Vorlage - VO/11/6646/SK2  

 
 
Betreff: Fairtrade-Stadt
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Oberbürgermeister Schaidinger
Federführend:Hauptabteilung Rat und Repräsentation   
Beratungsfolge:
Verwaltungs- und Finanzausschuss Entscheidung
24.11.2011 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

                                                                                                      

 

 

Sachverhalt:             

 

Mit Beschluss des Verwaltungs- und Finanzausschusses vom 24.11.2010 wurde die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um den Titel Fairtrade-Stadt zu erhalten. Mit Schreiben vom 09.05.2011 wandten sich außerdem verschiedene Bürgerinnen und Bürger an die Stadt Regensburg mit dem Vorschlag, eine Bewerbung als Fairtrade-Town anzustreben.

 

1. Grundsätzliches

 

Die Kampagne „Fairtrade Towns“, die vom Verein Transfair e. V. getragen wird, bringt unterschiedliche Akteure aus Handel, Politik und Zivilgesellschaft zusammen. Die Aktion wird nach Angaben des Vereins nicht nur von Organisationen aus den Bereichen Entwicklungspolitik, Kirche, Verbraucherschutz, Frauen, Bildung und Soziales unterstützt, sondern auch von der EU, der Bundesregierung, Parteien und vielen Einzelpersonen. 1992 begann Transfair damit, benachteiligte Produzentenfamilien in Afrika, Asien und Lateinamerika zu fördern und durch den Fairen Handel ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Der Verein selbst handelt nicht mit Waren, sondern vergibt das Fairtrade-Siegel für fair gehandelte Produkte, vermittelt Marktzugänge zu fairen Bedingungen für Produzentengruppen und Arbeiter aus benachteiligten Regionen des Südens, pflegt und erweitert das Fairtrade-Produktsortiment, erschließt neue Vertriebswege, vermarktet das Siegel und betreibt Informations-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit.

 

Die Kampagne Fairtrade unterstützt Produzentinnen und Produzenten in den Entwicklungsländern, um ihnen eine menschenwürdige Existenz aus eigener Kraft zu ermöglichen. Dabei sollen gezielt die besonders benachteiligten kleinbäuerlichen Familien und deren Selbsthilfeinitiativen gefördert werden. Bei Plantagenprodukten wie Tee, Orangen und Bananen werden die Pflückerinnen und Pflücker gefördert. Darüber hinaus werden Sozialprodukte wie Schulen, Gemeinschaftsräume, Werkzeug, Brunnen und vieles mehr finanziert. Insgesamt profitieren rund 700 Bauernkooperativen und Plantagen in 58 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas vom Fairen Handel mit dem Siegel.

 

Im Jahr 2000 startete der Verein in Großbritannien die Kampagne „Fairtrade-Towns“. Mittlerweile bewerben sich in 20 Ländern weltweit Gemeinden, Städte, Kreise und Regionen um diesen Titel. An der Aktion beteiligen sich zwischenzeitlich mehr als 40 deutsche Städte, die in einem Verzeichnis im Internet geführt werden. In Bayern haben Abensberg, Augsburg, Burghausen, Freising, Herrsching, Neumarkt i. d. Oberpfalz, Nürnberg und Sonthofen den Titel „Fairtrade-Stadt“ erworben.

 

 

2. Kriterien für den Status einer Fairtrade-Stadt

 

Die Auszeichnung Fairtrade-Stadt wird verliehen, wenn die nachfolgend genannten fünf Kriterien erfüllt sind. In die Abfrage, ob und inwieweit die geforderten Kriterien erfüllt werden, wurden das Rechts- und Umweltreferat, das Amt für Schulen, das Amt für Wirtschaftsförderung sowie der Zentrale Verwaltungsservice einbezogen.

 

 

1.      Es liegt ein Beschluss der Kommune vor, dass bei allen Sitzungen des Stadtrates sowie im Bürgermeisterbüro Fairtrade-Kaffee sowie ein weiteres Produkt aus fairem Handel verwendet wird.

Es wird die Entscheidung getroffen, als Stadt den Titel „Fairtrade-Stadt“ anzustreben.

