Vorlage - VO/09/5043/62  

 
 
Betreff: Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit
- Neue Rechtslage -
Status:öffentlichVorlage-Art:Vergabevorlage
Berichterstatter/in:Abteilungsleiterin Spangel
Federführend:Amt für Städtebauförderung und Vergaben   
Beratungsfolge:
Bau- und Vergabeausschuss Entscheidung
08.12.2009 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

                                                                                                             

 

 

Sachverhalt: 

 

 

Ausgangslage

 

Viele öffentliche Auftraggeber wünschen sich schon seit einigen Jahren bessere Möglichkeiten, um auch soziale Kriterien in Vergabeverfahren einbeziehen zu können.

Wie zahlreiche andere Städte möchte sich auch die Stadt Regensburg gegen ausbeuterische Kinderarbeit engagieren.

Am 19.08.2005 wurde ein Antrag der SPD-Stadtratsfraktion, keine Produkte aus ausbeute-rischer Kinderarbeit zu kaufen, im Stadtratsplenum behandelt. Quer durch alle Parteien wurde ein großes Interesse erkennbar, alle Möglichkeiten zu ergreifen, um ausbeuterischer Kinderarbeit entgegen zu treten. Der Stadtrat beauftragte die Verwaltung zu prüfen, ob dem Anliegen Rechnung getragen werden könne und entsprechend zu berichten.

 

Bisher ließ es allerdings die Rechtslage nicht zu, „vergabefremde“ Aspekte bei einer Ausschreibung zu berücksichtigen: „ das Vergaberecht habe nicht politischen Zwecken zu dienen, sondern lediglich den wirtschaftlichen Einkauf der öffentlichen Hand zu sichern“.

 

Andererseits verpflichtet auch das verfassungsrechtliche Gebot zur Achtung der Menschen-würde. Es bindet unmissverständlich die öffentliche Hand, denn es unterscheidet nicht danach, ob etwa Kinder in Deutschland durch den staatlichen Einkauf betroffen sind oder im Ausland. Aus diesem Bewusstsein heraus haben sich in den letzten Jahren zahlreiche öffent-liche Auftraggeber, insb. auch die Stadt Regensburg durch Kontakte mit Ministerien und dem EU-Parlament, für die Berücksichtigung sozialer Kriterien in Vergabeverfahren eingesetzt.

 

 

Neue Rechtslage

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat schließlich in seiner Rechtsprechung der Anwendung sozialer und ökologischer Bedingungen für die Auftragsausführung den Weg geebnet. Diesem Votum ist der europäische Gesetzgeber mit Aufnahme des Artikels 26 in die Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG bzw. des Artikels 38 in die Sektorenkoordinierungsrichtlinie 2004/17/EG gefolgt.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 wurden Artikel 26 bzw. Artikel 38 der europäischen Vergaberichtlinien umgesetzt und damit die Möglichkeiten der öffentlichen Auftraggeber erweitert, Sekundärziele – insbesondere soziale Aspekte – zu verfolgen. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Regelung, d.h. um eine Option für öffentliche Auftraggeber. Diese entscheiden eigenverantwortlich, ob und inwiefern sie davon Gebrauch machen. Damit wird den Grundsätzen der Subsidiarität und der Konnexität Rechnung getragen, sodass Gestaltungsfreiheit dort verankert wird, wo auch die Finanzierungsverantwortung liegt.

 

 

Umsetzung der neuen Rechtslage

 

Die Gefahr, Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit angeboten zu erhalten, besteht aufgrund der oft weit verzweigten Zulieferer und Zwischenhandelsstufen vor allem bei Waren, die in Afrika, Asien, Lateinamerika, China und Indien hergestellt werden.

 

Zur gefährdeten Produktpalette gehören insbesondere

 

-          Natursteine (Pflastersteine, Grabsteine)

-          Textilien (Schutzkleidung, Stofftaschen)

-          Produkte, insb. Fertigteile im IT-Bereich

-          Spielwaren und Sportartikel (Fußbälle für die Schulen)

-          Orangensaft, Tee, Kaffee ( für Empfänge der Stadt).

 

Der Deutsche Städtetag hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im September dieses Jahres einen Leitfaden „Die Berücksichtigung sozialer Belange im Vergaberecht“ als Hilfestellung für die kommunale Praxis herausgegeben.

 

Es werden einige Möglichkeiten genannt, die in die Ausschreibung aufgenommen werden könnten:

 

-          Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit

 

-          Die Waren müssen unter Beachtung der IAO-Kernarbeitsnormen (wie z.B. des Verbots ausbeuterischer Kinderarbeit) hergestellt werden

 

Hinweis: Die Kernarbeitsnormen gemäß der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 18.06.1998 sind:

 

1.      die Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen

2.      die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit

3.      die Abschaffung der Kinderarbeit und

4.      die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

 

 

Die Problematik des Nachweises der Einhaltung dieser Erklärungen (Eigenerklärung der Bieter) liegt aber auf der Hand. Angesichts der internationalen Arbeitsteilung und der Komplexität von Waren, insbesondere von technischen Produkten, dürfte dies in der Praxis wohl kaum umsetzbar sein. Dementsprechend stellt sich auch die Frage, was einem Bieter an Nachweis und Nachverfolgung der Lieferketten zugemutet werden kann. Bei Produkten mit einem weniger komplexen Herstellungsprozess wie etwa eines T-Shirts mag dies noch möglich sein. Jedoch wird man einem Kraftfahrzeughändler gegenwärtig nicht zumuten können, eine Garantie dafür abzugeben, dass z.B. die im Fahrzeug verwendeten Textilien aus einer Baumwollproduktion ohne unzulässige Kinderarbeit stammen.

 

            Forderungen von Zertifizierungszeichen, Label

 

Soweit es für Produkte geeignete und ausreichend verbreitete Label gibt, etwa zum Aspekt Kinderarbeit das Rugmark-Label für Teppiche, kann der öffentliche Auftraggeber mit dem Angebot eine Bestätigung verlangen, dass die geforderte Voraussetzung erfüllt wird. Bei Vertragserfüllung kann ein Fehlverhalten z.B. mit einer Vertragsstrafe sanktioniert oder die Annahme der Leistung verweigert werden.

Geeignete Siegel sind z.B. Fairtrade (bei Fußbällen oder Textilien/ Schutzkleidung) und win = win - fairstone oder Xertifix für Pflastersteine oder Support bzw. GreenIT für IT-Hardware.

 

Soweit Siegel und Label existieren und weit genug verbreitet sind, erscheint dies die wahrscheinlichste Form, Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Beschaffung zu verhindern.

Die Verwaltung wird ermächtigt und beauftragt, bei Beschaffungen auch soziale und ökologische Belange zu berücksichtigen

 

Die Verwaltung wird ermächtigt und beauftragt, bei Beschaffungen auch soziale und ökologische Belange zu berücksichtigen. Insbesondere soll soweit wie möglich sichergestellt werden, dass keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschafft werden.