Vorlage - VO/08/3916/51  

 
 
Betreff: Übernahme von Kostenbeiträgen für den Besuch von Tageseinrichtungen und schulbezogenen Betreuungsangeboten sowie Bezuschussung der Kosten für die Mittagsverpflegung
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Berichterstatter/in:Bürgermeister WolbergsBezüglich:
VO/08/3831/51
Federführend:Amt für Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Vorberatung
04.12.2008 
Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses ungeändert beschlossen   
Verwaltungs- und Finanzausschuss Vorberatung
04.12.2008 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses ungeändert beschlossen   
Stadtrat der Stadt Regensburg Entscheidung
11.12.2008 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Stadt Regensburg ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlage/n

                                                                                                             

 

 

Sachverhalt: 

 

1.  Ein Kostenbeitrag oder ein Teilnahmebeitrag für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 bis 24 SGB VIII soll nach § 90 Abs. 3 SGB VIII auf Antrag ganz oder teilweise erlassen (Kosten­beitrag) oder übernommen (Teilnahmebeitrag) werden, wenn die Belastung den Eltern und dem Kind nicht zuzumuten ist.

 

Nicht zuzumuten ist ein Kostenbeitrag bzw. Teilnahmebeitrag, wenn das Einkommen eine sich nach den Vorschriften der Sozialhilfe ergebende Einkommensgrenze nicht überschreitet. In diesen Fällen ist der Kostenbeitrag zu erlassen bzw. der Teilnahmebeitrag in voller Höhe zu übernehmen.

Überschreitet das Einkommen die Belastungsgrenze, werden durch das Amt für Jugend und Familie derzeit 80 % des überschreitenden Einkommens als Eigenanteil angerechnet und dieser ist entsprechend als Kostenbeteiligung einzusetzen. Übersteigt der Kostenbeitrag/Teilnahmebeitrag diesen Eigenanteil, so ist der übersteigende Betrag von der Stadt Regens­burg zu übernehmen.

 

Mit Beschluss des Stadtrats vom 17.03.2005 wurde eine ergänzende Regelung zur städti­schen Bezuschussung beim Besuch von Tageseinrichtungen sowie bei der Inanspruch­nahme einer Förderung in Tagespflege getroffen: „Die Förderung erfolgt wenigstens aufgrund des gesetzlichen Freibetrags seit 01.01.2005, höchstens jedoch aufgrund des zum 31.12.2004 geltenden Freibetrages – errechnet aus dem gesetzlichen Freibetrag und der zusätzlichen freiwilligen Leistung der Stadt Regensburg.“

 

2.  Seit 2005 hat sich das Betreuungsangebot für Kinder in der Stadt Regensburg erheblich aus­geweitet. Neben den Tageseinrichtungen nach dem SGB VIII (Krabbelstube, Kindergarten, Hort) wurden insbesondere die schulischen bzw. schulbezogenen Betreuungsangebote deut­lich erhöht: Mittagsbetreuung an Grundschulen, Nachmittagsbetreuung („offene Ganztags­schule“), Hausaufgabenbetreuung, „gebundene Ganztagsschule“, verlängerte Mittags­betreuung an Grundschulen sowie Mischformen der genannten schulbezogenen Betreu­ungsangebote.

 

Da die schulbezogenen Betreuungsangebote keine Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind, ist grundsätzlich auch eine Kostenübernahme nach dem SGB VIII nicht normiert.

Eine Bezuschussung der Betreuung durch die Stadt Regensburg erfolgte entsprechend bisher nur im begründeten Einzelfall, soweit in analoger Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Jugendhilferechts die Förderung für die Entwicklung des Kindes als erforderlich erachtet wurde und die finanzielle Belastung nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII nicht zumutbar war.

 

3.  In gleicher Weise wie die schulbezogenen Betreuungsangebote wurde die Bezuschussung der Kosten für die Mittagsverpflegung auf begründete Ausnahmefälle beschränkt, d.h. wenn im Einzelfall aufgrund einer sozialpädagogischen Stellungnahme besondere situative bzw. familiäre Gründe eine Sicherung der Mittagsverpflegung nahelegten.

 

4.  Hinsichtlich der Bezuschussung des Mittagessens in Tageseinrichtungen nach dem SGB VIII i.V.m. dem Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz (BayKiBiG) ergibt sich auf­grund eines Urteils des BayVGH (12 B 00.1259) vom 01.04.2004 eine neue Rechtslage, die jedoch unterschiedlich interpretiert wird:

 

  • Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (BayStMAS) teilt zur Umsetzung des o.g. Urteils mit AMS (VI 4/7/2008) vom 09.05.2008 mit, dass die Kosten für das Mittagessen in einer Kindertageseinrichtung zum Teilnah­mebeitrag bzw. Kostenbeitrag zählen und nach Maßgabe der zumutbaren Belastung im Rahmen der wirtschaftlichen Jugendhilfe zu übernehmen sind.

