglich den wirtschaftlichen Einkauf der öffentlichen Hand zu
sichern“. Andererseits verpflichtet auch das
verfassungsrechtliche Gebot zur Achtung der Menschen-würde. Es bindet
unmissverständlich die öffentliche Hand, denn es unterscheidet nicht danach, ob
etwa Kinder in Deutschland durch den staatlichen Einkauf betroffen sind oder im
Ausland. Aus diesem Bewusstsein heraus haben sich in den letzten Jahren
zahlreiche öffent-liche Auftraggeber, insb. auch die Stadt Regensburg durch
Kontakte mit Ministerien und dem EU-Parlament, für die Berücksichtigung
sozialer Kriterien in Vergabeverfahren eingesetzt. Neue Rechtslage Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat
schließlich in seiner Rechtsprechung der Anwendung sozialer und ökologischer
Bedingungen für die Auftragsausführung den Weg geebnet. Diesem Votum ist der
europäische Gesetzgeber mit Aufnahme des Artikels 26 in die Vergabekoordinierungsrichtlinie
2004/18/EG bzw. des Artikels 38 in die Sektorenkoordinierungsrichtlinie 2004/17/EG
gefolgt. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des
Vergaberechts vom 20. April 2009 wurden Artikel 26 bzw. Artikel 38 der
europäischen Vergaberichtlinien umgesetzt und damit die Möglichkeiten der
öffentlichen Auftraggeber erweitert, Sekundärziele – insbesondere soziale
Aspekte – zu verfolgen. Es handelt sich dabei um eine freiwillige
Regelung, d.h. um eine Option für öffentliche Auftraggeber. Diese
entscheiden eigenverantwortlich, ob und inwiefern sie davon Gebrauch machen.
Damit wird den Grundsätzen der Subsidiarität und der Konnexität Rechnung
getragen, sodass Gestaltungsfreiheit dort verankert wird, wo auch die
Finanzierungsverantwortung liegt. Umsetzung der neuen Rechtslage Die Gefahr, Produkte aus ausbeuterischer
Kinderarbeit angeboten zu erhalten, besteht aufgrund der oft weit verzweigten
Zulieferer und Zwischenhandelsstufen vor allem bei Waren, die in Afrika, Asien,
Lateinamerika, China und Indien hergestellt werden. Zur gefährdeten Produktpalette gehören insbesondere -
Natursteine (Pflastersteine, Grabsteine) -
Textilien (Schutzkleidung, Stofftaschen) -
Produkte, insb. Fertigteile im IT-Bereich -
Spielwaren und Sportartikel (Fußbälle für die Schulen) -
Orangensaft, Tee, Kaffee ( für Empfänge der Stadt). Der Deutsche Städtetag hat in
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und mit dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im
September dieses Jahres einen Leitfaden „Die Berücksichtigung sozialer
Belange im Vergaberecht“ als Hilfestellung für die kommunale Praxis
herausgegeben. Es werden einige Möglichkeiten genannt, die
in die Ausschreibung aufgenommen werden könnten: -
Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit -
Die Waren müssen unter Beachtung der IAO-Kernarbeitsnormen
(wie z.B. des Verbots ausbeuterischer Kinderarbeit) hergestellt werden Hinweis: Die
Kernarbeitsnormen gemäß der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation
(IAO) vom 18.06.1998 sind: 1.
die Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen 2.
die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit 3.
die Abschaffung der Kinderarbeit und 4.
die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und
Beruf. Die Problematik des Nachweises der
Einhaltung dieser Erklärungen (Eigenerklärung der Bieter) liegt aber auf der
Hand. Angesichts der internationalen Arbeitsteilung und der Komplexität von
Waren, insbesondere von technischen Produkten, dürfte dies in der Praxis wohl
kaum umsetzbar sein. Dementsprechend stellt sich auch die Frage, was einem
Bieter an Nachweis und Nachverfolgung der Lieferketten zugemutet werden kann.
Bei Produkten mit einem weniger komplexen Herstellungsprozess wie etwa eines
T-Shirts mag dies noch möglich sein. Jedoch wird man einem Kraftfahrzeughändler
gegenwärtig nicht zumuten können, eine Garantie dafür abzugeben, dass z.B. die
im Fahrzeug verwendeten Textilien aus einer Baumwollproduktion ohne unzulässige
Kinderarbeit stammen. Forderungen
von Zertifizierungszeichen, Label Soweit es für Produkte geeignete und ausreichend
verbreitete Label gibt, etwa zum Aspekt Kinderarbeit das Rugmark-Label für
Teppiche, kann der öffentliche Auftraggeber mit dem Angebot eine Bestätigung
verlangen, dass die geforderte Voraussetzung erfüllt wird. Bei Vertragserfüllung
kann ein Fehlverhalten z.B. mit einer Vertragsstrafe sanktioniert oder die Annahme
der Leistung verweigert werden. Geeignete Siegel sind z.B. Fairtrade (bei
Fußbällen oder Textilien/ Schutzkleidung) und win = win - fairstone oder
Xertifix für Pflastersteine oder Support bzw. GreenIT für IT-Hardware. Soweit Siegel und Label existieren und weit
genug verbreitet sind, erscheint dies die wahrscheinlichste Form, Produkte aus
ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Beschaffung zu verhindern. Die Verwaltung wird ermächtigt und
beauftragt, bei Beschaffungen auch soziale und ökologische Belange zu
berücksichtigen. Insbesondere soll soweit wie möglich sichergestellt werden,
dass keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschafft werden.
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