 

Dieses Kriterium wird in Regensburg derzeit teilweise erfüllt. Bei Sitzungen des Stadtratsplenums wird Kaffee ausgeschenkt. Aus Kostengründen wird derzeit auf Kaffee aus fairem Handel verzichtet. Im Büro des Oberbürgermeistes und des zweiten Bürgermeisters werden aktuell keine Fairtrade-Produkte verwendet, im Büro des dritten Bürgermeisters kommt bei größeren Besprechungen Fairtrade-Kaffee zum Einsatz.

 

 

2.      Es wird eine lokale Steuerungsgruppe gebildet, die auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“ die Aktivitäten vor Ort koordiniert.

Die Gruppe sollte aus Vertretern verschiedener Zielgruppen bestehen, wie städtische Verwaltung, (Einzel-)Handel, Kirchen, Schulen, Vereinen, Medien.

 

Dieses Kriterium wird in Regensburg zurzeit teilweise erfüllt. Eine Gruppe interessierter Bürgerinnen und Bürger beschäftigt sich seit Januar dieses Jahres

mit der Fairtrade-Stadt. Nicht vertreten sind bislang Schulen, Repräsentanten der Stadtverwaltung, Medien.

 

 

3.      In den lokalen Einzelhandelsgeschäften werden gesiegelte Produkte aus fairem Handel angeboten und in Cafés und Restaurants werden Fairtrade-Produkte ausgeschenkt.

 

Bei einer Einwohnerzahl von mehr als 140.000 bis 150.000 müssen 25 Einzelhandelsgeschäfte und 13 Gastronomiebetriebe die Vorgabe erfüllen. Dieses Kriterium wird möglicherweise erfüllt. Der Verwaltung liegen Informationen vor, wonach derzeit mindestens 44 Einzelhandelsbetriebe und 10 Gastronomiebetriebe Fairtrade-Produkte im Angebot haben.

Das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz hat mitgeteilt, dass in den drei Cafeterien der Hochschule Regensburg und in den sechs Cafeterien der Universität Regensburg ausschließlich Kaffee, Tee, Kakao und Süßwaren aus fairem Handel angeboten werden.

 

 

4.      In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Vereinen und Kirchen werden Fairtrade-Produkte verwendet und es werden dort Bildungsaktivitäten zum Thema „fairer Handel“ durchgeführt.

 

Bei einer Einwohnerzahl unter 200.000 muss jeweils eine Schule, ein Verein und eine Kirche für die Aktion gewonnen werden. Bildungsaktivitäten zum Thema Fairer Handel finden nahezu überall im Rahmen des Lehrplans, zum Beispiel in den Fächern Religion und Ethik, statt. Das Thema spielt auch bei der Umwelterziehung eine wichtige Rolle, insbesondere an der Napoleonstein-Grundschule und der Von-der-Tann-Grundschule. Am Schulzentrum Matthäus Runtinger gab es eine Projektwoche mit Einkauf, Verkauf und Rechnungsabwicklung von Fairtrade-Produkten; auch wurden ein Schaukasten mit Fairtrade-Produkten und Informationen gestaltet und Plakate erstellt. Allerdings werden keine Fairtrade-Produkte an der Schule dauerhaft verwendet, da diese weder von Schülern noch von Lehrern ausreichend nachgefragt werden. Die Fachakademie für Hauswirtschaft verwendet ausschließlich Kaffee einer Firma, die Fairtrade-Produkte vertreibt. Die Grundschule am Sallerner Berg schenkt Fairtrade-Kaffee im Lehrerkollegium aus und bezieht Kopierpapier und sonstiges Schulmaterial aus fairem Handel. Das Goethe-Gymnasium verwendet Fairtrade-Kaffee im Sozialraum der Lehrkräfte; bei Schulfesten und Elternsprechtagen gibt es einen Fairtrade-Kaffeestand, der von den Schülern betrieben wird. An einigen weiteren Schulen wird versucht, beim Einkauf von Bedarfsartikeln auf Fairtrade-Produkte zurückzugreifen, diese Bestrebungen haben jedoch aus finanziellen Gründen meist keinen dauerhaften Bestand. Einige Schulen teilten mit, dass aufgrund der sozialen Struktur der Schülerschaft die Verwendung von Fairtrade-Produkten nicht durchsetzbar sei. Beim Pausenverkauf und beim Betrieb von Schulküchen kann der Einsatz von Fairtrade-Produkten nur mit Zustimmung des Schulforums, das aus Vertretern des Lehrkörpers, Elternbeirats und der Schülerschaft besteht, umgesetzt werden. Ein möglicher Hinderungsgrund könnte darin bestehen, dass kostenintensivere Einkäufe auch den Verkaufspreis erhöhen.