 

  • Der Bayerische Städtetag vertritt eine abweichende Rechtsauffassung (vgl. Rund­schreiben Nr. S 100/2008 vom 23.10.2008). „Der Sozialausschuss ... bewertet das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als Einzelfallentscheidung, die nicht für die allgemeine Praxis verpflichtend ist.“ Die vom Ministerium angestrebte Lösung würde die bayerischen Kommunen „viele Millionen Euro zusätzlich pro Jahr in der Jugendhilfe“ kosten und damit originäre Aufgaben des Staates finanzieren.

 

Die Stadt Regensburg teilt von den genannten divergierenden Rechtsauffassungen ohne Einschränkung die Zielsetzung des Bayerischen Städtetages, dass „Kinder in Kindertage­seinrichtungen regelmäßig ein Mittagessen erhalten sollten, auch wenn sich ihre Familien das Essen aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten können sollten“.

Angesichts dieser vorrangigen Option empfiehlt sich unter konsequenter Wahrung der kommunalen Rechtsposition gegenüber den staatlichen Entscheidungsträgern folgende Lösung: die Bezuschussung des Mittagessens bei der Kindertagesbetreuung erfolgt nicht als kommunale Pflichtaufgabe, die beim Staat gesehen wird, sondern notgedrungen bis auf Weiteres in Form einer freiwilligen Leistung, die jedoch nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII gewährt wird.

Für die Stadt Regensburg errechnet sich aufgrund der aktuellen Fallzahlen ein finanzieller Mehraufwand i.H.v. jährlich rund 220.000 Euro für die Bezuschussung des Mittagessens in einer Kindertageseinrichtung.

 

5.  Bezüglich der Bezieher von Arbeitslosengeld II haben die örtlichen Träger der Jugendhilfe bisher vielfach die Übernahme der Kosten des Mittagessens abgelehnt, weil die Regelsätze wegen eines kommunal geförderten Mittagessens gekürzt und damit letztlich über die Jugendhilfe Aufgaben des Bundes finanziert würden. Diese Argumentation ist freilich mittler­weile überholt, da nunmehr aufgrund § 2 Abs. 5 der Verordnung zur Berechnung von Ein­kommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeits­losengeld II/Sozialgeld (AlgII-V) vom 17.12.2007 i.V.m. § 62 SGB V (Belastungsgrenze für nicht chronisch Kranke) ein Bagatellbetrag i.H.v. 83 € für durch Dritte bereitgestellte Verpfle­gung besteht. Das heißt: Die Übernahme bzw. Bezuschussung der Kosten des Mittagessens ist beim Bezug von Arbeitslosengeld II/Sozialgeld nicht mehr als Einkommen anzurechnen, soweit der o.g. Bagatellbetrag nicht überschritten wird.

 

6.  Die Übernahme von Kostenbeiträgen für den Besuch von Tageseinrichtungen und schul­bezogenen Betreuungsangeboten sowie die Bezuschussung der Kosten für die Mittags­verpflegung bereitet erhebliche Vollzugsprobleme: Antragstellenden Eltern ist kaum bzw. nicht verständlich zu machen, wieso die Förderung in Tageseinrichtungen einen städtischen Zuschuss vorsieht, während bei schulbezogenen Betreuungsangeboten kein Anspruch be­steht. Vielfach hat selbst das Amt für Jugend und Familie Probleme, eine eindeutige Zuord­nung der unterschiedlichen Betreuungsarrangements vorzunehmen.

 

     Im Hinblick auf die betroffenen Kinder, die auf die Förderung durch ein Betreuungsangebot – sei es im Rahmen des SGB VIII oder im Rahmen einer schulbezogenen Maßnahme – angewiesen sind, ist eine städtische Regelung überfällig, die für Eltern nachvollziehbar und für die Verwaltung mit vertretbarem Aufwand praktikabel ist.

Es sind grundsätzlich fünf Lösungsvarianten hinsichtlich der Bezuschussung von Kosten­beitrag/Teilnahmebeitrag und Mittagsverpflegung vorstellbar:

·       ausschließliche Förderung des Besuchs von Tageseinrichtungen nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII und keine Bezuschussung bei schulbezogenen Betreuungsangeboten (einschl. Mittagessen) – Variante 1

·       Förderung aller Betreuungsangebote nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII sowie Über­nahme der Kosten des Mittagessens für alle Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Schulaufwands – Variante 2

·       Förderung aller Betreuungsangebote nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII sowie städtische Subventionierung der Anbieter des Mittagessens für alle Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Schulaufwands – Variante 3

·       Bezuschussung aller Betreuungsangebote sowie der Mittagsverpflegung nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII bei wirtschaftlich bedürftigen Familien – Variante 4

·       Bezuschussung der Betreuungsangebote und des Mittagessens im Wege von Einzelfall­entscheidung aufgrund einer sozialpädagogischen Beurteilung – Variante 5

 

Variante 1 würde das staatliche Versäumnis abbilden, schulbezogene Betreuungsangebote zwar anzuregen und zu bezuschussen, sich dann aber der Verantwortung zu entziehen bzw. diese auf die örtlichen Träger der Jugendhilfe zu verschieben. Aus Sicht der betroffenen Familien und ihrer Kinder scheint jedoch ein konsequentes Verhalten der Stadt Regensburg entsprechend dieser Variante nicht hilfreich.

