Vorlage - VO/14/10097/45  

 
 
Betreff: Wissenschaftliche Erforschung des Kriegsendes 1945 in Regensburg
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Kulturreferent Unger
Federführend:Amt für Archiv- und Denkmalpflege   
Beratungsfolge:
Kulturausschuss Vorberatung
08.10.2014 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Kulturausschusses geändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
23.10.2014 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg geändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

 

 

 

Sachverhalt:             

 

 

 

Regensburg und die Großen Kriege in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts

 

Das Kulturreferat möchte versuchen, einige Aspekte der beiden Weltkriege in ihrem Bezug auf Regensburg einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei geht es nicht um lückenlose Darstellungen der lokalen Ereignisse in den Gesamtzusammenhängen, hier wird zur Zeit von vielen Seiten Umfassendes angeboten, sondern um einige lokale Besonderheiten, die es wert sind, sie neu zu beleuchten. Dies wäre zum einen das Regensburger Kriegsgefangenenlager und die dort in den Jahren 1916/17 erschienene französische Lagerzeitung und zum anderen die neuerliche Erforschung des Kriegsendes 1945 in und um Regensburg.

 

 

1. Das Regensburger Kriegsgefangenenlager während des 1. Weltkriegs

 

Das Kriegsgefangenenlager in Regensburg war eines von zwölf Mannschaftslagern in Bayern, die während des Ersten Weltkriegs bestanden. Zusätzlich gab es noch acht gesonderte Lager, in denen Offiziere untergebracht waren. Im Oktober 1918 lebten in Regensburg 3265 Franzosen (darunter sechs Offiziere), 49 Russen, drei Belgier, fünf Engländer, ein Rumäne, 1402 Italiener (darunter ein Offizier) sowie ein Zivilinternierter. Mit diesen rund 4.700 Gefangenen war Regensburg eines der kleineren Mannschaftslager.

 

Es war nicht ungewöhnlich, dass Kriegsgefangene sportlichen und kulturellen Aktivitäten nachgingen, die den monotonen Lageralltag unterbrachen. Die Lagerkommandanturen förderten dies sogar, nicht zuletzt auch aus propagandistischen Gründen. In vielen Lagern gab es daher Bibliotheken, auch Sprachkurse wurden angeboten. Gefangene spielten Theater oder gaben eigene Zeitungen bzw. Zeitschriften heraus. Allein in Deutschland sind über 100 derartige Lagerzeitungen bekannt.

 

Eine von der Staatlichen Bibliothek Regensburg im antiquarischen Handel erworbene Zeitung gibt Einblick in das Schicksal hunderter französischer Kriegsgefangener in Regensburg: "Le Pour et le Contre Journal hebdomadaire des Prisonniers de Regensburg" (Das Für und Wider - Wochenzeitung der [Kriegs-]Gefangenen in Regensburg) lautet der Titel einer Lagerzeitung, die zwischen Juli 1916 und April 1917 in Regensburg verfasst und gedruckt wurde. Die von D. Lamy herausgegebene Zeitung erschien in 39 Ausgaben zwischen dem 16. Juli 1916 und dem 8. April 1917 jeweils am Sonntag.

 

Le Pour et le Contre gibt Auskunft über interne Lagerangelegenheiten und bietet Einblicke in den Alltag der Soldaten. Darüber hinaus spiegelt die Zeitung auch aktuelle Diskussionen der Zeit über zivilgesellschaftliche Themen (Religion, Religionsausübung, Frauenrechte u.a.) und das Verhältnis der Kriegsgefangenen zur Regensburger Bevölkerung. Thematisiert wird auch die schwierige Situation von Kriegsgefangenen erwähnt seien neben der Reflexion des Kriegsgeschehens die Situation der erzwungenen Passivität und der Gefangenschaft in der Fremde. Zudem ist Le Pour et le Contre als Medium zu begreifen, das die Rolle der Kunst unter den Umständen der Haft verdeutlicht. Sichtbar wird dies beispielsweise in der Besprechung mehrerer im Lager aufgeführter Theaterstücke bekannter französischer Dramenautoren, auch im Abdruck kurzer Gedichte und Parodien und in der Veröffentlichung feuilletonistischer Beiträge.

 

Frau Prof. Dr. Isabella von Treskow, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Romanistik an der Universität Regensburg, und Herr Dr. Bernhard Lübbers, Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg, haben dieses überaus wertvolle Konvolut nicht nur in einer digitalen Präsentation in der Bayerischen Landesbibliothek Online der Öffentlichkeit (http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/sbr-lepouretlecontre) zugänglich gemacht, sondern Sie wollen darüber hinaus durch Symposien und Aufführungen ein vertieftes Verständnis für einen wichtigen Aspekt der großen Kriege, die Gefangenschaft, in seinen sozialen und kulturhistorischen Bezügen ermöglichen.

 

Geplant sind ein wissenschaftliches Symposium mit einer kleinen Ausstellung, Kosten ca. € 45.000,-, und Aufführungen einiger der 1916/17 gespielten Theaterstücke, Kosten ca. € 55.000,-.