 

In der neuen Kantine der Stadtverwaltung sollen möglichst regionale Produkte zum Einsatz kommen. Neben der Qualität der Produkte stellt der Preis ein weiteres Kriterium dar, da nicht nur eine vollwertige und ausgewogene, sondern auch eine preiswerte Verpflegung angeboten werden soll. Eine endgültige Aussage zum Einsatz von Fairtrade-Produkten kann erst nach Rücksprache mit dem neuen Kantinenpächter getroffen werden.

 

Die Geschäftsstelle des Kolpingwerk Diözesanverband Regensburg, das Bischöfliche Jugendamt und der Katholische Deutsche Frauenbund, Diözesanverband Regensburg verwenden ausschließlich Fairtrade-Kaffee. Zudem betreibt der KDFB Werbung für fair gehandelten Kaffee. Die Diözesanstelle der Katholischen Landjugendbewegung verwendet und verkauft fair gehandelten Kaffee. Auch in verschiedenen Pfarreien werden Fairtrade-Produkte verkauft und bei Pfarrfesten verwendet.

In den Geschäftsstellen des Evangelischen Bildungswerkes und der Evangelischen Studentengemeinde kommt fair gehandelter Kaffee zum Einsatz.

 

Über die Verwendung von Fairtrade-Produkten in Vereinen liegen der Verwaltung aktuell keine Informationen vor, sie müssten ggf. erhoben werden.

 

 

5.      Die örtlichen Medien berichten über alle Aktivitäten auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“. Es sollten mindestens 4 Artikel pro Jahr erscheinen.

 

 

Eine von der Stadt initiierte Einbeziehung der örtlichen Medien ist bislang nicht erfolgt, kann aber ggf. erfogen. Weitere Informationen über die Verwendung von Fairtrade-Produkten im Stadtgebiet könnten ggf. mittels Presseaufruf eingeholt werden.

 

 

 

Nach Erfüllung aller Kriterien und Prüfung durch Transfair e. V. wird der Titel „Fairtrade-Stadt“ für zunächst zwei Jahre vergeben. Danach erfolgt eine Überprüfung, ob die Kriterien weiterhin erfüllt sind.

 

 

3. Zusammenfassung

 

Regensburg erfüllt die geforderten Kriterien derzeit in Teilbereichen. Für eine Bewerbung um den Titel Fairtrade-Stadt müsste eine Steuerungsgruppe unter Beteiligung der Stadtverwaltung gebildet und Aktionen und Veranstaltungen rund um den Fairen Handel geplant und organisiert werden.

Die Auszeichnung als Fairtrade-Stadt könnte durch Imagebildung positive Auswirkungen für Regensburg haben. Die Industrie- und Handelskammer weist in einer kurzen Stellungnahme darauf hin, dass eine Polarisierung zwischen Fairtrade und normalem Handel nicht zielgerichtet wäre. Der HBE Oberpfalz/Niederbayern teilt mit, dass die Mehrheit der im HDE-Bereich Großfläche und Filialbetriebe vertretenen Unternehmen Fairtrade-Produkte im Sortiment führt und eine HDE-Broschüre zu diesem Thema existiert. Für den Bereich Handel gebe es einen bundesweiten Wettbewerb (FA!R-Handelpreis), der ebenfalls das Thema Fairtrade zum Gegenstand hat und in drei Kategorien (Lebensmitteleinzelhandel/Drogeriemärkte, Textileinzelhandel, Weltläden) Preisträger ermittelt. In der Kategorie „Textil“ ging der Preis 2010 an eine Regensburger Unternehmerin. Zusätzliche Aktivitäten würden vom HBE Oberpfalz/Niederbayern nicht als erforderlich angesehen. Das Amt für Wirtschaftsförderung gibt zu bedenken, dass der Verwaltungs- und Organisationsaufwand für die Beteiligung an der Fairtrade-Kampagne möglicherweise zu Lasten von Aktivitäten zur Förderung des Absatzes regionaler Produkte gehen könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 


Der Ausschuss beschließt:

 

Vom Bericht der Verwaltung wird Kenntnis genommen.

Die Verwaltung wird beauftragt, weitere Aktivitäten zu initiieren mit dem Ziel, in Regensburg alle Kriterien als Fairtrade-Stadt zu erfüllen.