 

Gegen Variante 2 spricht neben dem Argument, dass die weiteren Anstrengungen zur Reali­sierung eines staatlichen Engagements konterkariert würden, vor allem die kostenseitige Auswirkung: Die Kosten für das Mittagessen in schulbezogenen Betreuungsangeboten würden für die Stadt Regensburg rund 500.000 Euro betragen (935 Betreuungsplätze x 11 Monate x 50 Euro).

 

Die Subventionierung des Mittagessens nach Variante 3 würde zwar im Vergleich zur Variante 2 den städtischen Aufwand reduzieren. Neben wettbewerbs- und vergaberechtlichen Fragen löst Variante 3 jedoch nicht das Problem, dass vielfach bedürftige Familien auch ein subventioniertes Mittagessen nicht bezahlen können bzw. wollen – im Ergebnis wären die betroffenen Kinder wieder ausgegrenzt.

 

Variante 4 ist mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, weil die eingehenden Anträge hinsichtlich der Bedürftigkeit nach § 90 Abs. 4 SGB VIII zu prüfen sind. Gleichzeitig spricht dafür jedoch das Kriterium der Gerechtigkeit, weil nicht unterschiedslos alle unab­hängig von eigenen finanziellen Möglichkeiten eine städtische Förderung erhalten würden.

 

Variante 5 entspricht der bisherigen Praxis – aus Sicht des Amtes für Jugend und Familie ist sie jedoch wie dargestellt problematisch und stellt insofern nur eine Notlösung dar.

 

7.  Die Verwaltung spricht sich aus wirtschaftlichen Gründen für Variante 4 aus:

·       Der zeitliche Aufwand beläuft sich bei derzeit 935 Betreuungsplätzen (400 offene Ganztags­schule, 285 Mittagsbetreuung, 250 Tagespflege) und kalkulierten 590 Anträgen auf etwa 1.150 Arbeitsstunden.

·       Es ist mit einer Bezuschussung des Mittagessens i.H.v. rund 95.000 Euro zu rechnen.

Bei der Schaffung von zusätzlicher Personalkapazität von 28 Wochenstunden im Sachgebiet Wirtschaftliche Jugendhilfe errechnen sich 44.430 € (Beamtin) bzw. 42.470 Euro (Tarif­beschäftigter), sodass insgesamt ca. 140.000 Euro als finanzieller Zusatzbedarf zu Buche schlagen. Dem stehen Kosten i.H.v. 500.000 Euro laut Variante 2 gegenüber.

Unter finanzwirtschaftlicher Sicht ist zu berücksichtigen, dass eine qualifizierte gesicherte Betreuung geeignet sein könnte, kostenintensivere teilstationäre Hilfen für verhaltens­schwierige bzw. integrationsbeeinträchtigte Kinder nicht in Anspruch nehmen zu müssen. Rechnerisch wäre bereits bei sieben entsprechenden Einzelfällen eine Kompensation der o.g. Mehrausgaben erreicht.

 

8.  Mit einem neuen Beschluss zur Übernahme von Kostenbeiträgen für den Besuch von Tagesein­richtungen und schulbezogenen Betreuungsangeboten sowie Übernahme der Kosten für die Mittagsverpflegung sollte die Regelung vom 17.03.2005 (vgl. oben) aufge­hoben werden: Insofern bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit die Kosten der Mittagsverpflegung bezuschusst werden, scheint bei der Feststellung der zumutbaren Belastung ein über den gesetzlichen Freibetrag hinausgehender städtischer Freibetrag als freiwillige Leistung nicht mehr notwendig.

 

9.  Die Finanzierung der kalkulierten Kosten i.H.v. 140.000 Euro soll zu 50 % aus allgemeinen Haushaltsmitteln der Stadt Regensburg sowie hälftig gemeinsam aus Haushaltsmitteln des Direktoriums 2 (Bürgermeister Gerhard Weber) und des Direktoriums 3 (Bürgermeister Joachim Wolbergs) erfolgen. Der haushaltsmäßige Vollzug erfolgt im Nachtragshaushalt 2009.

Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:

 

Der Ausschuss empfiehlt / Der Stadtrat beschließt:

 

Die Stadt Regensburg bezuschusst entsprechend dem Sachbericht der Verwaltung als freiwillige Leistung nach Maßgabe des § 90 Abs. 4 SGB VIII

·                     die Mittagsverpflegung von Kindern im Rahmen der Kindertagesbetreuung

·                     die Betreuung sowie die Mittagsverpflegung von Kindern im Rahmen schulbezogener

            Betreuungsangebote.

 


 

Anlagen:

Stammbaum:
VO/08/3831/51   Übernahme von Kostenbeiträgen für den Besuch von Tageseinrichtungen und schulbezogenen Betreuungsangeboten sowie Bezuschussung der Kosten für die Mittagsverpflegung   Amt für Jugend und Familie   Beschlussvorlage
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