 

Frau Prof. Dr. Isabella von Treskow hat in dem Aufsatz „Captif je suis Gefangenschaft und kulturelles Leben französischer Soldaten im Ersten Weltkrieg in Regensburg“, in: Bernhard Lübbers und Stefan Reichmann (Hgg.), Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte einer bayerischen Provinzstadt zwischen 1914 und 1918. (Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg 10) Regensburg 2014, S. 119-137, die Gesamtproblematik knapp thematisiert.

 

 

2. Das Kriegsende 1945 in und um Regensburg ein Forschungsprojekt

 

Aus gegebenem Anlass hat sich das Stadtarchiv intensiver mit dem Ende des 2. Weltkrieges im Raum Regensburg befasst. Bei diesen wissenschaftlichen Recherchen musste festgestellt werden, dass es wohl nicht hinreichend ist, sich ausschließlich mit den bekannten lokalen Gegebenheiten und den Aussagen einiger weniger Zeitzeugen in und um Regensburg zu begnügen.

 

Schon die Studien von Dr. Roman Smolorz zu den Zwangsarbeitern in Regensburg während des 2. Weltkriegs, zur Problematik der Displaced Persons und der frühen Judengemeinde in Regensburg nach dem 2. Weltkrieg, die intensiv durch das Stadtarchiv gefördert worden sind (vgl. die Publikationen dazu), wurde deutlich erkennbar, dass Regensburg in jener Umbruchszeit von 1944 bis 1946 mehr Bedeutung zukam als vielen anderen bayerischen Städten: Hier operierten alle Geheimdienste der Alliierten, bzw. der ehemaligen Alliierten und hier sammelten sich antikommunistische Gruppen aus dem osteuropäischen Raum. Nicht untersucht ist, welche Rolle die alliierten Geheimdienste vor der Kapitulation im April 1945 in Regensburg spielten, ein Desiderat der Forschung bis heute.

 

So haben die Forschungen von Rainer Ehm, M.A. ergeben, dass es in Regensburg in den letzten Wochen vor Kriegsende wahrscheinlich Widerstandgruppen im militärischen Bereich gegeben hat, die möglicherweise Kontakt zu den Alliierten hatten. Eine erste Überprüfung der Ehmschen Forschungen in den Unterlagen der Deutschen Dienststelle (WASt) in Berlin hat bereits bemerkenswerte Details zu Tage gefördert, die allerdings noch einer breiteren Verifizierung bedürfen.

 

nzlich unberücksichtigt blieb bisher ebenso, inwieweit die teils noch umgesetzte Verlagerung deutscher sog. Spitzenkampfstoffe (Nervengas) von Süddeutschland nach Ostbayern und von dort auf Donauschiffe, die taktische Kriegführung in diesem Raum erschwert bzw. u.U. gar unmöglich gemacht hat. Die Wehrmacht war zu diesem Zeitpunkt aus waffentechnischen Gründen zu einem Gaskrieg selbst nicht mehr in der Lage und achtete entsprechend darauf, einen solchen nicht versehentlich auszulösen. Belegbar ist ferner, dass die Kampfstoffverlagerungen in den Raum Regensburg von alliierter Seite beobachtet wurden und entsprechende Aufklärungserkenntnisse sogar der politischen Führung der Westalliierten vorgelegt wurden.

 

Insbesondere diese, aber auch andere Fragestellungen bedürfen einer intensiven wissenschaftlichen Erforschung. Recherchen in der einschlägigen Literatur sowie in gedruckten und digitalen Findbehelfen der nationalen Archive haben ergeben, dass neben dem Bundesarchiv vor allem die ‚National Archives in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten zu konsultieren sind. Ebenso wären Forschungen in den ehemals sowjetischen Archiven und den Archiven der ehemaligen Staaten des Ostblocks erforderlich hier wurde bereits Kontakt aufgenommen. Das Stadtarchiv plant diese Archivforschungen in Kooperation mit den Lehrstühlen für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Prof. Dr. Mark Spoerer) und für Bayerische Landesgeschichte (Prof. Dr. Bernhard Löffler) der Universität Regensburg durchzuführen. Im April 2015 sollte ein Kolloquium abgehalten werden, das sich mit Bayern und Ostbayern 1944 bis 1946 beschäftigt und dessen Vorträge als erster Band einer geplanten Publikationsreihe der Forschungsergebnisse vorgelegt werden soll.

 

Die Kosten für das auf zwei Jahre angelegte Projekt werden sich auf rund 250.000 € belaufen, die sich je nach Projektbeginn auf drei HHJ 2015 2016 verteilen werden. 50 Prozent der Kosten dieses Projekts werden aus der Budgetrücklage des Kulturreferates finanziert.

 


Der Kulturausschuss empfiehlt, der Stadtrat beschließt:

 

Die Verwaltung wird beauftragt alle notwendigen Planungsschritte einzuleiten, die Projekte zu konkretisieren, die Verträge mit den Partnern und einen detaillierten Finanzierungsplan zu erarbeiten.